Amtsgericht:Beziehung endet mit Vergewaltigungsvorwurf

24-Jähriger muss sich seit Montag vor Gericht verantworten. Er soll seinen Ex-Freund zum Oralsex gezwungen haben

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Hat ein angehender Polizeischüler seinen Ex-Freund zum Oralverkehr gezwungen? Oder war die Anzeige eines damals 17-Jährigen wegen Vergewaltigung nur eine Retourkutsche dafür, dass sein fünf Jahre älterer Ex-Freund nun mit einer Frau zusammen ist? Diese Fragen soll seit Montag ein Prozess vor dem Jugendschöffengericht in Fürstenfeldbruck klären. Am ersten Verhandlungstag räumte der Angeklagte zwar ein, dass es am fraglichen Tag zu sexuellen Interaktionen gekommen war. Diese seien aber freiwillig gewesen. Als der inzwischen 18-Jährige Ex-Freund des 23-Jährigen unter Ausschluss der Öffentlichkeit aussagte, unterbrach das Gericht nach kurzer Zeit die Verhandlung und setzte sie aus. Dem Geschädigten soll ein Zeugenbeistand zur Seite gestellt werden, bevor er weiter vernommen wird.

Wie der in Gauting lebende Angeklagte berichtet, hatte er im November 2016 die Beziehung zu seinem damaligen Freund beendet, weil er sich in eine Frau verliebt hatte. In den nächsten Monaten habe man eine "Freundschaft plus" geführt, also gelegentlich Sex miteinander gehabt, da zum einen noch nicht abzusehen gewesen sei, wie sich die Beziehung zu der Frau entwickeln würde. Und er zum anderen seinen Ex-Freund weiterhin als Freund behalten wollte. Er schätze diesen eben auch sehr als guten Freund, betonte er.

In dieser Phase hatte der Gautinger im Februar letzten Jahres bei dem damals 17-Jährigen im westlichen Landkreis übernachtet. Dabei soll es der Anklage zufolge zu der Vergewaltigung gekommen sein. Der Angeklagte beteuert indes in der Verhandlung, dass alles einvernehmlich geschehen sei. Und erklärt, dass er auch später noch Kontakt zu seinem Exfreund hatte. Das belegen Whatsapp-Protokolle.

Sie liegen dem Vorsitzenden Richter Johann Steigmayer in seitenweisen Ausdrucken vor. Ob sich denn darin entlastende Aussagen finden würden, fragt er in Richtung Angeklagter und Verteidiger. Letzterer hebt hilflos die Schultern. Derweil zückt sein Mandant sein Smartphone und durchforstet parallel zum Richter die fragliche Kommunikation.

Auf diese Weise findet sich die Frage: "Kannst du heute Abend zu mir kommen?", vom Ex-Freund des 23-Jährigen, versehen mit dem Zusatz "bitte, bitte" vom Vortag der mutmaßlichen Vergewaltigung sowie eine weitere Aussage, die den Richter stutzen lässt: "Nach der vermeintlichen Vergewaltigung sagt der Geschädigte, er kämpft um die Freundschaft." Steigmayer findet auch ein paar Aussagen des 18-Jährigen, in denen er seinem Verflossenen damit droht zur Polizei zu gehen. Der Angeklagte hatte darauf offenbar nicht reagiert, denn der Vorsitzende stellt ihm eine entsprechende Frage. "Ich wusste ja, dass ich nichts getan hatte", erwidert der Angeklagte. Und erklärt zudem, dass ihm sein Exfreund mit der Anzeige schaden wollte, weil er die Aufnahmeprüfung für die Polizei-Fachhochschule bestanden hat. Mit einem Schuldspruch wegen Vergewaltigung kann er diesen Karrierewunsch vergessen.

Jedoch belegt das Chat-Protokoll auch - was es den Anwesenden nicht erleichtert, diese Beziehung zu verstehen -, dass beide Seiten in dieser offenbar unglücklichen Verbindung gefangen sind: So gibt es eine lange Pause, beginnend an dem Tag, als der Ex-Freund die Anzeige macht. Der Angeklagte nimmt die Kommunikation fast einen Monat später wieder auf. "Wieso fragen Sie, war's das mit der Freundschaft, wenn er Sie praktisch unter den Galgen bringt?", will der Vorsitzende wissen. Er habe erfahren, dass sein Ex-Freund im Krankenhaus sei und eine schwere, vielleicht tödliche Krankheit habe. Der Prozess dauert an.

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