Anrufsammeltaxis:Abgefahren

In der Brucker Taxifunkgenossenschaft herrscht Streit über die Integration des Anrufsammeltaxis ins MVV-System und neue Linienführungen. Eine Mehrheit lehnt die Beteiligung an der Neuausschreibung ab. Der Landkreis will das Angebot aufrechterhalten - notfalls eben ohne sie.

Von Stefan Salger

Bruck: TAXI - AST -Anrufsammeltaxi

Wenn abends oder an Wochenenden keine Busse mehr fahren, springen Taxis ein- wie hier am Bahnhof

(Foto: Johannes Simon)

Das bayernweit als Vorbild geltende System der Anrufsammeltaxis (Ast) im Landkreis soll Ende des Jahres ins MVV-Tarifsystem eingegliedert, die Fahrstrecken weitgehend den Buslinien angeglichen werden. Viele Brucker Taxis könnten dann nicht mehr dabei sein: Teile der in der Taxifunkgenossenschaft zusammengeschlossenen Unternehmer empfinden die Neuausrichtung als Zumutung und Bedrohung. Ende Januar haben sie sich bei einer Abstimmung mehrheitlich gegen eine Bewerbung für die EU-weite Ausschreibung entschieden - offenbar mit dem Kalkül, den Landkreis damit zu Zugeständnissen zu zwingen oder sogar das ganze Ast-Projekt zum Scheitern zu bringen. Am Mittwoch läuft die Bewerbungsfrist ab. Nach SZ-Informationen werden sich aber wohl doch noch einige der 26 Brucker Unternehmen, die insgesamt 34 Fahrzeuge besitzen, beim Landkreis um diesen Auftrag bewerben. Damit droht die Spaltung der Taxifunk-Genossenschaft.

Das flexible Ast-System war bisher schon ein Erfolgsmodell: Werktags von 20 Uhr und ganztags an Samstagen und Sonntagen, jeweils bis in die Morgenstunden des folgenden Tags, können Taxis zu neun festen Abfahrtspunkten im Stadtgebiet oder alternativ zu Haltestellen in Orten wie Germering, Gröbenzell oder Puchheim beordert werden - telefonisch unter 08141/35 35 31, mindestens 30 Minuten vor dem gewünschten Fahrtantritt. Von Fürstenfeldbruck aus kann man Ziele im ganzen Landkreis erreichen. Weitere Fahrgäste können unterwegs an Haltestellen zusteigen. Je nach Entfernung gibt es drei Tarife. Ziel ist es, zu verkehrsschwachen Zeiten möglichst kleinere Fahrzeuge einzusetzen - und auch das nur dann, wenn wirklich Bedarf besteht. Der Landkreis erstattet den Taxiunternehmern einen Großteil der Differenz zwischen dem vergünstigten Fahrpreis und dem Taxitarif. Passagiere zahlen etwa für die Fahrt von Bruck nach Althegnenberg statt 35 nur 4,50 Euro. 80 000 Fahrgäste im Jahr belegen, dass das Ast gut angenommen wird.

Im Dezember läuft die Konzession nach acht Jahren aus. Dann muss den Richtlinien zufolge europaweit ausgeschrieben werden - für die nächsten vier Jahre. Eine Vergabe direkt an die Brucker Unternehmer ist Hermann Seifert, dem ÖPNV-Experten des Landratsamts, zufolge nicht zulässig. Bei der Beurteilung der Angebote gehe es aber nicht nur um den Preis, sondern auch um die Qualität des Angebots. Seifert lässt keinen Zweifel daran, dass auch ein Boykott der Brucker Taxler nichts an Ast ändern würde - denn es handelt sich um einen "Linienverkehr", für den beispielsweise auch Fahrzeuge eingesetzt werden könnten, die tagsüber für den Kranken- oder Schülertransport unterwegs sind. Damit zerstreut Seifert auch Sorgen von Fahrgästen wie Martin Haisch. Der hatte sich am Dienstag an die SZ gewendet und von zunehmenden Verspätungen sowie demotivierten Taxifahrern berichtet. Ein Fahrer habe behauptet, der MVV solle künftig für das Ast zuständig sein und dieser schreibe einen "busähnlichen Betrieb ohne Radio und Funk vor. Wegen unzumutbarer Bedingungen werde sich die Genossenschaft nicht mehr bewerben. Seifert widerspricht nachdrücklich: Es gebe keine solchen Verbote und Ast bleibe weiter in der Zuständigkeit des Landkreises. Richtig ist, dass der Landkreis die Neuausschreibung nutzen will, um das Anrufsammeltaxi besser ins MVV-Tarifsystem einzubinden. Dann werden beispielsweise die MVV-Monatskarten oder Handytickets akzeptiert. Zudem soll die "Verbussung" der Linien den Fahrgästen Vorteile bringen, alles soll leichter handhabbar, Barrieren sollen reduziert werden. So kann man künftig auch auf der Strecke jenseits der bisherigen Einstiegshaltestellen zusteigen und es gibt eine zusätzliche Ringlinie um die Kreisstadt herum. Victor Arnold, Vorsitzender der Taxifunk-Genossenschaft, findet das alles "gar nicht so verkehrt" und versteht die große Aufregung einiger Kollegen über das neue "Ruftaxi" nicht. Bei der Versammlung im Januar war er nicht dabei. Höre er die kursierenden Gerüchte, dann bekomme er "einen dicken Hals". So sei es auch eine Illusion, dass nach einer theoretischen Abschaffung von Ast viele Fahrgäste plötzlich bereit wären, reguläre Taxipreise zu bezahlen. "Eine Milchmädchenrechnung", so Arnold. Der Grafrather warnt vor dem ersatzlosen Verzicht. Für die beteiligten Betrieben sei es ein wichtiges Zusatzgeschäft: jeder vierte Euro, schätzt Arnold, werde als Anrufsammeltaxi eingenommen.

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