Aktion zur Leseförderung:Zitate als Irrläufer

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Finderin mit Finderlohn: Karin Keser (rechts) mit Geschenk und Lesepädagogin Christine Dietzinger (Foto: Günther Reger)

Wie die Brucker Stadtbibliothek versucht, junge Leser zu gewinnen

Von Felix Schulz, Fürstenfeldbruck

Christine Dietzinger hat in einem Lederstuhl im ersten Stock der Stadtbibliothek Platz genommen und liest gerade die ersten Sätze aus "Momo" von Michael Ende vor. Noch sitzen ihr nur zwei gespannte Zuhörer gegenüber. Eine von ihnen ist Karen Kieser, die eines der mehr als 50 Zitate gefunden hat, die Christine Dietzinger in Fürstenfeldbruck und Buchenau aufgehängt hatte. Wer dann am vergangenen Donnerstag zwischen drei und fünf Uhr nachmittags mit einem solchen Zitat in die Stadtbibliothek gekommen ist, durfte sich über eine kleine Überraschung freuen.

Dies sei ihre ganz eigene Interpretation des "Irrläufer"-Projekts, sagt Dietzinger. Dieses hatte der Bundesverband Leseförderung angeregt und seine Mitglieder aufgefordert, sich dazu eine Aktion einfallen zu lassen. Die Auswahl der Zitate ist dabei keinem bestimmten Muster gefolgt: "Ich habe einfach in mein Bücherregal gegriffen, in einigen Werken geblättert und herausgeschrieben, was mir gefallen hat." Mit Zitaten aus "Harry Potter", "Füchse lügen nicht" und "Star Wars" fällt die Liste der zitierten Bücher dementsprechend bunt aus.

Karen Kieser ist eine der glücklichen Finderinnen, sie darf sich zwischen einer Rose, welche ein traditionelles Geschenk zum Welttag des Buches darstellt, und einer kleinen Süßigkeit entscheiden. Ziel des Projekts war es, Kinder und Erwachsene zu "irritieren", um Aufmerksamkeit auf das Lesen zu lenken. Bei Karen Kieser wurde dieses Ziel erfüllt: "Wenn man so ein Zitat zufällig an einem Gerüst hängen sieht, erinnert man sich daran, mal wieder etwas lesen zu können."

Mit der Zeit trudeln immer mehr Kinder ein, um ihre Belohnung abzuholen und den Sitzkreis um Dietzinger zu vergrößern. Viele von ihnen sind Mitglieder des Vereins "Turmgeflüster", den die hauptberufliche Erzieherin und Lesepädagogin Christine Dietzinger vor gut zehn Jahren gegründet hat. Jeden Freitag trifft sich der Verein in der Stadtbibliothek, um sich gemeinsam über Bücher auszutauschen, um zu basteln oder auch Theater zu spielen. Den Spaß an Geschichten sah Christine Dietzinger schon immer darin, "die Figuren auf kreative Art und Weise lebendig werden zu lassen".

Eines der jüngsten Mitglieder ist Sofia Brizzi, die freitags schon häufiger im Verein mitgewirkt hat. Mit einem Zitat in der Hand und ihrer Mutter im Schlepptau lauschte sie fast eineinhalb Stunden lang den Geschichten, die im Sitzkreis vorgelesen werden. "Ich fand es total toll, dass jeder im Ort die Zitate suchen konnte", sagt sie. Außerdem lese sie am liebsten Fantasy-Bücher, in denen Tiere sprechen könnten, darum habe sie auch die von ihr gefundene Textpassage aus "Das Stinktier" so lustig gefunden. Auch ihre Mutter Francesca Brizzi hält die Aktion für sehr gelungen: "Das hilft ungemein, den Kindern das Lesen näherzubringen." Für sie spiele Lesen eine wichtige Rolle, vor allem um fremde Kulturen und Lebenssituationen besser kennenlernen und verstehen zu können.

Auch Christine Dietzinger zeigt sich äußerst zufrieden: "Besonders schön finde ich, dass sich alle so ruhig zusammen gesetzt haben, um einander vorzulesen und einander zuzuhören." Und so hat an diesem Tag der Fuchs aus "Füchse lügen nicht" das letzte Wort, der von seiner noch jungen Vorleserin so lebhaft verkörpert wird, als säße er unmittelbar neben den anderen auf dem roten Sofa.

© SZ vom 22.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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