Älter werden - alt sein:"Man sollte sich nicht zu viel Angst machen"

Lesezeit: 4 min

Es gibt kein bestimmtes Alter, von dem an sich jemand mit dem Älterwerden beschäftigen sollte, sagt Sonja Thiele. Pflege und Demenz sind für die Kreisseniorenreferentin dennoch wichtige kommunalpolitische und gesellschaftliche Aufgaben

Interview Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Mit Fragen des Alters hat sich Sonja Thiele schon beschäftigt, bevor sie Seniorenreferentin des Kreistags wurde. Als erste hauptamtliche Geschäftsführerin des Germeringer Sozialdienstes hatte sie mit diesem Thema schon viel Erfahrung, als sie 2014 in Altersteilzeit ging und im selben Jahr bei den Kommunalwahlen für die CSU sowohl in den Germeringer Stadtrat als auch in den Kreistag gewählt wurde. Die Grundlage ihres Amtes auf Kreisebene, das seniorenpolitische Gesamtkonzept, nimmt die 63-Jährige nicht als gegeben hin, sondern möchte es, wie sie im Interview mit der SZ zum Abschluss der Serie "Älter werden - alt sein" sagt, in ihrer ersten - und vielleicht einer zweiten - Wahlperiode in möglichst allen Bereichen weiterentwickeln.

SZ: Wie geht es den alten Menschen im Landkreis, Frau Thiele?

Sonja Thiele: Ich denke, dass wir im Landkreis für ältere Menschen eine relativ gute Versorgungsstruktur haben. Das ist nicht überall gleich, wir haben den östlichen, städtisch geprägten Landkreis und den westlichen, ländlichen, in denen die Bedürfnisse unterschiedlich sind. Aber mit unseren Angeboten sind wir gut dran. Ob es sich um Freizeitangebote oder um ambulante und pflegerische Versorgung handelt oder um Altenheime. Das haben wir auch schon festgestellt, als wir 2014 das seniorenpolitische Gesamtkonzept aufgestellt haben. Was mir aber damals schon gefehlt hat, war das Thema Demenz, das auf etwa zwei Seiten dargestellt wurde. Als Seniorenreferentin habe ich mir dieses Thema deshalb vorgenommen.

Wie weit über das Konzept hinaus haben Sie denn dieses Thema schon weiterentwickeln können?

Das Wichtigste war mir, dass wir ein Netzwerk aufbauen. Dass wir eine Struktur finden, in der sich viele Teilnehmer, viele Anbieter und Beratungsstellen miteinander vernetzen und austauschen. Bei meiner praktischen Arbeit ist mir aufgefallen, dass für demente Menschen mehr getan werden muss. Es kam ein runder Tisch zum Thema Demenz zustande, der viele Zielrichtungen hat. Einmal das Netzwerk zu schaffen,zum zweiten Handlungsfelder zu definieren. Das ist ein interdisziplinärer Kreis, der hochkarätig besetzt ist vom Seniorenbeirat bis zum Klinikum Fürstenfeldbruck. Auch die Sportreferentin des Landkreises, Margit Quell, ist dabei, weil uns das Sportangebot für demente Senioren auch ganz wichtig ist. Uns ist auch wichtig, dass wir mit dem Thema die Öffentlichkeit erreichen. Demenz ist als Thema in der Bevölkerung immer noch nicht genug angekommen. Der Kreis trifft sich seit Oktober 2016 regelmäßig, und es war mir ein Anliegen, rasch einen Fachtag zu organisieren. Den haben wir im Frühjahr abgehalten, er war sehr gut besucht, die Resonanz war sehr positiv.

Wie sich das gesellschaftliche Leben für Senioren ändert, hängt auch mit ihrem Gesundheitszustand zusammen. Am Brucker Theresianum gibt es eine Bushaltestelle, die dementen Senioren ein Gefühl der Mobilität vermitteln soll. (Foto: Johannes Simon)

Welche Themen gehen Sie nun neu an?

Einmal einen Demenzratgeber im Internet, wo sich Angehörige informieren können. Persönliche Beratung bekommt man von verschiedenen Stellen, wie der Seniorenfachberatung der Landkreises, Angehörigenberatungsstellen und auch von den Krankenkasse. Diese Ansprechpartner möchten wir im Ratgeber benennen. Dann geht es um das Thema Demenz und Krankenhaus, wobei ich nicht einen geplanten Aufenthalt meine, sondern eine akute Situation, wie zum Beispiel ein Oberschenkelhalsbruch. Es hat sich herausgestellt - und da habe ich mit dem alten Mann, den ich betreue, unterschiedliche Erfahrungen gemacht -, dass demente Patienten nicht nach einem gleichen Muster aufgenommen werden und dass das Wissen der Angehörigen oder Betreuer nicht immer abgefragt wird. Im September haben wird einen Schulungstag für Angehörige von Demenzpatienten veranstaltet. Ich möchte jedes Jahr mindestens ein bis zwei Veranstaltungen organisieren.

Wie wollen Sie die Öffentlichkeit erreichen?

Vor allem mit Veranstaltungen, aber auch mit dem Demenzratgeber. Der wird nun bei der Neuauflage des Sozial- und Gesundheitsratgebers im Internet integriert. Das sind wird gerade dran. Es wird ihn auch in Papierform geben. Zwar nicht mehr so, wie in der alten Form, aber es wird auch die Möglichkeit geben, sich Auszüge daraus auszudrucken.

Welche politische Unterstützung erfahren Sie, woher kommen die Seniorenthemen?

Am Anfang dauert es immer ein wenig, bis man sich kennenlernt, aber ich muss sagen, dass ich mit der Unterstützung im Kreistag sehr zufrieden bin. Es sind viele Bürgermeister in der CSU-Kreistagsfraktion, und die sehen auch die Notwendigkeit. Die haben auch die demografische Entwicklung im Blick und sagen, das wird uns überrollen, also müssen wir etwas tun. Wenn wir uns den Stand der Angebote ansehen, können wir gleichzeitig eine Aktualisierung des seniorenpolitischen Gesamtkonzepts vornehmen. Ich versuche auch bei allen Arbeitskreisen dabei zu sein. Wir haben Arbeitskreise für Soziales, Seniorenarbeit, Nachbarschaftshilfen und soziale Dienste, es gibt den runden Tisch, den Seniorenbeirat und die Seniorenklubleiterinnen. Ich habe da sehr, sehr viel zu tun, aber ich höre dort, wo es wirklich brennt, was wirklich gebraucht wird.

Sonja Thiele (Foto: Günther Reger)

Welche Themen können Sie sich noch vorstellen zu bearbeiten?

Senioren und Sport ist so ein Thema. Da können wir mit Unterstützung der Sportvereine rechnen. Und dazu kommt wieder das Thema Demenz. Sport als Bewegung ist das Allerbeste für Demenzpatienten. Das kommt gut an. Bei Demenzkranken geht die Gehirnleistung immer mehr zurück und die Emotion kommt in den Vordergrund.

Das sind für jüngere Menschen alles sehr ferne Themen. Meinen Sie, es gibt ein Alter, ab dem man sich mit dem Älterwerden auseinandersetzen sollte?

Man sollte sich nicht zu viel Angst machen. Es läuft ohnehin ganz anders, als man denkt. Natürlich muss man sich damit auseinandersetzen. Man tut es spätestens dann, wenn es zu einem Fall in der Familie kommt. Und wenn nicht, dann sollte man rechtzeitig über Vorsorgevollmacht, Betreuungsvollmacht und Patientenverfügung nachdenken. Das macht sich nicht an einem bestimmten Alter fest, es kommt auf die private Situation an. Zum Beispiel, wenn man körperliche Einschränkungen wahrnimmt und sagen muss: Das kann ich nicht mehr. Dazu benötig man aber auch eine gewisse Einsicht.

© SZ vom 18.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: