Ausbildung:Handwerk wirbt um Flüchtlinge

Neuer Kreishandwerksmeister Harald Volkwein will Jugendliche mit Migrationshintergrund stärker fördern, sie ausbilden und in den Beruf bringen. Damit möchten die Betriebe dem eklatanten Nachwuchsmangel begegnen

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Die Handwerker im Landkreis wollen sich stärker um die Förderung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund und die Integration junger Flüchtlinge kümmern. Das hat der neu gewählte Kreishandwerksmeister Harald Volkwein am Mittwoch vor Obermeistern in Fürstenfeldbruck angekündigt. Das Handwerk leide unter Nachwuchsmangel, der seine Ursachen in schwächeren Geburtenjahrgängen, einer zunehmenden Zahl von Abiturienten und einer Vielzahl junger Leute habe, die entweder nicht ausbildungsfähig oder nicht ausbildungswillig seien. Jungen Migranten sollten deshalb Chancen einer handwerklichen Ausbildung eröffnet werden. Das ist auch die Meinung des bayerischen Handwerks, das sich um die Schul- und Ausbildungssituation von Asylbewerbern und unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sorge, wie Hauptgeschäftsführer Lothar Semper betonte.

Bereits in den Neunzigerjahren hatten Handwerksbetriebe Erfahrungen mit jungen Flüchtlingen gemacht, die während des Balkankriegs nach Deutschland gekommen waren. Anders als damals gibt es nun eine Vielzahl an Förderangeboten für die Flüchtlinge, die aus den Kriegsgebieten Afghanistan, Syrien oder Eritrea in den Landkreis gekommen sind. So gibt es seit Beginn des neuen Ausbildungsjahres an der Berufsschule in Fürstenfeldbruck eine eigene Flüchtlingsklasse, die von 16 Jugendlichen besucht wird. Sobald Kinder und Jugendliche als Asylsuchende nach Deutschland kommen, unterliegen sie der Schulpflicht. Dass die Flüchtlinge dies nicht als Schikane sehen, zeigte sich im Sommer, als sich 66 junge Flüchtlinge für die neue Klasse anmeldeten, 50 von ihnen aber nicht genommen werden konnten. Die Berufsschüler lernen im ersten Jahr zunächst nur Deutsch, ehe sie im zweiten Schuljahr den allgemeinen Unterricht haben. Demnächst, berichtete Berufsschuldirektorin Andrea Reuß, würden in Fürstenfeldbruck unbegleitete minderjährige Flüchtlinge erwartet, von denen 29 berufsschulpflichtig seien. Noch fehlten entsprechende Räume, um sie unterzubringen, viel wichtiger aber sei, dass es momentan auch keine Lehrer für Deutsch als Zweitsprache gebe, geschweige denn Sozialpädagogen, die sich um die Schüler kümmern könnten. Dieses Fachpersonal sei wegen der angespannten Flüchtlingslage sehr gesucht und entsprechend schwer zu bekommen.

Harald Volkwein

Der Gröbenzeller Schreinermeister Harald Volkwein ist zum neuen Kreishandwerksmeister gewählt worden.

(Foto: Reger)

Neben den besonders geförderten Flüchtlingen gibt es in der Berufsschule aber auch Jugendliche mit Migrationshintergrund, die in Deutschland geboren wurden oder schon länger hier leben, denen aber wichtige Deutschkenntnisse fehlen. Andrea Reuß erklärte den Handwerkern die Extraschulungen, die der neue Förderverein begleite und die dazu führen sollen, dass die Berufsschüler dem Fachunterricht folgen können.

Schon gibt es erste Konzepte, wie das Handwerk junge Flüchtlinge an sich binden möchte. Handwerksbetriebe konkurrieren dabei mit Unternehmen aus dem Bereich von Industrie, Handel und Gewerbe, die ebenfalls einen Nachwuchsmangel beklagen. Diesen Eindruck vermittelte der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für München und Oberbayern, Lothar Semper, der versammelten Kreishandwerkerschaft. So wurde im Sommer ein eigener Mitarbeiter eingestellt, der sich nur um Flüchtlingsklassen an Berufsschulen kümmern soll. Zum Vorbild hat sich die Kammer dabei jenen Mitarbeiter genommen, der einen türkischen Familienhintergrund hat und der den Zugang zu jugendlichen mit Migrationshintergrund schaffen soll. Es gehe da auch um junge Türken, deren Eltern keinen großen Wert auf eine duale Ausbildung legten. Da genüge es, wenn der Jugendliche im Geschäft eines Verwandten mitarbeite und den Beruf so lerne. Diese Auffassung entspringe einer Tradition, so Semper, die die Familien mit nach Deutschland gebracht hätten, die aber statt auf Ausbildung auf Ausbeutung beruhe. Der Mitarbeiter versuche, in Schulen, Moscheen und Vereinen mit den Jugendlichen in Kontakt zu kommen und sie von einer Ausbildung im Handwerk zu überzeugen.

Semper machte den Handwerkern Hoffnung, dass die junge Flüchtlinge, die von ihnen ausgebildet würden, auch bei ihnen im Betrieb bleiben könnten. "Es gibt sehr vielversprechende Signale des bayerischen Ministerpräsidenten zum Aufenthaltsrecht", sagte der Chef der Kammer.

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