Ausstellung in Fürstenfeldbruck:Kakao für den Adel, Bier fürs Volk

Das Stadtmuseum erinnert mit der Ausstellung "Ganz schön süß!" an das legendäre Café Brameshuber.

Peter Bierl

Das Café Brameshuber war einst das Zentrum von Fürstenfeldbruck. Jung und Alt trafen sich dort am Stammtisch, zu Klatsch und Tratsch, zum Politisieren, zur Geburtstagsfeier und zum Kinderfasching. Seitdem ist das Gebäude an der Hauptstraße zum Spekulationsobjekt geworden. Hinter dem Haus soll ein wuchtiger Gebäudekomplex gebaut werden, weil eine Mehrheit von Verantwortlichen im Rathaus unter Stadtplanung in erster Linie Geldverdienen versteht, statt erhaltenswerte Plätze und Gebäude zu schützen und mit ansprechender moderner Architektur zu kombinieren.

"Alle haben den Verlust dieses urbanen Ortes beklagt", erzählen die beiden Leiterinnen des Stadtmuseums. Eva von Seckendorff und Angelika Mundorff haben in den vergangenen Wochen und Monaten Zeitzeugen befragt und Objekte zusammengetragen, die in der neuen Sonderausstellung über die Konditorenkunst von Brameshuber zu sehen sind.

Im Erdgeschoss des Museums sind Erinnerungen alter Fürstenfeldbrucker dokumentiert, vom früheren Stadtrat Adi Wirth oder Jens Streifeneder, der die Kinderfaschingspartys gehasst hat, wegen der Maskerade, die ihm aufgezwungen wurde, und von Viktoria Stegmeir, Jahrgang 1919, der letzten überlebenden Bedienung des Cafés. Dazu hat Heinz Prötzl festgehalten, wie es jetzt im Bramerl und im Garten dahinter ausschaut: Es sind traurige Bilder des Verfalls.

Mundorff und Seckendorff durften aus dem Haus, das jetzt dem Wiesnwirt Sepp Krätz gehört, Reste des Inventars bergen, vor allem Gussformen aus Holz- und Metall, mit denen die Konditoren und Wachszieher jene filigranen Kunstwerke aus Marzipan, Zucker, Eis und Wachs anfertigten, die bis in die USA exportiert wurden. Georg Brameshuber senior, der 1888 aus Salzburg nach Bruck kam, hatte den richtigen Riecher. Er war Lebzelter und Wachszieher, die Herstellung von Votivkerzen und Honigkuchen gehörte einst zusammen, weil sämtliche Erzeugnisse der Biene verarbeitet sein wollten.

Die englische Blockade des Napoleonischen Europa sorgte jedoch dafür, dass die Zuckerrübe die Importe tropischen Zuckerrohrs ersetzen musste. Der billigere heimische Zucker ermöglichte die Massenproduktion von Schokolade, Pralinen, Torten, Eis und Marzipan. Brameshuber hatte das Konditorenhandwerk dazu gelernt, um den Trend mitzumachen. Seine Söhne setzten den Betrieb fort. Georg junior und Josef übernahmen das väterliche Unternehmen 1921, Hans zog 1912 in die Welt hinaus, er arbeitete in Hotels in Meran und Hamburg sowie auf Ozeandampfern, bevor er sich 1941 in München niederließ und dort sein Café Brameshuber am Residenzplatz eröffnete. Seine Urenkelin betreibt heute noch ein Café in München, erzählt von Seckendorff. Sie sei die einzige Nachfahrin, die der Branche treu geblieben ist.

Der Senior führte eine weitere Neuerung ein, die dem Familienunternehmen zugute kam. Jahrhundertelang hatte man in fein gearbeiteten Holzformen Gebäck hergestellt. Lebzelter wird im Unterschied zu Lebkuchen ohne Triebmittel hergestellt, zeigt darum Motive in scharfen Konturen, ist aber nahezu ungenießbar weil steinhart. In einer Vitrine sind etliche Holz-Formen zu sehen, eine zeigt das ABC: Das Gebäck wurde Kindern im 18. Jahrhundert zum Schulanfang geschenkt, erzählt Mundorff.

Weil Wachs sich aber nur schwer aus den Holzformen lösen ließ, wechselte Georg Brameshuber zu Metall. Daraus entwickelte sich in den 1930er Jahren ein Manufakturbetrieb mit bis zu 25 Mitarbeitern, die gleiche Anzahl von Menschen arbeitete in der Konditorei und im Café. Gezeigt werden Weihnachtskerzen mit eingebauter Spieluhr, Madonnenfiguren und andere religiöse Darstellungen, Wappen und einige wenige erotische Motive. Was wir heute als Kitsch ansehen würden, war hochprofessionelle Handarbeit. Brameshuber beschäftigte extra einen Porzellanmaler für die Verzierungen.

Mundorff erzählt, dass die Gewinnspanne angesichts des Aufwandes gering war, trotz großer, auch internationaler Nachfrage. Sehr beeindruckend sind die Eisformen, mit denen zu einer Zeit, als es noch keinen Kühlschrank gab, extravagante Werke gefertigt wurden. Mundorff schließt daraus, dass es in Bruck ein zahlungskräftiges bürgerliches Publikum gegeben haben muss.

Dass der Konsum von Kakao, Kaffee oder Bier nicht bloß eine Frage des individuellen Geschmacks und Mode, sondern ein soziales Phänomen ist, zeigt der Teil der Ausstellung, in der die Geschichte von Torten, Schokolade und Cafés behandelt wird. Der Adel schlürfte süßen Kakao, die einfachen Leute gingen in die Bierschänke, der betriebsame Bürger im 19. Jahrhundert ins Kaffeehaus, um sich von Getränk und Publikum anregen zu lassen. Die Damen mussten anfangs mit dem Kaffeeklatsch zu Hause vorlieb nehmen.

Das Konditorei-Café im Stil der Familie Brameshuber hob solche Standes- und Geschlechtergrenzen auf. Kaffeetrinken brachte keinen Distinktionsgewinn mehr, würden Soziologen sagen, zumindest bis zum Auftreten von Toskana-Fraktion und Latte Macchiato im späten 20. Jahrhundert.

Auch die Familie Brameshuber ging mit der Zeit. Das schöne Jugendstil-Interieur wurde beim großen Umbau 1937 entfernt, das benachbarte Geburtshaus Ferdinand von Millers abgerissen. Unter der Regie des Architekten Adolf Voll entstand eine "Tiroler Weinstube" mit Lärchen- und Zirbelholz und im Obergeschoss ein Café mit Nussbaum- und Polstermöbeln. Tempus fugit.

Die Ausstellung "Ganz schön süß! Konditorenkunst von Brameshuber & Co." im Brucker Stadtmuseum ist dienstags bis samstags von 13 bis 17 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen von 11 bis 17 Uhr geöffnet; bis 16. Oktober.

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