Bau:Streit um wertvollen Acker

Fürstenfeldbruck plant auf einer der letzten großen innerstädtischen Freiflächen ein Wohnquartier für mehr als 300 Menschen. Den Nachbarn ist die Bebauung viel zu massiv. Zudem warnen sie vor Staus ohne Ende

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Klar ist, dass aus dem vier Hektar großen Feld Zug um Zug eine Wohnsiedlung werden soll. Klar ist aber auch, dass sich eine Bürgerinitiative (BI) gegen eine aus ihrer Sicht zu dichte Bebauung wehrt: So recht kommt die Stadt mit den Planungen für das Areal zwischen der Münchner Straße und Emmeringer Gemeindegebiet, das im Süden von der Straße Zum Krebsenbach gesäumt wird, nicht voran. Im Bauausschuss hatte Stadtbaurat Martin Kornacher jüngst auf Nachfrage Alexa Zierls (Die Partei und Frei) eingeräumt, hier handle es sich - wohl auch wegen des intensiven Werbens um die Gunst der Nachbarn - um "einen Sonderfall". Seiner Einschätzung zufolge ist es OB Erich Raff (CSU) und Dritter Bürgermeisterin Karin Geißler (Grüne) weitgehend gelungen, die Bedenken der meisten Anlieger zu zerstreuen. Vertreter der BI widersprechen nun freilich vehement.

Die BI verfolgt die Entwicklung mit Argusaugen. Dass auf dem von Einfamilienhäusern umrahmten Feld auch mehrgeschossige Wohnblöcke entstehen sollen, geht vielen gegen den Strich. Nicht nur deshalb, weil sie naturgemäß lieber über ein freies Feld blickt als auf eine Hauswand, sondern auch wegen des befürchteten Verkehrsaufkommens, fehlender Zufahrtsstraßen sowie des Grundwasserschutzes. Hinter vorgehaltener Hand wird gemunkelt, das ganze Projekt sei "ein uralter Deal" des früheren Oberbürgermeisters Sepp Kellerer (CSU) mit der Eigentümerfamilie Weiß - und dass Ludwig Weiß nur mit den Augen rolle, wenn man ihn auf die aktuellen Pläne seines Sohnes anspreche, den Acker effizient zu "vergolden".

Bau: Eine Computersimulation zeigt, wie das „Höfe“-Konzept aussehen soll.

Eine Computersimulation zeigt, wie das „Höfe“-Konzept aussehen soll.

(Foto: Stadt FFB)

Weiß widerspricht diesen Gerüchten nachdrücklich. Mit Kellerer habe das gar nichts zu tun, und er liege bei den Planungen auch sehr wohl auf einer Linie mit seinem Sohn, der das Projekt mittlerweile in die Hände genommen hat. Der Beauftragte Rechtsanwalt sei auch im Gespräch mit der BI, sagt Weiß senior, der ebenso wie Stadtplaner Kornacher die Auffassung vertritt, man liege mittlerweile "gar nicht mehr so weit auseinander".

Vor drei Jahren ist die Planung ins Stocken gekommen, auch Ludwig Weiß ist darüber wenig begeistert. Um zu verhindern, dass in einigen Randbereichen des Areals, für die Baurecht offenbar kaum verweigert werden könnte, vollendete Tatsachen geschaffen werden, hat die Stadt bereits 2014 eine auf zwei Jahre befristete Veränderungssperre verhängt und diese 2016 verlängert. Weil der Bauherr nur mit stichhaltiger Begründung ("wenn besondere Umstände es erfordern") maximal ein weiteres Jahr hingehalten werden könnte, steht die Stadt unter großem Zeitdruck. Im Frühjahr soll das Projekt deshalb in den Fachausschuss, vier Wochen später in den Stadtrat - die öffentliche Auslegung zwischen den beiden Terminen dürfte nicht ohne Einsprüche über die Bühne gehen. Die BI spricht von "Wirklichkeitsverzerrung" und will mit einer Informationsoffensive eine deutliche Reduzierung des Projekts erzwingen.

Gut 200 neue Wohnungen für mehr als 300 Bewohner sollen auf dem Feld entstehen - aufgeteilt auf mehrere Bauabschnitte. Die Stadträte hatten sich nach Vorlage verschiedener Konzepte mit großer Mehrheit für die Variante "Höfe" entschieden, bei der sich Einzelgebäude um mehrere kleinere Freiflächen gruppieren - für manchen Anwohner sind das eher "Kasernenblocks". Die Stadt würde gerne an einer in Richtung Grundstückszentrum hin ansteigenden Bebauung festhalten. Neben Einfamilien- oder Reihenhäusern sind also auch dreigeschossige Gebäude mit zurückversetzter Dachterrasse denkbar, so wie diese mittlerweile in vielen Brucker Neubaugebieten Standard sind. Die Stadt knüpft an das Projekt die Hoffnung, dass jede vierte Einheit als Sozialwohnung im geförderten Wohnungsbau errichtet wird und damit auch für Menschen mit mittlerem Einkommen wie Polizisten oder Pflegepersonal erschwinglich wären. Für größere Neubauprojekte ist zwar bereits im Oktober 2016 ein Anteil von 40 Prozent Sozialwohnungen festgelegt worden, dieser gilt aber lediglich für Bereiche, in denen zuvor noch kein gültiges Baurecht bestand. Damit scheiden Grundstücke im Randbereich des Feldes aus, dürfen diese doch bereits bebaut werden (Paragraf 34 des Baugesetzbuches), sofern sie innerorts liegen und sich nicht stark von der Umgebungsbebauung abheben.

Martin Urban, Sprecher der knapp 20 Mitglieder zählenden BI, der weitere "etwa 300 Unterstützer" aus dem ganzen Viertel hinter sich weiß, beteuert, man wolle mitnichten nur ein Projekt verhindern. Aber im von Einfamilienhäusern geprägten und bereits durch das benachbarte Schulzentrum Tulpenfeld arg belasteten Umfeld fehle es hinten und vorne an der Erschließung und an Parkplätzen.

Mit einer Ampel an der Einmündung von Zum Krebsenbach in die Bundesstraße 2 und dem Ausbau der Kreuzung B2/Oskar-von-Miller-Straße/Tulpenstraße sowie den von der Stadt in Aussicht gestellten Maßnahmen zur Vermeidung von Schleich-und Abkürzungsverkehr werde es kaum getan sein, glaubt Urban. Eine Verkehrszählung sei in den Sommerferien durchgeführt worden - und habe auf der Straße Zum Krebsenbach dennoch problematische Werte ergeben. Wegen der fehlenden Verkehrsanbindung und der kaum vorhandenen Parkplätze steht für ihn fest, "dass eigentlich dort gar nicht gebaut werden sollte". Wenn es denn sein muss, dann will die BI jedenfalls nur eine Bebauung wie im Umfeld akzeptieren - Einfamilienhäuser, Doppelhäuser, Reihenhäuser. "Aber da dürfen keine vierstöckigen Riegel reingepflanzt werden." Darüber herrschte auf dem jüngsten Treff der BI weitgehend Konsens. Der besteht offenbar auch weitgehend darüber, wie das Gespräch, zu dem vor gut zwei Wochen Oberbürgermeister Erich Raff (CSU) sowie Vertreter des Bauamts eingeladen hatten, zu bewerten ist: Es bleibt bei der Ablehnung der mittlerweile leicht überarbeiteten Pläne. Als Grund wird unter anderem das von der Stadt in Auftrag gegebene Gutachten zum Grundwasserschutz genannt - die BI leitet daraus die Erkenntnis ab, dass die Tiefgarage nicht sehr tief in den Boden abgesenkt werden könnte und die Oberkante deshalb "mindestens einen Meter über das Geländeniveau herausragen" würde.

Umstritten ist auch noch, ob der Acker dem Innen- oder Außenbereich zuzuschlagen ist. Gälte der Außenbereich, dann könnte dem Grundstückseigentümer Ausgleichszahlungen nach der Sozialgerechten Bodennutzung abverlangt werden - die BI beziffert diese auf etwa 25 Millionen Euro. Die Stadt vertritt mit Blick auf einschlägige Gerichtsurteile die Auffassung, dass es sich um Innenbereich handelt.

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