Bilanz des Hochwassers:Schäden in Millionenhöhe

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Ununterbrochen waren die Helfer in den vergangenen beiden Wochen im Einsatz. Langsam wird klar, welch hohe Kosten das Hochwasser verursacht hat.

Von Gerhard Eisenkolb

Im unteren zweistelligen Millionenbereich könnte die Gesamthöhe der Schäden durch das Juni-Hochwasser im Landkreis liegen, sagt Landrat Thomas Karmasin. Für eine solche Schätzung sprechen die hohe, mehrmals nach oben korrigierte Zahl von insgesamt mindestens 1100 Feuerwehreinsätzen und die hohe Zahl der bisher im Landratsamt eingegangenen Anträge auf Auszahlung von Soforthilfe. Inzwischen steht fest, dass die 53 Feuerwehren im Landkreis mehr als 1100 Mal ausrücken mussten. Zudem gingen bei der Kreisbehörde bereits 381 Anträge von 366 Haushalten und 15 Firmen auf Mittel aus der Hochwasserhilfe des Freistaates ein.

Schäden richtete das Hochwasser in Wohngebiete und auf Äcker an, wie hier bei Esting. (Foto: Johannes Simon)

Zudem wird auch über erste Konsequenzen nachgedacht. So soll der Hochwasserschutz verbessert werden. Und es wird überlegt, mit restriktiveren Baugenehmigungsverfahren in den gefährdeten Gebieten künftig die Schäden zu begrenzen. Im Gegensatz zum Pfingsthochwasser 1999 waren diesmal nicht die über die Ufer getretenen Flüsse und Bäche das Hauptproblem, sondern der Starkregen. Die Wassermassen konnten nicht schnell genug abfließen, was das Grundwasser stark ansteigen ließ. An nur drei Tagen fiel mehr Regen als normalerweise in einem ganzen Monat. Obwohl deshalb in Eichenau der Starzelbach am Sonntagabend auf zwei Kilometern im Ort über die Ufer trat und das Wasser auf den Straßen bis zu 60 Zentimeter hoch stand, bekam die Feuerwehr diese Probleme mit mobilen Schutzanlagen, Sandsäcken und Kiesaufschüttungen einigermaßen in den Griff. Allein die Eichenauer Feuerwehr leistete in Privathäusern rund 300 Mal technische Hilfe.

Weder der Staat, noch die Kommunen sind zum Schutz vor hohen Grundwasserständen verpflichtet. Deshalb müssen Hausbesitzer selbst vorsorgen. Das beginnt schon bei der Bauplanung. So liegen bei älteren Siedlungshäusern in den Ostgemeinden Kellerfenster noch meist über dem Gelände, weil das Erdgeschoss auf einem Sockel steht. In den vergangenen Jahren änderte sich das allerdings - auch weil das Landratsamt die Erteilung von Baugenehmigungen mit der Auflage verknüpfte, Erdgeschosse aus optischen Gründen ebenerdig zu bauen. Mit fatalen Folgen, was der Landrat in den vergangenen Tagen wiederholt zu hören bekam. Diese Praxis soll in sensiblen Bereichen überdacht werden, räumt Karmasin nun ein.

Noch weiter gehen die Kreisvorsitzenden der Grünen, Ingrid Jaschke und Jan Halbauer. Sie halten die verheerenden Folgen des Starkregens für "größten Teils hausgemacht". Die Grünen fordern, die Flächenversiegelung drastisch zu reduzieren und durch die Renaturierung von Bächen weitere Retentionsräume zu schaffen. Zudem müssten Neubauten in den gefährdeten Bereichen zwingend mit ausreichenden Schutzmaßnahmen errichtet werden. Gefordert werden grundwasserdichte Wannen und erhöhte Sockel. Genehmigungen sollten solche Maßnahmen "erzwingen". Solche Zwangsmaßnahmen hält Karmasin für problematisch. "Bauherren kann nämlich nur auferlegt werden, was im Baurecht geregelt ist", sagt er. Da einige Kommunen Hausbesitzern für das Kellerleerpumpen keine Rechnung stellen wollen, müssen sie die Kosten selbst tragen. Auch das ist keine Kleinigkeit. Laut dem Eichenauer Kommandanten hätte eine einzige Hilfeleistung mit Gruppenfahrzeug, Gerät und vier bis fünf Helfern wohl 300 bis 400 Euro gekostet.

Einige Feuerwehren konnten erst am Donnerstag, also genau 14 Tage nach dem ersten Alarm am 31. Mai, mit den Aufräumungsarbeiten begonnen. Dieser Einsatzmarathon war nur durchzustehen, weil erschöpfte Helfer durch die kleineren Feuerwehren aus dem westlichen Landkreis abgelöst wurden. Dieses fast unerschöpfliche Reservoir habe Feuerwehren wie die in Eichenau, die bis Mittwoch durcharbeitete, "unschlagbar" gemacht, sagt deren Kommandant Achim Schweigstetter. Unverzichtbar sei auch die Unterstützung aus den Nachbarlandkreisen Landsberg und Starnberg gewesen, ergänzt der Olchinger Kommandant Josef Gigl.

"Wir helfen immer", sagt Gigl, obwohl die Feuerwehren eigentlich nicht dazu verpflichtet sind, Keller leerzupumpen. Und obwohl viele, auch Betroffene, meinten, Männer wie Gigl hätten jetzt 14 Tage lang nur "Feuerwehr gespielt". "Es ist unschön", berichtet der Kommandant, dass einige Olchinger nun sogar versuchten, die Feuerwehr "schlecht zu machen" und behaupten, sie habe nicht richtig reagiert. Nach 180 Einsätzen hat Gigl, wie er sagt, die Lust verloren, sich mit Kritik auseinanderzusetzen. Noch etwas ist ärgerlich: Oft wird das ausgeliehene Material nicht zurückgebracht. Es muss also eingesammelt werden.

Noch während der Einsätze kaufte die Olchinger Wehr weitere 20 Pumpen-Leihsets sowie 800 Meter Schläuche. Weil die Pumpen nie reichen, wurde auch in Eichenau nachgerüstet. Kommandant Schweigstetter verfügt jetzt über insgesamt 50 Leihpumpen. Wo durch Retentionsmaßnahmen künftig solche Überflutungen verhindert werden können, dazu äußert sich die Feuerwehr nicht. Gigl sagt, das sei Sache des Wasserwirtschaftsamts. Das ist im Landkreis aber nur für den Hochwasserschutz an der Amper zuständig. Für kleinere Gewässer wie den Starzel- oder Ascherbach sind die Kommunen verantwortlich. Vielleicht können die bereits bis Jahresende auf konkrete Vorschläge zum Hochwasserrisiko-Management zurückgreifen. Bei einem EU-Projekt werden unter anderem auch Hochwasser-Szenarien für den Starzelbach entwickelt. Aus diesem Projekt könnten weitere Baubeschränkungen folgen. Auch Anwohner des Starzelbaches könnten das Nachsehen haben. Sollte für ihre Häuser ein Hochwasserbereich festgelegt werden, könnte der Versicherungsschutz eingeschränkt werden.

© SZ vom 15.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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