106.4:Erdiges aus dem Lokalradio

Der Fürstenfeldbrucker Sender 106.4 Top FM hat an Profil und Programm gearbeitet. Mit einem Fokus auf Rockmusik wollen sich die Macher von der Konkurrenz abheben und neue Hörer gewinnen

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Sie tun es schon wieder: Stairway to heaven - die Treppe in den Himmel. Dieses Brett von Led Zeppelin läuft nun schon mindestens zum dritten Mal in dieser Woche. "Mehr aber auch nicht, das weiß ich, darauf wette ich", sagt Markus Pürzer. Wer die Wette annimmt, dürfte schon verloren haben. Denn Pürzer ist Programmchef von Radio 106.4 Top FM in Fürstenfeldbruck und als solcher sollte er wissen, was sein Sender ausstrahlt. Drei Mal Led Zeppelin pro Woche ist nun auch nicht zu viel, woanders hört man die Großväter der Rockmusik gar nicht mehr. Im Brucker Lokalradio aber darf Bruce Springsteen mit seiner E-Street-Band rocken, dürfen Deep Purple den Rauch überm See besingen und selbst die Beasty Boys und Depeche Mode haben ihren Sendeplatz. Top FM ist deutlich rockiger geworden in den vergangenen drei Wochen.

Markus Pürzer und sein Chef, Top-FM-Geschäftsführer Hans Kuchenreuther, haben einen Relaunch gestartet. Sie wollen sich um eine Zielgruppe von Hörern in den vier Landkreisen Fürstenfeldbruck, Dachau, Landsberg und Starnberg bemühen, die zwischen 30 und 50 Jahre alt sind. Im Westen Münchens liegt das Sendegebiet, aber durch die enorme Reichweite der Frequenz ist das Brucker Radio bis nach Moosburg, in Augsburg und im Allgäu empfangbar. "Wir sprechen da von 2,3 Millionen Menschen", sagt Kuchenreuther.

Radio TOP FM

Sarah Schneider und Markus Pürzer sind das Team am Morgen im Brucker Radio 106.4 Top FM. Sie senden unter der Woche von 5 bis 10 Uhr.

(Foto: Günther Reger)

Aber was hilft es , wenn in diesem flüchtigen Medium Musik gespielt wird und Nachrichten gelesen werden, bei denen die Zuhörer in der Küche daheim, im Auto oder bei der Arbeit wegschalten und den nächsten Dudelfunk-Sender suchen? Untersuchungen zeigen den Radiomachern, wer wo zuhört, wie viele es sind und wie viele warum nicht mehr einschalten. Das ist "Research", die auch die Werbekunden einschließt. Anders als der gebührenfinanzierte Rundfunk müssen Regionalradios ihr Geld ausschließlich mit Werbung finanzieren. Da liegt es auf der Hand, dass die Kunden in einer der kaufkraftstärksten Gegenden Oberbayerns besondere Wünsche haben. Auch wenn die Reklamebotschaften manchmal marktschreierisch daherkommen.

Aus den Studien wird auch herausgelesen, welchen Geschmack das Bildungsbürgertum im Westen der Landeshauptstadt hat. "Die Leute wollen erdige Musik", sagt Markus Pürzer und ist dabei ganz entspannt. Ihm würden sofort viele Beispiele für dieses Erdige einfallen, auf jeden Fall ist für ihn damit Rockmusik gemeint. Möglichst gitarrenlastig.

Freilich hat der Brucker Sender noch keine Marke wie B3 seinen Matuschke am Abend. Aber immerhin in die Nacht hinein ein Programm aus ganz, ganz langen Stücken, Rockballaden und so manchen Pop-Perlen, die die Heimfahrt kurzweiliger machen. Bei den Nachrichten "aus Stadt und Land", wie es alle halbe Stunde heißt, gibt es einen Mix aus Deutschland- und Welt-News mit Korrespondentenberichten aus den vier Landkreisen. Da kam es in den vergangenen Tagen auch mal vor, dass sich an Themen wie die Flüchtlingskrise eine Meldung über eine neue Attraktion auf einem Wanderweg folgte. So klein kann manchmal die Welt sein. Als Hörer würde man sich durchaus mehr als eine Nachricht aus dem Sendegebiet pro halbe Stunde wünschen. Man arbeite daran, sagt dazu Geschäftsführer Kuchenreuther. Das Team im Funkhaus an der Schöngeisinger Straße ist überschaubar, "wir haben 20 Mitarbeiter auf der Payroll", sagt Kuchenreuther. Die Redaktion bildet auch Volontäre aus. Künftige Radiomacher also, die in ihrer Ausbildungszeit den rockigen Stil des Hauses erleben.

Morgendlicher Spitzenwert

Was für eine Zeitung die verkaufte Auflage, ist für die Radiomacher die Reichweite. Der Tag der Wahrheit kommt zum Beispiel für den Geschäftsführer von 106.4 Top FM aus Fürstenfeldbruck dann, wenn die Funkanalyse Bayern veröffentlicht wird. Sie beruht auf Umfrageergebnissen unter Hörern zwischen zehn Jahren und Ü-50, die über ihr Nutzungsverhalten Auskunft gegeben haben. Die Daten sind die Basis für die Vermarktung der Programme. Nach der Analyse vom Frühjahr dieses Jahres erreicht der Brucker Sender durchschnittlich 23 000 Hörer pro Stunde zwischen 6 Uhr morgens und 18 Uhr. Der Spitzenwert von 34 000 hatte Top FM zwischen 7 und 8 Uhr. Zum Vergleich: das Münchner Radio Charivari 95.5, der Sender, vom dem der neue Brucker Programmchef Markus Pürzer kommt, hat durchschnittlich 55 000 Hörer in der Stunde und damit den Spitzenplatz in der Münchner Radioszene. Das Brucker Radio versteht sich laut Geschäftsführer Kuchenreuther nicht als Konkurrent der Münchner Sender, weil Top FM "von draußen nach drinnen sendet". Dagegen sind die Münchner Lokalradios durchaus Mitbewerber, weil deren Frequenzen auch im Umland gut empfangbar sind. Die nächste Funkanalyse gibt es Mitte 2016. ecs

Denn Bands, die die Saiten ihrer Instrumente malträtieren, die Trommelfelle strapazieren und Lautsprecherboxen klirren lassen, werden von anderen Stationen nur noch wenig gespielt. Ausnahmen bestätigen diese Regel, aber auch wenn am Samstagnachmittag auf Bayern 3 mal eine Moderatorin AC/DC heulen lässt, bleibt es eine Ausnahme.

Deshalb sind sich die Brucker Radiomacher auch so sicher, dass sie eine stabile Hörerschaft behalten und die Abtrünnigen des staatlichen Rundfunks und die von Münchner Privatradios Enttäuschten dazu bekommen. Pürzers Vorstellungen von Rockmusik aus vier Jahrzehnten münden dabei keineswegs in einen Oldie-Einheitsbrei. "Wir haben uns um jeden Titel Gedanken gemacht", gibt der Mann, der zuvor bei Charivari 95.5 war, selbstsicher von sich. Auch wenn einer manchmal drei Mal vorkommt.

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