Bühne:Zwischen leichtem Kalauer und schwerer Kost

Vier ehemalige Preisträger des Wettbewerbs "Paulaner Solo" demonstrieren beim gemeinsamen Auftritt im Veranstaltungsforum Fürstenfeld den fließenden Übergang zwischen Kabarett und Comedy.

Von Karl-Wilhelm Götte, Fürstenfeldbruck

Unterschiedliche Kabarettstile live beobachten zu können, ist das Verdienst einer Münchner Brauerei, die in den vergangenen zehn Jahren regelmäßig das "Paulaner Solo", einen Wettstreit mit bereits gereiften oder jungen aufstrebenden Kabarettisten zusammen mit dem Veranstaltungsforum präsentiert. Diesmal zeigten vier ehemalige Preisträger im gut besuchten Fürstenfelder Stadtsaal ihre Kunst. Moderiert von Chris Boettcher, demonstrierte das Quartett einmal mehr, dass sich Kabarett und Comedy häufig vermischen oder die Übergänge fließend sind. Offensichtlich wurde an diesem Abend aber auch, dass für tiefsinnige Texte oder auch für einen gesellschaftspolitischer Standpunkt eines Künstlers nur eine Minderheit empfänglich ist.

Paulaner solo

Moderator Chris Boettcher kündigt Gewinner des Paulaner Solo aus den vergangenen Jahren an.

(Foto: Günther Reger)

Die große Mehrheit der Besucher wollte offenbar nur mit dem üblichen Pointen-Trallala unterhalten werden und sich über das Übel auf dieser Welt keine tieferen Gedanken machen. Das "Applausometer" im Stadtsaal spiegelte dies eindeutig wider. Der Anspruch auf bedingungslose Unterhaltung ist aber ebenso berechtigt.

Dafür stand nach der Pause Nadja Maleh, die 2009 den Paulaner Solo-Preis gewonnen hatte. Maleh präsentierte ihr "internationales Kopfradio". Da war die russische Olga, die offenbar vor allem Männern rustikale Wellness-Massagen verpasste. "Die Stimmen im Kopf wollen raus", sagte Maleh und ging zur nächsten Figur über. Sie gab die piepsende Jaqueline mit "einem Feuerwerk der guten Laune" oder Celine mit putzigem französischen Akzent, die Scheidungsvermittlerin und Kommunikationsexpertin. Dauerlachen entfachte sie mit Mandala aus Indien. Den typischen indisch-englischen Akzent virtuos beherrschend, genauso wie die typischen Bewegungen und Gesten einer Inderin, amüsierte Maleh ganz prächtig.

Paulaner solo

Michael Feindler versteht sich als Dichter und Kabarettist.

(Foto: Günther Reger)

Auch Heinrich del Core aus Rottweil, der schwäbische Italiener, wie er sich gerne präsentiert, ist ein Künstler, der mit Alltagsgeschichten gute Laune verbreitet. Del Core kann schon mal zehn Minuten lang sehr amüsant über ein vollautomatisches Klo treffliche Witze verbreiten. An diesem Abend unterhält er den Saal mit einer del Core-Weihnachtsgeschichte, die er in einer Kirche vorgetragen hat. Er spricht von einer Patchwork-Familie und einer alleinerziehenden Maria, weil ihr Mann nicht der Vater des Kindes ist. Maria habe aber umgehend einen Krippenplatz für den kleinen Jesus bekommen. "Das ist ein Wunder", sagt del Core, der Solo-Preisträger von 2012. Das Publikum lacht sich kaputt.

Paulaner solo

Zehn Jahre "Paulaner Solo" feiern Verantwortliche der Brauerei und des Veranstaltungsforums Fürstenfeld.

(Foto: Günther Reger)

Der Schweizer Thomas Lötscher, der mit Schirmmütze, Weste und Schlips in der spießigen Figur des "Veri" steckt, berichtet von Hundekotbeuteln und dicken zwölfjährigen Kindern, die im Auto angeschnallt oder wie der Schweizer sagt "angebunden" werden müssen. Lötscher, der 2010 gewann, steht für traditionelles Kabarett. "Veri" regt sich über Unfälle von Rentnern mit Elektrofahrrädern auf und bezeichnet den Augenschlitz, den eine Burka-Trägerin offen lässt, als "Schießscharte".

Paulaner solo

Der Schweizer Thomas Lötscher steckt mit Schirmmütze, Weste und Schlips in der spießigen Figur des "Veri".

(Foto: Günther Reger)

Der Höhepunkt des Abends war der Auftritt von Michael Feindler, der 2013 siegte. Feindler versteht sich als Dichter und Kabarettist; mit Gitarre und pointierten Liedern ausgestattet auch als Musikkabarettist. Er konterkarierte die Einschätzung, dass das Paulaner Solo eher unpolitisch wäre, ganz gewaltig. Als ehemaliger Poetry-Slamer ist er nicht nur der deutlichen Aussprache mächtig, er bezieht auch eindeutig Position. "Alle für den Krieg bereit, wenn niemand für den Frieden steht", dichtete der 28-jährige Westfale. Er erinnerte an das AfD-Plakat: "Wir halten, was die CSU verspricht." Minderheitsbeifall bekam er auch für seine Attacke gegen Horst Seehofer, der nach dem Terroranschlag vor einem Jahr auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz sofort davon sprach, die Zuwanderungspolitik neu zu justieren. Obwohl es bei dem Täter nur um multiples Staatsversagen gegangen sei, so Feindler. Er will jedoch in seinem Kabarett "weg von Personen" und hin zur Kritik der "Grundstrukturen" im Lande, die das Übel entfachen. Feindler nahm sich für seinen Auftritt zehn Minuten mehr Zeit als seine drei Kollegen. Mit Recht.

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