Flüchtlinge:Umstrittener Kurswechsel

Asyl Maisach

Wie in Maisach sollen nach dem Willen des Landrats wohl bald alle Turnhallen im Landkreis mit Flüchtlingen belegt werden.

(Foto: Günther Reger)

Die Ankündigung des Landrats, Flüchtlinge verstärkt in Hallen unterzubringen, findet Kritiker und Befürworter

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Landrat Thomas Karmasin (CSU) ist für die Ankündigung, bei der Unterbringung von Flüchtlingen wegen der Überlastung seines Amts einen härteren Kurs einzuschlagen und diese vorrangig in Turnhallen, später in öffentlichen Gebäuden wie Kulturzentren oder Tiefgaragen einzuquartieren, am Mittwoch heftig kritisiert worden. Dass es Probleme gibt, räumen andere Kommunalpolitiker ein. Aber sie weisen auch darauf hin, die Aufgabe sei mit gemeinsamen Anstrengungen zu bewältigen und es gebe keinen Grund für einen Kurswechsel oder eine Abkehr von der bisherigen Willkommenskultur. Es gibt aber auch Mandatsträger, die Verständnis für Karmasins Situation haben.

"Wir hätten vor einem Jahr anders reagieren müssen, das fällt uns jetzt auf die Füße", meint der Gröbenzeller Bürgermeister Martin Schäfer (UWG). Die Aufgabe sei gemeinsam zu steuern und zu schaffen, beteuert er und belegt das mit einem Rechenbeispiel. Ohne die in der Erstaufnahmeeinrichtung des Fliegerhorstes untergebrachten Asylbewerber müssen die 23 Kommunen im Landkreis zurzeit rund 900 Flüchtlingen aufnehmen, also jede etwa 40. Verdoppelt oder verdreifacht sich diese Zahl, bleiben laut Schäfer für jede Gemeinde 80 beziehungsweise 120. Denen ein Quartier zu bieten, müsse zu bewerkstelligen sein.

Der Fürstenfeldbrucker Stadtrat Willi Dräxler (BBV) hält es für ein falsches Signal von Karmasin, die Parole auszugeben, es gehe nichts mehr. Gerade von der politischen Führung erwartet er sich die Botschaft, "dass wir das schaffen werden, auch wenn wir auf manche Selbstverständlichkeiten vorübergehend verzichten müssen". Laut Dräxler, der sich beruflich seit rund 30 Jahren mit Migranten und Flüchtlingen beschäftigt, gibt es ohnehin keine andere Möglichkeit. Zudem sei der gesellschaftliche Frieden ein zu hohes Gut, um es wie Karmasin "leichtfertig mit populistischen Begriffen" aufs Spiel zu setzten. Hilfreicher wäre es dagegen, die Bürger für ihr Engagement und die Bereitschaft, die Willkommenskultur zu pflegen, zu loben.

Der Emmeringer Bürgermeister und Kreisvorsitzende des Gemeindetags Michael Schanderl (FW) zeigt Verständnis für den Landrat. Laut Schanderl hat die Unterbringungsfrage eine "brandgefährliche Phase" erreicht. Erstmals werde spürbar, dass das tägliche Leben in einem geringen und tolerablen Maße beeinträchtigt werde. "Was wir bisher getan haben, war zwar wichtig und richtig und hat weiterhin Gültigkeit, es reicht angesichts des Andrangs aber bei weitem nicht mehr", sagt Schanderl. Landkreis und Kommunen seien nun gezwungen, andere Lösungen anzugehen.

Laut dem Germeringer OB Andreas Haas (CSU) zeigt Karmasins Reaktion nur, welch großer Druck auf dem Landratsamt und dem Landkreis lastet. Die Stadt versuche zu helfen und habe dem Landrat ein kommunales Grundstück angeboten, auf dem bei Eignung eine Traglufthalle aufgestellt werden kann. Haas rät dazu, die Notsituation mit kühlem Kopf und zügig unter Einbeziehung der Bevölkerung und von ehrenamtlichen Helfern anzugehen. Dazu gehört für den OB, an den Verteilungsquoten festzuhalten, die die Gemeinden einvernehmlich mit dem Landrat vereinbarten.

Dass keine Unterbringungsmöglichkeit ausgeschlossen werden kann, ist für SPD-Kreisrat Peter Falk unstrittig. Verwundert zeigt er sich, wie er sagt, über den Zungenschlag und das Drumherum, mit dem diese Nachricht verkündet wird. Allerdings sollte der Landrat mit einer solchen Notlage professioneller und geräuschloser umgehen, also so wie es die 70 restlichen Landkreischefs in Bayern tun. Der SPD-Politiker hält es angesichts der Wohnungsnot für überfällig, endlich wieder kommunale Wohnungen zu bauen. Dem pflichtet Markus Rainer bei. Der Landkreis habe ein Problem, es gebe zu wenig bezahlbaren Wohnraum. Für den Kreisrat der Grünen sind angesichts der negativen Geburtenrate Zuwanderer unverzichtbar, diese zu verteufeln sei falsch. Die "negative Stimmungsmache des Landrats" bezeichnet Rainer als ungut. Angesichts einer Fluktuation von mehr als tausend Einwohnern in einem Jahr in Gröbenzell sei es verkraftbar, 1500 Flüchtlinge aufzunehmen.

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