Alternative Bestattungsform:Zurück zu den Wurzeln

Bei Althegnenberg soll der erste Friedwald im Großraum München entstehen

Markus Peters

Laub raschelt unter den Füßen. Es erinnert noch an die prächtigen Farben des letzten Herbstes. Äste knacken und Sonnenstrahlen suchen sich ihren Weg durch das dichte Geäst im Althegnenberger Wald. Fichten, große Tannen, dicke Buchen und alte und knorrige Eichen stehen hier. Auf einem neunzehn Hektar großen Waldstück zwischen dem Althegnenberger Sportplatz und der Straße nach Oberdorf soll ein Friedwald entstehen - eine letzte Ruhestätte für Verstorbene unter Bäumen. Es wäre das erste Angebot dieser Art im Raum München.

Mit den Friedwäldern bietet die Friedwald GmbH aus dem hessischen Griesheim eine alternative Bestattungsform: Bereits zu Lebzeiten suchen sich Menschen einen Baum aus, unter dem sie beerdigt werden wollen. Nach dem Tod wird dann ihre Asche in einer biologisch abbaubaren Urne an den Wurzeln des Baums beigesetzt. Einer Studie zufolge will nur noch jeder zweite Deutsche ganz traditionell beerdigt werden. Vor zehn Jahren lag der Anteil noch bei gut 90 Prozent. Ein Trend, von dem auch die Firma Friedwald profitieren will. Gerade der Raum München sei besonders interessant.

Insbesondere Stadtmenschen entscheiden sich für eine solche Naturbestattung, vor allem, wenn sie keine Kinder haben. "Die Grabpflege übernimmt im Friedwald die Natur", heißt es bei der Betreiberfirma. Kränze und Grabschmuck sind nicht erlaubt, der Wald soll unangetastet bleiben. Nur ein kleines Schild erinnert an den Verstorbenen.

Der erste solche Naturfriedhof eröffnete 2001 in Nordhessen. In ganz Deutschland wurden inzwischen Waldgebiete für Bestattungen ausgewiesen, allein die Friedwald GmbH kümmert sich um 35 solche Flächen. Es gibt Ruheforste, Gedenk- und Trauerwälder. Nur in Oberbayern ist das Angebot bisher spärlich. Das Bayerische Innenministerium stimmte einer Aktualisierung des bayerischen Bestattungsgesetzes erst 2005 zu. Unter bestimmten Vorgaben können jetzt auch in Bayern Naturfriedhöfe genehmigt werden. Eine Regelung, die einem gesellschaftlichen Wandel Rechnung trägt: Viele Menschen sind nicht mehr in der christlichen Tradition verwurzelt, auch für die Zeit nach dem Tod werden immer individuellere Lösungen gesucht. Für Walter Hechenberger, den Trauerbeauftragten des Dekanats Fürstenfeldbruck, führt das zu gewissen Problemen. "Mir geht es in erster Linie um die Bedürfnisse der Angehörigen. Die über Jahrhunderte entstandenen Beerdigungs- und Trauerriten sind sinnvoll und stimmig", sagt Hechenberger.

"Wir dürfen Friedhöfe nicht aus unserem täglichen Leben verbannen", sagt er. "Der Großteil der Trauernden braucht den Gang zum Grab - gerade unmittelbar nach dem Tod", sagt Hechenberger. Wenn Angehörige weite Strecken zurücklegen müssen, führe das nach seiner Erfahrung oft zu Konflikten. Er glaubt deshalb nicht daran, dass sich das Konzept des Friedwalds durchsetzt.

Vom exakten Gegenteil sind die Eigentümer des Waldes überzeugt. "Da wird sich in den nächsten Jahren einiges tun", so Angela Baronin Grießenbeck. In drei Wochen will ihr Mann, der Waldbesitzer Ferdinand Freiherr von Wiedersperg-Leonrod aus Schmiechen (Landkreis Aichach-Friedberg), die nötigen Anträge stellen. In Althegnenberg muss der Flächennutzungsplan und die Friedhofs- und Bestattungssatzung geändert werden. "Von der ersten Besichtigung bis zur ersten Beerdigung dauert es rund zwei Jahre", sagt Hans-Adam von Schultzendorf von der Friedwald GmbH. In der jüngsten Sitzung des Gemeinderates informierte er über den geplanten Friedhof. "Wir sind im Moment noch ganz am Anfang." Und doch kamen schon Bürger zu Bürgermeister Reiner Dunkel, um sich nach den Gräbern im Wald zu erkundigen. "Die Reaktionen sind durchweg positiv", sagt Dunkel.

Geplant ist eine Kooperation von Kommune, Grundstückseigner und Betreiberfirma. Die Kommune ist öffentlich-rechtlicher Träger des Friedhofs. Der Eigner kümmert sich um die Pflege des Waldes. Und der Betreiber ist für das Konzept, die Vermarktung und Koordination verantwortlich. "Profiteure bei diesem Projekt werden der Waldbesitzer und vor allem der Betreiber sein", fürchtet Gemeinderat Paul Dosch. Er ist zuständig für die Friedhöfe in Althegnenberg und fürchtet, dass die Gemeinde auf Kosten sitzenbleiben könnte. "Wir als Gemeinde haben keine Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass jemand aus Kassel hier beerdigt werden kann", sagt Dosch.

Noch hat sich aber weder der Althegnenberger Gemeinderat noch die Betreiberfirma entschieden. Hans-Adam von Schultzendorf von Friedwald bestätigte auf SZ-Anfrage, dass das Unternehmen in Kontakt mit anderen Waldbesitzern und Gemeinden im Großraum München stehe. Doch davon wollen sich die Besitzer des Waldstücks in Althegnenberg nicht unter Druck setzen lassen. "Es muss alles langsam wachsen, wie die Bäume im Wald", sagt Baronin Grießenbeck.

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