Brauchtum:Die starken Männer von Puch

Alle drei Jahre wird in dem kleinen, ländlichen Stadtteil von Fürstenfeldbruck ein Maibaum aufgestellt - in traditioneller Handarbeit und als große Gemeinschaftsveranstaltung. Diesmal kommen auch die OB-Kandidaten auf einen Besuch vorbei

Von Heike A. Batzer, Puch

Sein Kommando gilt. Seit gut 30 Jahren schon. Herbert Steinbrecher hat genau im Blick, wann die starken Männer wieder an der Reihe sind. Auf sein "Hauruck" schieben sie alle für einen Moment mit aller Kraft gemeinsam an. "Man muss sehen, wie der Baum kommt und wann man die Schwaiberl wechseln muss", erläutert Steinbrecher seine Aufgabe. Die Schwaiberl, das sind die Stangenpaare, mit deren Hilfe die Männer einen 30 Meter langen und tonnenschweren Baumstamm aus der Horizontalen in die Vertikale aufrichten. "Nur mit Muskelkraft", sagen die Traditionalisten, darauf legen sie Wert. Mit Manneskraft, sagen andere, meinen in diesem Fall aber dasselbe.

Brauchtum: Zur sich alle drei Jahre wiederholenden Tradition gehört vor allem: Muskelkraft.

Zur sich alle drei Jahre wiederholenden Tradition gehört vor allem: Muskelkraft.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Es sind ausschließlich Männer - etwa 60 -, die da Hand anlegen am Montagvormittag, um im kleinen, ländlichen Fürstenfeldbrucker Stadtteil Puch einen neuen Maibaum aufzustellen. Auch die in Puch ansässigen Stadträte Andreas Lohde (CSU) und Hardy Baumann (BBV) machen mit, Willi Dräxler, ebenfalls BBV und ebenfalls ein Pucher, muss diesmal passen. Es war ein Bandscheibenvorfall, da will er nichts riskieren. Martin Runge steht bei ihm. Den Grünen-Politiker aus Gröbenzell möchte die Brucker BBV gerne als neuen Fürstenfeldbrucker Oberbürgermeister sehen. Gewählt wird am nächsten Sonntag, da macht es sich gut, bei der Menschenansammlung in Puch Präsenz zu zeigen. Zumal auch die Konkurrenz vor Ort ist. Erich Raff (CSU) zum Beispiel. Der hat den Vorteil, amtierender Bürgermeister für den erkrankten Klaus Pleil zu sein, und als solcher darf er die Pucher begrüßen. Raff hat kein Mikrofon, steigt aber auf eine Bierbank. Zu hören ist er kaum, aber zu sehen.

Brauchtum: Der Maibaum ist der zweite am neu geschaffenen Platz zwischen Kirche und Grünem Zentrum.

Der Maibaum ist der zweite am neu geschaffenen Platz zwischen Kirche und Grünem Zentrum.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Später kommt noch Altlandrat Gottfried Grimm (CSU) vorbei. Gut gelaunt begrüßt er Martin Runge: "Den Kerl seh' ich nach 30 Jahren auch mal wieder!" Runge war unter Landrat Grimm junges Kreistagsmitglied. "Anfangs war er noch anständig, erst nachher hat er sich so entwickelt", sagt Grimm und grinst. Er würde jetzt in einer bürgerlichen Vereinigung sozialisiert, antwortet launig Klaus Quinten, Stadtrat der Brucker Bürgervereinigung (BBV). Später sitzen sie noch im großen Zelt, wo es zu essen und zu trinken gibt. Raff muss bald wieder weg, denn Stadtratskollege Franz Neuhierl von den Freien Wählern feiert seinen 75. Geburtstag.

Brauchtum: Weiß-blauer Baum unter weiß-blauem Himmel: Viele Pucher und auch Brucker begleiteten den neuen Pucher Maibaum auf seinem Weg nach oben.

Weiß-blauer Baum unter weiß-blauem Himmel: Viele Pucher und auch Brucker begleiteten den neuen Pucher Maibaum auf seinem Weg nach oben.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Philipp Heimerl, der SPD-Kandidat, ist auch da - als jüngster und bayerischster aller Kandidaten an diesem Tag: Lederhosen, Weste, Trachtenjanker. Vor drei Jahren hatte er selbst den Maibaum in Bruck mitaufgerichtet, am ersten Arbeitstag von Klaus Pleil als OB. Es interessiere ihn deshalb, "wie schnell das hier geht". Gute zwei Stunden brauchen die kräftigen Männer von Puch, dann steht der Baum. Kurz zuvor - er ist noch nicht ganz in der Senkrechten - entsteht ein Raunen unter den vielen Zusehern, weil sich die Baumspitze für einen ganz kurzen Moment bewegt. Der Wind, der aufgekommen ist, kriegt ihn da oben in 30 Metern Höhe nun besser zu fassen. Außerdem müsse man "am Ende aufpassen", sagt Herbert Steinbrecher, der Kommandogeber, "dass man nicht zu fest anschiebt". Um kurz nach elf steht der Baum, es gibt ordentlich Applaus von den Umstehenden. Bereits um neun Uhr, eine halbe Stunde früher als geplant, hatten sie begonnen, weil die Wetterprognosen nicht so gut waren für den Tag. Dann sind noch einige Nacharbeiten zu erledigen, der Baum muss fest in der Verankerung verschraubt werden. Dann wird er von allen Seiten begutachtet. Steht er auch gerade?

Die Pucher sind zufrieden. Zum zweiten Mal nach 2014 wurde ihr Maibaum an dem Platz gegenüber dem Grünen Zentrum aufgestellt. "Es ist jetzt ein schönes Ensemble mit dem Kirchturm und dem Maibaum daneben", befindet Stadt- und Kreisrat Ulrich Schmetz, der ebenfalls seit Jahrzehnten in Puch wohnt und sich gerade mit seinem Kreistagskollegen von der CSU, Johann Stürzer, unterhält. Aus Stürzers Familienbesitz stammt der Baum, der mal als Fichte im Wald stand, dann geschlagen, entrindet und geschliffen wurde. Danach wurden die weiß-blaue Bänderung und das Rautenmuster aufgetragen, jede Farbe in zwei Anstrichen. Schließlich wurden die Zunftzeichen angebracht und zwei Kränze. Wie sie nun so an ihrem neuen Baum emporschauen, sind sie zufrieden, die Pucher. Es habe alles "relativ gut geklappt", resümiert Christian Braumiller, der Vorsitzende des 2005 gegründeten Maibaumvereins. 2014 war der Standort noch neu und ungewohnt gewesen. "Es ist fantastisch", lobt nach getaner Arbeit Stadtrat Lohde, der nur einen Steinwurf vom Maibaum entfernt wohnt, "wie sie hier die Tradition pflegen und wie sie drei Tage für einen Tag aufbauen". Aus dem alten Maibaum haben sie Sitzbänke und Brennholz gemacht, alles wird später versteigert. Nun beginnt die Brucker Stadtkapelle zu spielen, später, als die Bar öffnet, ist eine Partyband dran. So ein Event im Dorf ist ja auch identitätsstiftend - gerade für einen kleinen Stadtteil einer Großen Kreisstadt. "Die alteingesessenen Pucher", weiß Ulrich Schmetz, "die legen schon Wert auf ihre Eigenständigkeit".

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