Attraktiverer Nahverkehr:Ein Ticket für ganz Oberbayern

Die Bezirks-CSU fordert einen größeren Verkehrsverbund mit einheitlichen Tarifen nach Südtiroler Vorbild. Der ÖPNV-Experte des Landkreises begrüßt den Vorstoß und würde auch Augsburg gerne einbeziehen.

Peter Bierl

Die von der oberbayerischen CSU propagierte Idee eines einheitliches Tarifsystems für Züge und Busse im erweiterten Großraum München stößt überwiegend auf Zustimmung. "Es wäre gerecht und sinnvoll", sagte der ÖPNV-Experte des Landratsamts, Hermann Seifert. Andreas Barth von Pro Bahn verwies darauf, dass die Debatte in allen angrenzenden Gebieten des MVV geführt werde. Auch der Grünen-Landtagsabgeordnete Martin Runge sprach sich für einen Tarifverbund aus, meinte jedoch: "Es gibt Dringlicheres als Schaufenster-Anträge."

Mammendorf: S-Bahnhof / Verkehrsverbund S-Bahn / Bus

Die Nutzung von Bussen, S-Bahnen und Zügen soll durch ein einheitliches Tarifsystem attraktiver werden.

(Foto: Johannes Simon)

"Es gibt ein Tohuwabohu bei den Fahrpreisen, das Leute davon abhält, Bahn oder Bus zu benutzen", sagte Seifert. Obendrein werden die Pendler aus dem Umland durch überproportional höhere Preise benachteiligt und es existieren allerlei Ungereimtheiten. Wer von München nach Augsburg fährt, muss vorher nachsehen, ob der Zug auch in Mammendorf oder Althegnenberg hält. In diesem Fall dürfen bis zu den beiden Haltestellen im Landkreis die MVV-Tickets benutzt werden, für die restliche Strecke muss man eine Fahrkarte der Bahn lösen. Hält der Zug nicht im Landkreis, ist das MVV-Ticket ungültig.

Seifert plädiert darum für einen Verbund, der die bisherige MVV-Grenze überschreitet und auch Augsburg und Ingolstadt einbezieht, so dass ein Pendler aus Puchheim mit einem Ticket dorthin fahren könnte. Der Idealzustand wäre, wenn die tatsächlichen Fahrtkosten in die Preise der Fahrkarten eingingen.

Dagegen wäre Landrat Thomas Karmasin (CSU) im ersten Schritt mit einem Verbund zufrieden, der ganz Oberbayern umfasst. Er verweist auf den Interessenkonflikt: Die Münchner wollen die zentralistische Ausrichtung auf die Stadt beibehalten, das Umland eine Neuorientierung. "Die Zentralisierung war zur Zeit der Olympischen Spiele gut, passt aber nicht mehr zur heutigen Situation", sagte Karmasin, der als Sprecher der Landkreise im MVV fungiert. Die Vertreter des Umlandes wünschten eine "wabenartige" Tarifstruktur und mehr Tangentialverkehr. Das sei ein Konflikt, der schon länger tobe. Ein Kompromiss sei das München-XXL-Ticket gewesen, das einige Nachteile für das Umland behoben hat. Auch gegen den Fahrkartenkauf mit dem Handy, den die Landkreise seit Jahren gefordert hätten, habe es "großen Widerstand" im MVV gegeben, erzählte der Landrat. Vom Ticketverkauf an Automaten profitiere die Münchner Verkehrsgesellschaft. Pro-Bahn-Sprecher Barth, der auch der Initiative "S-4-Ausbau jetzt" angehört, kritisierte, dass der MVV in den neunziger Jahren "eingeschlafen" sei und seitdem keine großen Verbesserungen unternommen habe.

"In Südtirol klappt das, und hier fängt gerade mal die Diskussion an", sagte Barth mit Bezug auf die Südtirol-Karte, die sich der CSU-Bezirksverband Oberbayern auf einer Tagung vergangene Woche hatte erklären lassen. In der norditalienischen Region funktioniert ein einheitliches System, die Hürden in Bayern schätzt Landrat Karmasin, der bei der Tagung dabei war, als hoch ein: "Das ist ein Fernziel. Davon sind wir weit weg." Im Gegenteil: Die Bahn AG habe die Bedingungen für das Umland "mit Zustimmung des Freistaats" verschlechtert, rügte Barth. Als Beispiel nannte er den von Seifert geschilderten Fall der Fahrt von München nach Augsburg.

Runge meinte, Tarifverbünde seien angenehm und im Großraum München gebe es immer noch "große schwarze Flecken". Man müsse allerdings berechnen, wie hoch die Zuschüsse wären. Der Grünen-Politiker erinnerte daran, dass auch schon über eine räumliche Ausdehnung des MVV etwa nach Landsberg diskutiert wurde, aber nichts geschehen sei. Runge pochte darauf, dass Bahn und MVV endlich Service, Informationen und Pünktlichkeit verbessern und die Engpässe bei der S 4 beseitigen sollten. Kritisch zum Tarifverbund äußerte sich Mirko Pötzsch (SPD). "Warum nicht? Aber die Frage ist, ob die Idee realistisch und umsetzbar ist", sagte der Brucker Verkehrsreferent der SZ. Der ÖPNV bestehe aus einzelnen Unternehmen wie Bahn, MVV, MVG und Busunternehmen mit unterschiedlichen Angeboten und Kosten. Die aktuelle Preisgestaltung der Tickets spiegele durchaus unterschiedliche Leistungen wieder. In München seien die Preise niedriger, weil mehr Kunden die Infrastruktur besser auslasteten als im Umland.

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