Amtsgericht:Am Arbeitsplatz bedroht

Ein geistig verwirrter Mann kommt zwei Mal wegen einer Erhöhung des Pflegesatzes zum VdK. Mitarbeitern sagt er, zum Töten bereit zu sein und viele Waffen zu besitzen. Ein Richter stellt das Verfahren gegen den 59-Jährigen ein

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Das Problem kommt immer öfter vor: Mitarbeiter in öffentlichen Gebäuden, vorzugsweise in Behörden oder Institutionen wie dem Jobcenter, werden angegriffen oder bedroht, Rettungskräfte und die Polizei bei Einsätzen behindert. Der Respekt vor staatlichen Einrichtungen scheint zu sinken. Im Landratsamt hat man darauf bereits reagiert und einen Sicherheitsdienst engagiert. Der hätte vermutlich auch die Mitarbeiter des Sozialverbands VdK beruhigt, als sie Ende 2016 von einem offenbar geistig verwirrten Mann besucht und bedroht wurden. Unter anderem erklärte der 1958 geborene Mann, der einen höheren Pflegesatz beantragen wollte, über etliche Waffen und eine militärische Spezialausbildung zu verfügen. Am Montag verhandelte ein Richter am Amtsgericht in Fürstenfeldbruck diese Bedrohung - und stellte das Verfahren in Anbetracht der psychischen Verfassung des Angeklagten ein - auch deshalb, weil den Mitarbeitern nichts passiert war.

Zwei Mal war der 59 Jahre alte Mann im Dezember 2016 laut Anklage in den Geschäftsräumen des Sozialverbandes VdK in Fürstenfeldbruck aufgetaucht. Zu dem Geschäftsführer sagte er damals, dass er bereit sei zu töten und sich der VdK bald Ersatz für ihn suchen müsse. Der VdK-Mann konnte den unangenehmen Besucher vor die Tür setzen. Etwa zehn Tage später erschien der früher im östlichen Landkreis wohnhafte Angeklagte erneut bei dem Sozialverband, obwohl ihm inzwischen ein Hausverbot erteilt worden war. Der Geschäftsführer musste ihn laut Anklage mehrmals zum Gehen auffordern. Deshalb warf ihm die Staatsanwaltschaft nun Bedrohung und Hausfriedensbruch vor.

Schon äußerlich fällt der Angeklagte auf. Er trägt ein Gewand, das an einen buddhistischen Mönch erinnert: bordeauxfarbener Umhang, orangenfarbener Unterstoff, der rechte Arm nackt. Als er im vergangenen Jahr in die Räume des VdK kam, trug er allerdings Hosen.

Sein Mandant berufe sich auf sein Aussageverweigerungsrecht, beginnt der Verteidiger. Und gibt dem Vorsitzenden Richter Johann Steigmayer zu verstehen, dass er sich weitgehend erfolglos im letzten halben Jahr um schriftliche Belege zum Geisteszustand des 59-Jährigen bemüht habe. Nur ein fachärztliches Attest jüngsten Datums kann er vorlegen. Wie der Vorsitzende verliest, bestätigt es eine dreimonatige stationäre Behandlung des Angeklagten kurz nach dem Vorfall beim VdK. Der Patient sei unter anderem wegen paranoider Schizophrenie und einer depressiven Episode behandelt worden.

Hätte er davon im Vorfeld gewusst, dann hätte er den Angeklagten von einem Psychiater auf seine Schuldfähigkeit untersuchen lassen, bedauert der Richter. Und hakt beim Angeklagten nach. Der berichtet, dass er schon mehrere Male stationär in psychiatrischer Behandlung war und dass er einen gesetzlichen Betreuer hat. Er sei früher bei der Polizei gewesen, "musste gehen, auch wegen der Erkrankung". Nun signalisiert der Vorsitzende dem Verteidiger, dass ein Gutachter höchstwahrscheinlich zu dem Ergebnis kommen würde, dass der Angeklagte aufgrund einer seelischen Störung schuldunfähig ist.

Der VdK-Geschäftsführer war beim ersten Besuch des Angeklagten gerade im Urlaub. Seine Mitarbeiter hätten ihm davon erzählt, berichtet der Zeuge. Ihm sei nicht verborgen geblieben, dass der Mann einige Kolleginnen verängstigt habe. Ein Kollege hatte den Besuch dokumentiert: Der Angeklagte kam wegen einer Erhöhung seines Pflegesatzes aufgrund seiner psychischen Erkrankung, machte "einen verwirrten, unkoordinierten Eindruck" und betonte mehrfach, dass er eine spezielle militärische Kampfausbildung habe, was als unterschwellige Drohung verstanden werden konnte. Doch der Mitarbeiter konstatiert ein "zwanghaftes Verhalten" und empfiehlt ein Hausverbot, zitiert der Geschäftsführer aus den Notizen. Vom zweiten Besuch des Angeklagten berichtet er selbst. Es wird klar, dass dem 28-Jährigen das seltsame Verhalten rasch auffiel. "Er hat sich sehr ritualisiert angezogen", schildert er, "alles sehr langsam und ordentlich". Der Zeuge bemängelt zwar, dass die Polizei erst kam, nachdem der Angeklagte längst weg war. Verängstigt wirkt er aber nicht.

"Ich meine, wenn man sich das ganze Szenario vor Augen führt", beginnt der Vorsitzende, "der Geschäftsführer konnte es schon einordnen." Die Prozessbeteiligten folgen seinem Vorschlag, das Verfahren wird eingestellt.

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