Brucker Fußballern droht das Aus:Der Countdown

Bis 31. Januar soll der SC Fürstenfeldbruck 100 000 Euro gesammelt haben, um einer Insolvenz zu entgehen. Im Mittelpunkt der Finanzkrise steht weiterhin das Jahr 2012. Darin häufen sich seltsame Vorkommnisse

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Über all die Jahre, in denen der Sportclub Fürstenfeldbruck (SCF) in die Schlagzeilen geraten war, hat sich dann doch Unmut angesammelt. "Für mich ist der Verein nicht mehr zu retten und ich werde im Sportausschuss keinen finanziellen Hilfen mehr zustimmen", postete kürzlich der Brucker Grünen-Stadtrat Jan Halbauer in den sozialen Medien und der auf Facebook sehr aktive ehemalige Stadtrat Axel Lämmle ergänzte: "Dieser Verein sollte sich einfach auflösen, und die Willigen könnten dann einen neuen Verein gründen." Andere möchten ihn doch gerne erhalten - vor allem seiner Jugendarbeit wegen -, weshalb an diesem Samstag die Münchner Löwen zum Benefizfußballspiel nach Fürstenfeldbruck kommen. Der Existenzkampf des Vereins nähert sich in diesen Tagen seinem Höhepunkt.

Kommt bis zum nächsten Mittwoch, 31. Januar, nicht ein Betrag von mindestens 100 000 Euro an Spenden zusammen, dann wird das Insolvenzverfahren gegen den Verein eröffnet. So hat es der vorläufig bestellte Insolvenzverwalter Oliver Schartl angekündigt. Ob die geforderte Summe erreicht wird, dazu wollte Schartl sich am Freitag nicht äußern: "Da gibt es noch keine Richtung."

In existenzielle Bedrängnis gebracht hatten den Verein finanzielle Unregelmäßigkeiten in den Jahren 2010 bis 2013. Einnahmen verschiedener Veranstaltungen von damals sollen, so die Erkenntnis einer Betriebsprüfung durch das Finanzamt Fürstenfeldbruck, entweder gar nicht oder nicht ordnungsgemäß erfasst sein. Die Gemeinnützigkeit ging verloren, Steuernachzahlungen an Finanzamt und Stadt Fürstenfeldbruck von insgesamt 210 000 Euro wurden fällig, der Verein stellte daraufhin Insolvenzantrag. Jene dafür in Haftung zu nehmen, die den Schaden verursacht haben, forderten kürzlich Eltern der Jugendabteilung des Vereins mit einer Unterschriftenliste. Einen ähnlichen Appell an das Finanzamt hatte die Mitgliederversammlung im vorigen Jahr verfasst.

Das Finanzamt wollte mit Verweis auf das Steuergeheimnis keine Fragen der SZ beantworten, auch jene nicht, ob in diesem Zusammenhang ein Steuerstrafverfahren eingeleitet wurde. In der Betriebsprüfungsordnung heißt es dazu: "Ergeben sich während einer Außenprüfung zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat, deren Ermittlung der Finanzbehörde obliegt, so ist die für die Bearbeitung dieser Straftat zuständige Stelle unverzüglich zu unterrichten. Dies gilt auch, wenn lediglich die Möglichkeit besteht, dass ein Strafverfahren durchgeführt werden muss." "Ich gehe davon aus", sagt der amtierende Vereinspräsident Jakob Ettner, "dass das Finanzamt seine Pflichten schnellstmöglich erfüllen wird. Ansonsten wird es Aufgabe des Insolvenzverwalters werden, das Finanzamt in Haftung zu nehmen." Derzeit ermittelt die Polizei im Fall des Brucker Sportclubs. Nach Abschluss wird sie ihre Informationen an die Staatsanwaltschaft weiterleiten. Welches Bild sich ergeben könnte, könne man derzeit noch nicht sagen, teilte am Donnerstag eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft München II mit.

Bruck: SCF - Vereinsversammlung b/ Insolvenz

Ratlose Gesichter beim SCF: Fußballertrainer Michael Westermair (rechts) hört einem Vortrag des vorläufigen Insolvenzverwalters zu.

(Foto: Johannes Simon)

Im Fokus steht das Jahr 2012 mit zwei Großveranstaltungen. Das Finanzamt fand nicht alle Einnahmen des Jahres 2012 ordentlich belegt. Im Juni 2012 gab es im Sportzentrum, das die Stadt als Eigentümerin dem SCF zur Nutzung überlassen hat, ein Public Viewing mit Riesenleinwand zur Fußball-Europameisterschaft. Das Finanzamt rechnete es dem SCF als Veranstalter zu, weil die Genehmigungen, die die Stadt dafür ausstellte, auf den SCF liefen. Eckart Lutzeier, damals einer der Vizepräsidenten und im Jahr 2013 Präsident des Vereins, bestätigte am Freitag der SZ jedoch, dass die Trend Line Sport und Management GmbH (bei der er von der Gründung im März 2012 bis zu seinem Ausscheiden im Januar 2013 einer von zwei Gesellschaftern war) das Public Viewing im Jahr 2012 ausgerichtet und auch versteuert habe. Das würde bedeuten, ein und derselbe Event wäre gleich zweimal versteuert worden, von der GmbH und vom SCF. Kann das sein? Wie Lutzeier der SZ auch sagte, hatte das Public Viewing ein Minus von 40 000 Euro ergeben. In den Unterlagen des SCF fand sich jedoch nichts, was die Trend Line als Veranstalter ausweisen würde. Der Verein hatte damals offenbar auch Rechnungen für den Event beglichen. Wegen fehlender Nachweise nahm das Finanzamt bei der Betriebsprüfung deshalb Schätzungen vor. Eine Sprecherin der Stadt Fürstenfeldbruck bestätigt, dass das städtische Ordnungsamt das Public Viewing mit dem SCF als Veranstalter genehmigt hatte, und ergänzt: "Ein Vertragsverhältnis zwischen dem SCF und der Firma Trendline GmbH ist uns nichts bekannt." Eine Weitervermietung im Vertrag zwischen der Stadt und dem SCF sei "nicht explizit geregelt".

Eckart Lutzeier indes wundert sich, warum die aktuelle Vereinsführung dem Finanzamt nicht gesagt habe, "dass die Trend Line das Public Viewing gemacht hat. Und dafür sollen wir jetzt in der Verantwortung sein!" Nach Angaben des SCF wurde die Behörde indes mehrfach darauf aufmerksam gemacht. Auch bei den Jahreshauptversammlungen der vergangenen Jahre hatte Ettner, der den SCF seit 2014 führt und seit 2011 auch Jugendleiter im Verein ist, mehrfach an die ehemaligen Präsidiumsmitglieder appelliert, fehlende Unterlagen beizubringen. Nach einigen Aufforderungen wurde dem Verein ein Pachtvertrag zwischen dem SCF und der Trend Line GmbH in Kopie vorgelegt, der schlecht zu lesen ist, kein Abschlussdatum aufweist und als Erfüllungsort und Gerichtsstand die Stadt Erfurt nennt, obwohl die Trendline GmbH laut Unternehmensregister in Fürstenfeldbruck gemeldet war. Später, so heißt es von Seiten des SCF, wurde dem Verein noch eine Rechnung in Kopie nachgereicht, die den 10. Juli 2012 als Datum trägt und in der der SCF der Firma Trend Line 15 000 Euro für die Nutzung des Sportzentrums für das Public Viewing in Rechnung stellt.

Einen Geldeingang über 15 000 Euro gibt es nicht, wohl aber einen über 20 000 Euro. Die Summe wurde im März 2012 bar auf eines der SCF-Konten bei der Sparkasse Fürstenfeldbruck einbezahlt. Die restlichen 5000 Euro, sagt Lutzeier, seien eine Spende an den SCF gewesen. Die Empfangsbescheinigung, mit der die Einzahlung verbucht wurde, weist indes keinen Einzahler auf. Gleiches beim Gastspiel des FC Bayern München in Fürstenfeldbruck: 20 655 Euro wurden im Oktober 2012 auf ein anderes SCF-Konto, wieder bar bei der Sparkasse Fürstenfeldbruck, eingezahlt. Auch hier: kein Name. Bei der Sparkasse sieht man "keine unsachgemäße Handhabung und keinen Fehler", wie ihr Chef Klaus Knörr der SZ auf Nachfrage sagt. Es würde nicht neu identifiziert, wenn jemand auf ein eigenes Konto oder das eines Vereins, für den er legitimiert sei, einzahle.

Bruck: SCF - Vereinsversammlung b/ Insolvenz

Der amtierende Vereinspräsident Jakob Ettner.

(Foto: Johannes Simon)

Die Betriebsprüfung des Finanzamtes indes monierte, dass Einnahmen aus den beiden Public Viewings der Jahre 2012 und 2010 (letzteres veranstaltete der Verein unstrittig selbst), von einem SCF-Stand am Brucker Altstadtfest 2012 sowie aus dem Freundschaftsspiel des SCF gegen den FC Bayern München im Oktober 2012 gar nicht oder nicht vollständig erfasst sind und auch keine ordnungsgemäße Kassenführung für die SCF-Gaststätte vorlag. Die Erlaubnis, diese in Eigenregie zu führen, hatte der Verein sich im Mai 2012 bei der Stadt eingeholt. Zuvor war das Vereinsheim verpachtet gewesen. Die Zuschauerzahl beim FC-Bayern-Gastspiel hatte der Verein damals mit 3300 angegeben und sich später davon distanziert. In einem von einem ehemaligen Präsidiumsmitglied unterzeichneten Schreiben ist nur noch von 2700 bis 2800 Zuschauern die Rede. Aufgezählt werden indes jede Menge Kategorien, nach denen der Verein Freikarten für den Event verteilt habe.

Die Eigentümlichkeiten beim SC Fürstenfeldbruck sind reichlich. Die Vernetzung der laut Satzung zum Vorstand gehörenden Ehrenpräsidenten des SCF ins Brucker Leben ging so weit, dass im vorigen September ein Informationsschreiben der Brucker Sparkasse über die Pfändung eines SCF-Kontos an die Privatadresse eines Ehrenpräsidenten ging. Sparkassenchef Knörr sagt, dass dies Sache des Kontoinhabers sei: "Der legt die Versandadresse fest". Auch mit Regularien nahm man es nicht so genau. Im Frühjahr 2012 wurde Siegfried Müller als Präsident bestätigt - im Achterpack per Akklamation, obwohl die Satzung eine geheime und schriftliche Wahl vorschreibt. Auf die Angabe eines exakten Wahlergebnisses verzichtete man gänzlich. Müller, damals auch Großsponsor des SCF, wurde zwischenzeitlich wie andere ehemalige Präsidiumsmitglieder auch vom Insolvenzverwalter angeschrieben und um eine Spende zur Rettung des Vereins gebeten. Man werde darüber beraten, ob man einen Beitrag gebe, sagt Müller am Freitag auf Anfrage der SZ.

1988 übrigens hatte der SCF schon einmal Schulden in Höhe von 380 000 Mark offenbaren müssen. Der damalige und mittlerweile verstorbene SCF-Präsident und Stadtrat Hans Korn hatte Stadt und Landkreis um Zuschüsse in Höhe von 63 000 Mark betrogen. Korn musste dafür ins Gefängnis.

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