Ausstellung:München in Trümmern

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Frauenkirche in Sepia: Tuschezeichnungen von Benedikt Gruber. (Foto: Reger)

Tuschezeichnungen an der VHS Puchheim

Von Peter Bierl, Puchheim

Erinnern und nicht vergessen, lautet das Motto einer Veranstaltungsreihe der Volkshochschule Puchheim (VHS). Zum Auftakt wurde am Donnerstag eine Ausstellung mit Zeichnungen eröffnet, die München in Trümmern zeigen. Die insgesamt 17 Bilder von Benedikt Gruber entstanden zwischen 1947 und 1949 und zeigen prominente Plätze in der Altstadt. Erich Hage, der VHS-Vorsitzende, erinnerte bei der Vernissage an die Debatte in den Nachkriegsjahren darüber, ob man zerstörte Gebäude wiederaufbauen oder komplett neu aufbauen soll.

Benedikt Gruber wurde 1897 in München geboren, war Elektroingenieur und bei den Stadtwerken beschäftigt. Zeit seines Lebens habe er gemalt und gezeichnet, berichtete seine Tochter Thilde Gruber, die sehr stolz darauf ist, dass sämtliche Zeichnungen erstmals öffentlich gezeigt werden. Ihr Mann Carlo Melchers hat dazu im Sommer Fotos gemacht, in etwa von den Standorten, an denen ihr Vater seinerzeit mit einem dreibeinigen Klapphocker saß und seine Skizzen anfertigte. Diese Fotos hängen direkt neben den Zeichnungen, so dass der Betrachter sehen kann, wie sich die Stadt seitdem verändert hat, insbesondere auch wie die von Hage erwähnte Debatte zwischen Wiederaufbau und Modernisierung im Einzelfall ausging.

Die Grundlinie ist, dass Kirchen und Stadttore restauriert wurden, ebenso Gebäude wie das Preysing-Palais in der Residenzstraße. Die Maxburg hingegen musste weichen, nur der Turm blieb. Die Reste der Fassaden, die auf Grubers Zeichnungen noch zu sehen sind, wurden abgerissen. Am Oberanger stand nichts mehr, heute findet sich dort ein grauer Betonklotz. Auf der rechten Seite des Bildes hatte Gruber die Reste des Loderbräu gezeichnet.

Die meisten Werke malte er mit brauner Sepiatusche, sehr fein und detailliert, mit aufgerissenen Häusern, die wie Puppenstuben wirken, halbeingestürzten Fassaden, aber auch den Hinweisen auf den Wiederaufbau. Zu sehen sind die Gleise der Bockerlbahn, auf deren Loren der Schutt zum Obersendlinger Berg und zum Oberwiesenfeld transportiert wurden, wo der Olympiaberg entstand, oder hölzerne Gerüste, die man damals noch für Neubauten anstelle von Stahlkonstruktionen verwendete.

Irgendwann ging Gruber die Sepiatusche aus und er musste mit blauer Tusche weiter arbeiten. Woher er in diesen Jahren des Mangels und der Rationierung überhaupt die weißen Papierbogen für die Zeichnungen nahm, ist seiner Tochter schleierhaft. Dazu fertigte Gruber eine Skizze an, auf der er seine Standorte und Blickwinkel eintrug, so dass Thilde Gruber und Carlo Melchers fast 70 Jahre später rekonstruieren konnten, wo genau die Zeichnungen entstanden. Die Familie Gruber lebte damals in der Beethovenstraße. Thilde Gruber wurde als Zwölfjährige im Herbst 1943 im Rahmen der Kinderlandverschickung mit ihrer Schule, dem Luisengymnasium, nach Bad Tölz evakuiert, wo sie bis Kriegsende blieb. Die Mutter kam nach Lenggries. Der Vater blieb in der Stadt. Nach Luftangriffen auf die Landeshauptstadt musste er dafür sorgen, dass die Stromversorgung wiederhergestellt wurde. Das ersparte ihm den Fronteinsatz. Allerdings wurde Gruber selbst Ende 1944 im Bunker verschüttet, als das Rückgebäude ihres Wohnhauses einstürzte. Er konnte sich selber wieder ans Tageslicht graben.

Die Ruinenlandschaft verschwand erst nach Jahren. Thilde Gruber absolvierte ihren Unterricht in fensterlosen Gebäuden an der Hackerbrücke. Erich Hage, der vom Niederrhein stammt und in München aufwuchs, verwies darauf, dass zerbombte Häuser noch in den frühen Sechzigerjahren zu finden waren. An die Maxburgruine und den Neubau dort kann Hage sich noch gut erinnern.

Die Ausstellung "Gezeichnete Erinnerungen" ist montags bis freitags im Bürgertreff, Am Grünen Markt 7, in Puchheim, zu sehen - bis 17. November.

© SZ vom 10.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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