Benefizspiel:Selfie mit Sascha

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In Fürstenfeldbruck zeigen die Münchner Löwen beim 3:0 über Ingolstadt überraschend guten Fußball. 1100 Zuschauer wollen das sehen und dabei ihren Idolen nahe kommen

Von Heike A. Batzer

Nein, Celine, das sind nicht die Bayern", belehrt die Frau ihre kleine Tochter, als Fußballer in roten Trikots aufs Feld laufen, um sich aufzuwärmen. "Die sind aus Ingolstadt." Und an diesem Abend nach Fürstenfeldbruck gekommen, um sich dort mit den Fußballern des TSV 1860 München - in klassischem Weiß-Blau - zu messen. Beide Vereine sind bekanntlich in Gefahr, ihre Spielklassenzugehörigkeit zu verlieren, die einen in der ersten, die anderen in der zweiten Bundesliga. Für die Fans bleiben sie dennoch von Interesse, nach offiziellen Angaben wollten 1100 Zuschauer sie an diesem kühlen Novemberabend sehen, 200 davon hatten Freikarten erhalten. Das ist ein mittelmäßiger Andrang, die Partie freilich begann bereits um halb sechs - zu einer Zeit, zu der mancher Arbeitstag noch nicht beendet war. Und so füllte sich das Stadion an der Klosterstraße am Donnerstag auch erst kurz vor dem Anpfiff.

"Wir sind schon ein Stück weit stolz, dass bei so einem Wetter und um diese Uhrzeit so viele Leute gekommen sind", sagt indes Andreas Görlitz, der 34 Jahre alte ehemalige Fußballprofi, der den Event zusammen mit Eckart Lutzeier, 53, dem ehemaligen Präsidenten des Sportclubs Fürstenfeldbruck, aufgezogen hat. In der Halbzeitpause hat sich Görlitz dem Publikum gezeigt, ist aufs Spielfeld gegangen, hat sich über den Stadionlautsprecher bei diesen und jenen bedankt und noch einen Scheck über tausend Euro entgegengenommen, den ein Spender, der nicht genannt werden wollte, tags zuvor in der Geschäftsstelle des TSV 1860 abgegeben hatte. Beide Teams traten für den guten Zweck an, auch die Schiedsrichter verzichteten auf ihr Salär. Der noch zu errechnende Erlös der Partie soll zu gleichen Teilen an die Brucker Stiftung "Bürger in Not", an die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in Fürstenfeldbruck und an das Ingolstädter Sozialprojekt "Schanzengeber" gehen. Fürstenfeldbrucks amtierender Bürgermeister Erich Raff lobte öffentlich zurück: Das Angebot, die beiden Profiteams nach Fürstenfeldbruck zu holen, sei für die Stadt "Ehre und Verpflichtung" gewesen.

Dass die Partie dann so gar nichts von einem manchmal müden Benefizkick hatte, lag daran, dass beide Teams die Länderspielpause für einen echten Test nutzen wollten. Zuvorderst Bundesligist FC Ingolstadt, der mit dem erst zwei Tage zuvor eingesetzten Interimscoach Michael Henke gekommen war. Dass sich der ehemalige Assistenztrainer von Ottmar Hitzfeld dabei gleich eine 0:3-Klatsche einfing, wollte er nicht damit begründen, dass ihm seine sechs internationalen Nationalspieler sowie Kapitän Marvin Matip und der beste Torschütze, Dario Lezcano, fehlten: "Das wäre zu billig als Ausrede. Es waren Leute auf dem Platz, die letztes Jahr auch schon Bundesliga gespielt haben", sagte Henke nach der Niederlage. Nach der Pause sah er sein Team "auf Augenhöhe", die Leistung zuvor nannte er "indiskutabel".

Denn auch bei den Löwen fehlten vier Nationalspieler sowie der zuletzt verletzte Kapitän Stefan Aigner. Ivica Olic und Sebastian Boenisch wurden geschont. Am Ende stand dennoch ein verdienter 3:0-Erfolg für die Löwen. Sie waren eindeutig die bessere Mannschaft. Auch ihr wegen eines mäßigen 14. Tabellenplatzes umstrittener Trainer Kosta Runjaic war zufrieden: "Auch wenn es nur ein Testspiel war, die Jungs haben eine gute Leistung gezeigt und sich für ihren Aufwand belohnt." Die Löwen waren mit großem Aufgebot gekommen, bis zur 60. Minute hatte Runjaic bis auf Torhüter Stefan Ortega sein komplettes Team ausgetauscht. Im Spiel waren unter anderem Relegationsheld Kai Bülow, Mittelstürmer Sascha Mölders sowie der Portugiese Paulo Regula, den die Löwen als möglichen Neuzugang testen. Zwei Tore zum 3:0-Sieg erzielte Nico Karger vor der Pause, eines Karim Matmour nach dem Seitenwechsel.

Das Veranstalter-Duo freute sich und kündigte gleich eine Wiederholung an. "Wir haben schon beschlossen, dass wir das nächstes Jahr wieder machen", war sich Eckart Lutzeier schon kurz nach Spielschluss sicher. Andreas Görlitz dachte dabei auch über den Fußball hinaus: Er könne sich auch ein Musikfestival vorstellen. Kein Wunder, der Mann gibt jetzt, wo er seine Fußballkarriere beendet hat, als Berufsbezeichnung Musiker an. Er spielt bei der Band Room 77.

Die Zuschauer applaudierten jedenfalls heftig, als der Schlusspfiff ertönte. Es waren ja vor allem Löwen-Fans nach Fürstenfeldbruck gekommen. Solche wie Dietmar König. Der outete seine Leidenschaft mit einem 1860-Schal und war quasi in zweifacher Funktion vor Ort: als Löwen-Anhänger, aber auch als Leiter des Kreisjugendamtes, das die vom Benefizspiel profitierenden minderjährigen Flüchtlinge betreut. Oder Jimmy Hartwig. Der 62 Jahre alte ehemalige Bundesligaprofi kommentierte das Spiel zusammen mit dem Maisacher Bräustüberl-Wirt Harry Faul als Stadionsprecher, bemühte sich aber erst gar nicht, seine Sympathien zu verbergen und Neutralität vorzutäuschen. "Als ehemaliger Sechziger möchte ich euch in der Bundesliga sehen", rief er ins Mikrofon. Und: "Warum spielt ihr nicht jeden Samstag so?" Vor allem aber waren Löwen-Fans gekommen, die ihren Idolen einmal näher sein wollten, als dies in Bundesligastadien möglich ist. Sascha Mölders erwies sich dabei als besonders zuschauernah. Während es fast alle seine Kollegen eilig hatten auf dem Weg in die Kabine und die Fans, die an der Absperrung warteten, nur abklatschten, stand der 31-jährige Löwen-Stürmer noch im verschwitzten Trikot in der kalten Novembernacht bereit für Autogrammwünsche und Selfies mit den Fans. "Sehr sympathisch", raunte ein älterer Herr: "Die anderen sind ja alle schon weg."

© SZ vom 12.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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