Asylpolitik:Versorgung der Flüchtlinge in Gefahr

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Ein Team aus 16 Ärzten kümmert sich um die Flüchtlinge, die in der Erstaufnahmeeinrichtung auf dem Fliegerhorst untergebracht sind.

(Foto: Günther Reger)

Bezirksregierung kündigt Brucker Ärzten den Vertrag für ihr Behandlungszentrum in der Erstaufnahmeeinrichtung

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Die ärztliche Versorgung in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber im Brucker Fliegerhorst wird von der Regierung von Oberbayern neu ausgeschrieben. Das eingespielte Team aus Ärzten und Arzthelferinnen wird dabei nicht zum Zuge kommen. Nur Unternehmen oder Vereine könnten sich bewerben, kritisiert Werner Kainzinger, der Sprecher des Ärztlichen Kreisverbandes. "Wir haben jetzt eine optimale Struktur, die wird wahrscheinlich verloren gehen."

Im Herbst 2014 wurden Ärzte von den Behörden händeringend gebeten, die Versorgung zu übernehmen, als die ersten 600 Flüchtlinge vor der Türe standen. Kainzinger entwickelte mit Kollegen ein relativ unbürokratisches Modell, dem die Behörden wohl aus der Not der Stunde heraus zustimmten. Es gab einen Vertrag über eine Laufzeit von zwei Jahren, den alle Mediziner einzeln unterschrieben.

Dann fehlten Arzthelferinnen. Landrat Thomas Karmasin (CSU) setzte eine pragmatische Regelung durch, wie Kainzinger lobte. Sechs Helferinnen wurden vom Landkreis für zwei Jahre angestellt. Der Kreis bekommt das Geld vom Freistaat erstattet. Auch die Kooperation mit den Apothekern hat Kainzinger organisiert. Es gibt eine Rezeptsammelstelle in der Erstaufnahme. Von dort werden die Rezepte in die Apotheke gebracht, die für zwei Wochen die Versorgung übernimmt.

Die Medikamente werden direkt an die Pforte geliefert, die Apotheke rechnet mit dem Sozialamt ab. "Es ist eine ungewöhnliche Brucker Lösung, pragmatisch und unbürokratisch, die aber sofort funktioniert hat. Andernfalls würden Asylbewerber planlos durch die Gegend laufen", so Kainzinger.

Er und seine Kollegen bauten eine komplette Versorgung auf. Die Ärzte arbeiteten anfangs ehrenamtlich, dann wurde abgerechnet. Aus einem kleinen Behandlungszimmer entstand eine gut ausgestattete Ambulanz. Das Team vergrößerte sich auf acht Allgemeinärzte, zwei hausärztliche Internisten, zwei Kinderärztinnen sowie einen Gynäkologen, Hautarzt, Psychiater und Urologen. "Es ist eine gute basale Versorgung mit fachlicher Spezialisierung", sagt Kainzinger. Die Ambulanz ist von Montag bis Freitag besetzt, jeder arbeitet drei bis vier halbe Tage in der Woche dort.

Das Modell ist jetzt in Gefahr. Der Vertrag mit den Ärzten wurde noch mal bis April 2017 verlängert. Bis dahin wird die Arbeit neu ausgeschrieben und zwar als Paket, wie die Regierung bestätigte. Einzel-Verträge mit Ärzten seien nicht üblich. Dass solche Leistungen ausgeschrieben werden, beruhe auf vergaberechtlichen Vorgaben. Die derzeit tätige Ärzte-Gemeinschaft könne sich frei im Rahmen des Vergabeverfahrens zu bewerben, erklärte eine Sprecherin der Regierung.

Probleme gibt es schon jetzt wegen der Arzthelferinnen. Sechs sollten es sein, derzeit arbeiten noch vier Frauen dort in Teilzeit, aber mit erhöhter Stundenzahl. Eine Stelle wird zum 1. Januar neu besetzt, die Frau habe einen sicheren Arbeitsplatz aufgegeben, trotz ungewisser Aussichten auf dem Fliegerhorst, erzählt Kainzinger. Wenn bei der Ausschreibung jemand anders zum Zuge komme und die Helferinnen nicht übernehme, müssten diese den Rest ihrer Vertragszeit im Landratsamt Akten sortieren, vermutet Kainzinger.

Dass die Arzthelferinnen beim Landratsamt angestellt sind, sei ein "oberbayernweit einmaliger Sonderfall", so die Regierung. Die Sondersituation sei durch den Druck aufgrund der hohen Zahl von Flüchtlingen entstanden. Man sei allen Beteiligten dankbar für die schnellen pragmatische Maßnahmen, mit der die Situation bewältigt werden konnte, bitte aber um Verständnis, dass dieser "atypische Sonderfall" nun aufgelöst werde.

Wenn die Mediziner sich als Ärzte-Gemeinschaft bewerben und den Zuschlag erhalten würden, könnten sie auch die Sprechstundenhilfen weiter beschäftigen. Kainzinger sagt, bei einer Paketlösung hätten die derzeit praktizierenden Ärzte keine Chance sich zu bewerben, weil ein einzelner Arzt, auch als Leiter, diese Aufgabe nicht übernehmen könne. Dazu müsste man eine Praxis oder eine Firma gründen mit allen Konsequenzen wie Lohnbuchhaltung, Gewerbeanmeldung oder Betriebsstättennummer. Dieses Unternehmen müsste die Arzthelferinnen anstellen. Auch eine Vereinsgründung lehnt Kainzinger wegen des Aufwandes ab. Kommt es so also zu einer Vergabe der medizinischen Versorgung im Paket, wären die Initiatoren der Brucker Flüchtlingsambulanz draußen. "Wir müssen damit rechnen, dass uns der Stuhl vor die Tür gesetzt wird", sagt Kainzinger. Er warnt davor, dass ein Klinikkonzern den Betrieb übernimmt. Dieser könnte die Ambulanz als Zugangsstation für konzerneigene Kliniken nutzen, um dort "Betten zu füllen". Kainzinger schätzt, dass die Versorgung bisher etwa 40 000 Euro im Monat kostet, für Ärzte, Helferinnen und Sachmittel. Am Ende könnte es in Zukunft teurer werden.

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