Aus für Brucker Fliegerhorst:Fürsty in Schockstarre

Das Aus für den Fliegerhorst Fürstenfeldbruck ist besiegelt und die Beschäftigten am Standort sind verunsichert: Viele von ihnen müssen sich umorientieren - und so mancher wird zum Wochenend-Heimfahrer.

Stefan Salger und Gerhard Eisenkolb

Es ist ein trüber Herbsttag, über den auch das rote und gelbe Laub der Bäume nicht hinwegtäuschen kann. Ein Tag, an dem im negativen Sinn Geschichte geschrieben wird: Der Fliegerhorst wird geschlossen, Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière hat das am Mittwochvormittag in Berlin unmissverständlich klar gemacht.

Bundeswehr

Bis die Brucker Soldaten den Befehl zum Abmarsch erhalten, müssen noch viele Fragen geklärt und logistische Probleme gelöst werden. Es kann also noch längere Zeit dauern, bis Uniformträger in Fürstenfeldbruck ganz der Vergangenheit angehören.

(Foto: Günther Reger)

Trostlos wirkt der Haupteingang des Fliegerhorstes in Fürstenfeldbruck. Dicke Wolken ballen sich über dem riesigen Gelände, alles grau in grau. Die Straßen sind nass, die Menschen scheinen sich verkrochen zu haben. Auch das Kommando ist auf Tauchstation gegangen, nicht zu sprechen. Die Schranken neben dem Mahnmal, das an die Opfer des Olympiaattentats von 1972 erinnert, sind unten.

Ein Standort steht unter Schock. Im Radio hat ein Offizier die Kunde vernommen, dass der Fliegerhorst komplett aufgegeben wird. Dass es gar so schlimm kommt, hatte er nicht erwartet. Aber nach all den Berichten der vergangenen Tage habe man wohl auch damit rechnen müssen. Doch nun haben sich die Sorgen als begründet erwiesen. "Eine Menge menschlicher Schicksale steht hinter dieser Entscheidung", sagt er mit leiser Stimme am Telefon. Er selbst hat Familie im Landkreis. Nun muss er umziehen, zumindest das ist klar.

Es bedeutet Trennung, vielleicht ein Familienleben auf Zeit. Die Zukunft ist plötzlich aus den Fugen geraten. Als ob die Herausforderungen der vergangenen Jahre, die Zunahme der Auslandseinsätze wie jenem in Afghanistan, nicht reichen würden. Die wenigsten Soldaten oder Bediensteten werden in den Ruhestand gehen können. Sicherlich: In der freien Wirtschaft haben die Menschen auch leiden müssen in Zeiten der Wirtschaftskrise.

Eine Entlassung müssen die Soldaten nicht fürchten. Aber es ist ja nicht nur der Beruf: Viele der Soldatinnen und Soldaten, aber eben auch zivilen Angestellten werden herausgerissen aus ihrem sozialen Umfeld. Es werde wohl eine Menge Arbeit für die Truppenpsychologen geben, sagt ein Soldat.

Vor allem die Ungewissheit macht den Menschen zu schaffen. "Wie es weitergeht, wissen wir nicht", räumt ein Mitarbeiter der Fliegerhorst-Feuerwehr mit ihren 17 Dienstposten nüchtern ein. Er hat offenbar resigniert: "Wir hängen in der Luft. Und wie es weitergeht, das erfahren wir wahrscheinlich am ehesten aus der Zeitung."

Viele werden zu Wochenend-Heimfahrern

Viele seiner Kollegen wohnen im Landkreis und müssen abwarten, was ihnen "angeboten" wird. Wo das sein könnte? "Keine Ahnung", sagt der Feuerwehrmann. Alle seien sehr niedergeschlagen. Immerhin habe es keine Kurzschlussreaktionen gegeben.

Sportlehrer Arndt Winderl weiß zumindest schon, wohin die Reise gehen soll: Die Offizierschule soll ja nach Roth verlegt werden. Das sind 150 Kilometer. Und das heißt, dass aus dem 42-Jährigen ein Wochenend-Heimfahrer werden wird. Denn komplett umziehen kann er nicht - seine Frau hat eine Firma in München gegründet, für den neun Jahre alten Sohn fanden beide nach langer Suche endlich einen Platz in einer Kindertagesstätte.

Und nun? Dass am Standort Fürstenfeldbruck "komplett auf Null zurückgefahren" werde, damit habe doch niemand gerechnet. Sicher, eine Reduzierung, das war klar. Aber die Schließung? Wann der Umzug nach Roth ansteht, ist noch offen.

Ein anderer Zivilbeschäftigter der Offizierschule hat gehört, dass dies in einem bis fünf Jahren der Fall sein könnte. Während die militärische Führung am Mittwochnachmittag im Ludger-Hölker-Saal in dürren Worten über die wenigen bereits heute klaren Konsequenzen der Berliner Entscheidung informiert, machen solche Gerüchte die Runde. Wird die Wehrbereichsverwaltung einen Sozialplan ausarbeiten? Werden Mitarbeitern, die nicht umziehen können, Abfindungen angeboten?

Viele der Mitarbeiter, etwa Küchenpersonal oder aus der Standortbetreuung, sind um die 50 Jahre. Für sie wird es schwierig, eine andere Arbeit zu finden. Als Sportlehrer hätte Arndt Winderl da immerhin andere Perspektiven. Aber die Arbeit mit den Offizierschülern füllt ihn aus - er will sie eigentlich nicht aufgeben.

Schockiert von der Nachricht, sagt der Stadtrat Andreas Lohde (CSU), was viele Fürstenfeldbrucker denken: "Das Ende des militärischen Flugbetriebs und die Abtrennung des Flugfeldes sind eigentlich die Ursache für die Entwicklung, die der Verteidigungsminister am Mittwoch besiegelte." Nach Schuldigen zu suchen, bringe allerdings nichts mehr. Laut Lohde trifft das Aus vor allem die Zivilbeschäftigten. Mit Klaus Wollenberg (FDP) gehörte Lohde, dessen Vater Kommandeur im Fliegerhorst war, zu der Minderheit, die sich aktiv für den Erhalt des Flugplatzes eingesetzt hatte.

Auch die Bürgerinitiative "Aufsteigen mit Fürsty, Luftverkehr schafft Arbeitsplätze" fühlt sich nachträglich bestätigt. Die Erkenntnis, dass ein Luftwaffenstandort ohne Flugplatz unattraktiv ist, habe sich zu spät durchgesetzt. Allerdings forderte die Initiative einen zivilen Verkehrslandeplatz.

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