Boxen:Gelungene Integration

In kaum einer anderen Sportart ist der Anteil von Migranten derart hoch wie beim Boxen. Beim BC Piccolo stellen sie mehr als die Hälfte der aktiven Mitglieder. Ohne sie hätte so mancher Club schon schließen müssen.

Von Karl-Wilhelm Götte

Boxen Jahnhalle

Boxturnier in der Jahnhalle

(Foto: Günther Reger)

"Zum Körper ziehen", schreit Andreas Selak in den Ring der Brucker Jahnhalle. "Komm' über die Außenbahn", ruft er sofort hinterher. Dann wird es geheimnisvoll. "Jetzt eins und vier", schreit Selak "und dann sofort die drei." Boxer Manuel Gruber reagiert sofort, der junge Münchner schlägt eine Kombination und dann noch einen Körperhaken und wiederholt auf Kommando seines Trainers das noch zweimal erfolgreich. Der 16 Jahre alte Leichtgewichtler holt gegen seinen Gegner Islam Elmursajew aus Simbach in der dritten Runde noch die entscheidenden Punkte, um den Boxring als Sieger zu verlassen.

Manuel Gruber ist eher ein noch Anfänger. Es war erst sein achter Kampf, aber schon sein siebter Sieg. Sein junger Gegner war mit 15 Kämpfen schon weitaus erfahrender gewesen. Seit zwei Jahren ist er beim Münchner Verein "Faust2Kampf" im "Boxwerk" dabei. "Boxen gefällt mir eben", sagt Gruber, "die Erfolge natürlich auch." Sehr gesprächig ist er nicht. Sein Trainer schickt ihn zum fünfminütigen Seilspringen, das "Auslaufen" eines Boxers. Das Geheimnis mit vier und eins und dann die drei lüftet Trainer Selak nicht. "Das hat den Kampf entschieden", sagt er.

31 Kämpfe hat der BC Piccolo Fürstenfeldbruck für ein Turnier in der Jahnhalle organisiert. 62 Boxer, darunter auch vier Boxerinnen aus vielen südbayerischen Clubs, aber auch aus dem württembergischen Reutlingen und dem oberösterreichischen Braunau, nutzten das Kampfangebot vor 200 Besuchern. Piccolo-Chef Manfred Kaltenhauser nennt das Turnier "Medaillen-Open Integrationsturnier".

Kaltenhauser sagt: "Eigentlich müssten wir die wenigen Deutschen integrieren." Integriert seien die vielen Migranten schon seit vielen Jahren. Ohne türkisch-stämmige Kämpfer oder Boxer aus Ex-Jugoslawien und vor allem die große Schar der Russland-Deutschen könnten viele Clubs schließen. Kaltenhauser schätzt die Boxer mit Migrationshintergrund auf gut 80 Prozent in Bayern. In seinem Verein hätten von 45 Boxern mit Startausweis 30 einen Migrationshintergrund. "Bei den Mädchen und Frauen ist es anders," sagt der 72-Jährige, der seit 51 Jahren für den Boxsport aktiv ist, "da ist das Verhältnis etwa 50 zu 50."

Die Brucker Trainingsgruppe trainiert mit 50 Teilnehmern in der Hauptschule-Nord. Immer müsse alles aufgebaut werden, allein 15 Sandsäcke müssten zu jedem Training montiert werden. "Pfingsten 2014 wird die Halle umgebaut, da sind wird ein halbes Jahr blockiert", klagt der Brucker Boxchef. Er müsse mit der Stadt reden, wo die Boxer unterkommen könnten. "Das mache ich aber vor der Kommunalwahl im März", sagt Kaltenhauser und schmunzelt vielsagend. Sein Ziel wäre ein eigenes Studio oder eine Halle. "Wir sind da keinen Schritt voran gekommen."

Den Traum vom eigenen Boxstudio hat sich Nick Trachte mit "Boxwerk" in der Münchner Max-Vorstadt erfüllt. Dort boxt Manuel Gruber. Neben ihm steht Cari Wiedemann, der in Fürstenfeldbruck seinen ersten Kampf machen wollte. Den 16- Jährigen stoppte eine Mandelentzündung. Trachte berichtet zwar von einem großen Zulauf an jungen Boxern, darunter viele Mädchen. Doch die wenigsten stiegen in den Ring: "Das ist noch einmal eine andere Hausnummer." Da müssen sie allein auf sich gestellt klar kommen und besonderen Mut und Charakterstärke zeigen. Katinka Semrau hat das schon lange geschafft. Sie hat bereits 34 Kämpfe für den BC Piccolo hinter sich. Seit sechs Jahren boxt die heute 19-jährige Bruckerin. Boxen liegt in der Familie. Ihr Onkel, ihr Großonkel und ihre ältere Schwester standen auch schon im Ring. "Angst hatte ich eigentlich nie", sagt sie und erinnert sich höchstens an ein einziges blaues Auge. Im Februar 2014 will sie wieder in den Ring steigen.

Beim Turnier stehen sich im Mittelgewichtskampf Franz Pechmann aus Holzkirchen und der Brucker Lokalmatador Robin Reimer gegenüber. Ein heftiger Schlagabtausch. Nach dem Schlussgong hebt der Ringrichter den Arm von Robin Reimer und hängt ihm die verdiente Siegermedaille um.

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