Betriebsaufgabe:Bei Elektro-Schröter gehen die Lichter aus

Vor mehr als einem halben Jahrhundert hat sich Helmuth Schröter per Postkarte um die Übernahme eines alteingesessenen Brucker Geschäfts beworben. Weil er keinen Nachfolger findet, sperrt der 79-Jährige nun endgültig zu. Es ist ein Abschied mit Wehmut

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

An diesem Mittwoch wird Helmuth Schröter zusperren. Und am Donnerstag wird er nicht mehr aufsperren. Dann ist Schluss. Dass eine Ära zu Ende geht, mag pathetisch klingen. Aber es ist schon so: Einen Ersatz für das an der Hubertusstraße ansässige einstige "Fachgeschäft für Elektrobelange" zu finden, dürfte schwer werden. Letztens standen wieder ein paar Stammkunden im Laden, der eher wie eine Elektrogemischtwarenhandlung wirkt. Das Sortiment ist da nach dem Ausverkauf schon ausgedünnt. In den Regalen liegen Lampen, Kaffeefilterabdeckungen aus Kunststoff für ein Euro das Stück, elektrische Christbaumkerzen, elektrische Zahnbürsten, ein Flachbild-Geräte-Reinigungs-Set, Batterien und Glühbirnen in allen Variationen, dazwischen steht wie ein Fels in der Brandung ein Kühlschrank, von 699 auf 440 Euro reduziert. Auf dem Tresen präsentiert sich das Staubsaugersortiment eines Herstellers per Bildergalerie: 32 Fotos, vom Swing H1-Handstaubsauger bis zum Scout-RX1-Saugroboter.

Bruck: Geschäftsaufgabe Elektro Schröter

Helmuth Schröter in seinem Geschäft an der Hubertusstraße.

(Foto: Johannes Simon)

Dass der Firmenchef, der im September 80 Jahre alt wird, in Ruhestand geht, verstehen die Kunden, die diesem Geschäft oft über Jahrzehnte die Treue gehalten haben. Aber wohin sollen sie jetzt? Wo gibt es noch einen gut sortierten Elektroladen, wer repariert Küchengeräte? Wer kann das überhaupt? Und wer kommt auch mal ins Haus? Es gab Tränen. Helmuth Schröter sitzt im Büro an einem der Schreibtische und versucht die Wehmut gar nicht erst zu verbergen. Die Fragen quittiert er mit einem matten Schulterzucken.

Bruck: Geschäftsaufgabe Elektro Schröter

1988 wurde der Flachbau um eine Etage aufgestockt.

(Foto: Johannes Simon)

Durch den Laden und das geräumige, immer noch mit vielen Kabeln, Leisten, Klemmen und Installationsbedarf gefüllte Lager ist er, an der Werkstatt vorbei, in den ersten Stock heraufgestiegen. Der ist 1986 auf den damaligen Flachbau aufgesetzt worden. Sanitär-, Aufenthalts-, Ausstellungsräume - insgesamt fast tausend Quadratmeter Gewerbefläche, die überwiegend bereits ausgeräumt sind. An der Wand des Büros hängen Bilder der zweiten Heimat Lanzarote, eine Außenansicht der Firma, eine kleine, gerahmte Schwarz-Weiß-Aufnahme der drei Kinder und ganz oben der 2011 verliehene Goldene Meisterbrief als Würdigung des Engagements als Ausbilder. Mehr als hundert junge Menschen wurden hier zu Gesellen, großer Wert wurde auf Sachkunde, Freundlichkeit und Zuverlässigkeit gelegt. Es kam vor, dass erst der Vater hier lernte und später dann auch dessen Sohn. Vor Schröter liegen Zeitungsausschnitte mit Artikeln wie "Elektro-Schröter feiert 35-jähriges Jubiläum" oder "40 Jahre Elektro Schröter". Ein altes Gruppenfoto aus den Achtzigerjahren zeigt den lachenden Firmenchef in weißem Hemd und karierten Hosen, umringt von mehr als 40 Mitarbeitern - teils im Blaumann, teils im Oberhemd.

Bruck: Geschäftsaufgabe Elektro Schröter

Angefangen hat alles mit Läden an der Schöngeisinger Straße.

(Foto: Johannes Simon)

Vor 53 Jahren übernimmt der in Ostpreußen Geborene den 1908 von der Familie Hummel gegründeten Betrieb in Fürstenfeldbruck. Schröter hat sich einer spontanen Eingebung folgend auf eine winzige Zeitungsannonce hin per Postkarte beworben und prompt eine Zusage bekommen. Startkapital: Die Abfindung der Bundeswehr, 4000 Mark. "Eigentlich wollte ich mich ja nie selbständig machen", sagt er. Schließlich hat der Flugzeugtechnikmeister und Abteilungsleiter, der an Samstagen zusätzlich für die Prüfung zum Elektromeister büffelt, einen tollen Job bei der Bundeswehr in Erding und kommt herum in Europa und den USA. Mit einem Gesellen und einem Lehrling fängt es an. Der Betrieb expandiert kontinuierlich. 1974 folgt der Umzug aus den beengten Räumen an der Schöngeisinger Straße in den Neubau an der Hubertusstraße. Zwischen 1994 und 2006 sind dort 62 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt - im Verkauf, in der Werkstatt, im Kundendienst, im Büro. Schröter rüstet Physikräume von Schulen aus, arbeitet an Blockheizkraftwerken in Unterhaching mit, kümmerte sich um die Beleuchtung des Brucker Christkindlmarkts. Er verkauft aber auch Glühbirnen sowie Schalter und Haushaltsgeräte im Laden. Und er repariert, von der Waschmaschine bis zur Kaffeemaschine. Dass sich heute viele Reparaturen wirtschaftlich nicht mehr lohnen und viele Hersteller nach einigen Jahren gar keine Ersatzteile mehr liefern, bedauert er sehr. Die "Wegwerfgesellschaft" sieht er kritisch. "Mein Prinzip war immer: Erst überprüfen, dann reparieren." Bei den Schröters zu Hause steht eine Waschmaschine, die 20 Jahre auf dem Buckel hat - "und die läuft noch sehr gut". Einmal kommt ein Arzt mit einem Mikroskop von 1929. Schröter kann es reparieren. Aus dem gleichen Jahr stammt ein alter Plattenspieler, den er letztens beim Entrümpeln im Keller der Firma wiederentdeckt. In einer ruhigen Stunde will er den zum Laufen bringen und die 50 Schellackplatten anhören.

Wäre Schröter noch 20 Jahre jünger, müsste er nicht seine schwer erkrankte Frau Christiane pflegen - er würde einfach weitermachen. Denn der Beruf war für ihn erfüllend. Und dass bei 70-Stunden-Wochen nicht viel Zeit blieb für Fußballspielen oder Tanzen, sei's drum. Der Sohn, der selbst ein ähnliches Unternehmen in Bruck führt, wollte sich nicht auch noch diesen Betrieb aufbürden. Und die bundesweite Suche nach einem Nachfolger blieb ergebnislos. Ein paar Bewerber gab es schon, die aber konnten es sich letztlich finanziell nicht leisten. Deshalb hat er die Immobilie verkauft. Vor zehn Jahren schon hatte Helmuth Schröter die Entscheidung getroffen, sich vor dem 80. Geburtstag zurückzuziehen. Und doch: "Es schmerzt schon sehr." Die letzten sechs Mitarbeiter sind schon gegangen, drei stehen kurz vor der Rente, die anderen haben schnell wieder eine Arbeit gefunden. An der Kasse steht am Dienstag noch eine Verkäuferin, eine frühere Schröter-Auszubildende. Der Chef wird künftig mit seiner Frau zwischen einer kleinen Wohnung in Bruck und dem selbst gebauten Bungalow auf Lanzarote pendeln. Er hofft, die Restbestände noch irgendwie verkaufen zu können. Die Mitarbeiter und die Stammkunden werden ihm fehlen. Ein letztes Mal wird an diesem Mittwochabend die Glocke erklingen, mit der Eintretende begrüßt wurden. Um 18 Uhr wird Helmuth Schröter dann zusperren. Bei der Bundeswehr würde man wohl sagen: Zapfenstreich.

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