Bürgerentscheid Cerveteristraße:Papierkrieg um eine Wiese

Ganz schön geballt, ganz schön falsch, ganz schön traurig? Vor dem Brucker Bürgerentscheid kämpfen die beiden Lager mit Flugblättern, Briefen und Plakaten um die Meinungshoheit und werfen sich gegenseitig Unfairness vor

Von Stefan Salger

Cerveteristraße

Ein echtes Erlebnis, dieser Schilderwald: Das Werbemobil der Stadtwerke und die Plakate von SPD und CSU auf der "Hundewiese" an der Cerveteristraße.

(Foto: Günther Reger)

Am 28. Juli werden die Brucker in den Wahlkabinen ein Blatt Papier vorfinden, auf dem sie Ja oder Nein ankreuzen können. Dann wird darüber entschieden, ob die sogenannte Hundewiese im Westen der Stadt mit Wohnungen bebaut wird und die Stadtwerke sich von der Innenstadt hierher verlagern dürfen. Längst aber ist die ganze Sache regelrecht zum Papierkrieg ausgeartet, in dem schwere Geschütze aufgefahren werden. Zwei Lager liefern sich einen Schlagabtausch mit allen erdenklichen Medien: Auf der einen Seite die Bürgerinitiative, die von den Stadtratsfraktionen der Grünen und der BBV unterstützt wird. Auf der anderen Seite die Stadtwerke und vor allem die großen Fraktionen CSU und SPD. Die Kontrahenten beharken sich klassisch von Angesicht zu Angesicht, analog und damit schwarz auf weiß sowie modern digital und damit via Internet, Facebook und Twitter.

Den Auftakt machten die Stadtwerke. Sie verschickten am 2. Juli einen Brief an ihre 15 000 Kunden im Stadtgebiet, in dem sie aufzählen, warum das Areal an der Cerveteristraße "so ideal" ist als neuer Standort und welche Vorteile dies den Brucker Bürgern bringe. Jene sollten doch bitteschön mit Nein stimmen, so der eindeutige Appell. Dürfen die so etwas mit unseren Gebühren finanzieren, fragten sich einige jener Bürger, die sich dem anderen Lager zurechnen, und wandten sich verärgert an die Redaktion der SZ und direkt an die Stadtwerke. "Ja, wir dürfen", sagt Andreas Wohlmann von den Stadtwerken. Er sieht den Datenschutz gewährleistet und alle Regeln des Wettbewerbsrechts eingehalten. Die Kunden dürften angesichts einer so weitreichenden Entscheidung, die die geschäftlichen Aspekte der Stadtwerke betreffen und bei der es um viel Geld und Zeit geht, sehr wohl informiert werden. BBV-Stadtrat Klaus Zieglmeier, der im Stadtrat nach einem "demokratischen Beschluss" als Legitimationsgrundlage für die Briefaktion der städtischen Tochter fragte, blitzte entsprechend ab: Das sei eine GmbH, die dürfe das, hieß es von der Stadtspitze. Am Donnerstag legten die Stadtwerke nach: In den Brucker Briefkästen fand sich da eine "Kundenzeitung", in der erneut betont wird, wie wichtig ein schneller Umzug an die Cerveteristraße sei.

Dieser Aktionismus hat längst die Gegenseite auf den Plan gerufen. Beschränkte die sich bislang auf Infostände und einen Frontalangriff im Cyberspace, so greift die Bürgerinitiative nun auch zum griffigen Faltblatt. Darauf wird die drohende Flächenversiegelung gegeißelt und für den Erhalt eines "zu Fuß erreichbaren Naherholungsgebiets" geworben. Der Flyer freilich ruft wiederum umgehend die Gegner auf den Plan. Walter Schwarz (SPD) äußerte sich im Stadtrat empört über eine Passage, mit der bewusst falsch informiert und "der Bürger für dumm verkauft" werde. Dort heißt es: "Der kommende Kiesabbau im Rothschwaiger Forst, der bis zur B 471 gehen wird, setzt neue, enge Grenzen für Erholungssuchende." Und das obwohl seit Monaten klar ist, dass die Stadt den Kiesabbau bis an die Bundesstraße verhindern konnte.

Fortgesetzt wird der Schlagabtausch mittels Plakaten. Die BI warnt da großformatig vor einem achten Gewerbegebiet. Und die SPD kontert mit einem eigenen Plakat und warnt den gewogenen Leser davor, den anderen auf den Leim zu gehen. "Vorsicht Falle", warnen die Genossen. Niemand habe die Absicht, ein achtes Gewerbegebiet zu bauen. Schließlich, so die Argumentation der SPD, bezeichne den aktuellen Standort der Stadtwerke an der Lände, auf dem künftig Wohnungen entstehen sollen, auch niemand als Gewerbegebiet. So macht jeder seine eigene Rechnung auf.

Schiere Größe muss dabei nicht entscheidend sein. Während die BI ein Vespa-Dreirad mit Plakaten an den Flanken in die Schlacht um die Deutungshoheit schickt, setzen die Stadtwerke auf ein größeres Kaliber. Ihr weißer Streitwagen hat ein wohl an die sechs Quadratmeter großes Plakat geschultert. Dass dieses aber "mit unseren Strom- und Wassergebühren" finanziert und "mitten auf der Grünfläche an der Cerveteristraße geparkt" werde, findet BI-Mitglied Richard Bartels wiederum, wie er via Facebook mitteilt, "ganz schön traurig".

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