Für Selbstpflücker:Nicht weit vom Stamm

Grüne Äpfel aus Emmering, 2017

Äpfel pflücken kann man mancherorts auch ohne eigenen Garten.

(Foto: Johannes Simon)

Auf manchen Streuobstwiesen dürfen die Früchte von jedermann geerntet werden

Von Franziska Gerlach

Es war bei der Jugendbürgerversammlung in Ottobrunn, als drei Mädchen einen auf den ersten Blick recht ungewöhnlichen Wunsch äußerten. Die Schülerinnen wollten keinen Abenteuerspielplatz, keine Slacklines oder eine neue Eisdiele. Nein, sie wünschten sich schlicht: Obstbäume für ihren Ort, die sie eines Tages eigenhändig abernten können.

Ein zweiter Blick jedoch zeigt: So ungewöhnlich ist die Sache gar nicht. Der Antrag ist vielmehr recht bezeichnend für den modernen Großstädter. Der Zeitgeist interessiert sich wieder dafür, wo Fleisch, Eier oder eben Früchte herkommen. Am besten pflückt man Äpfel, Kirschen und Mirabellen eben selbst. Auf der Internetplattform "Mundraub" teilen Nutzer seit Jahren Fundorte und Wissen um Obstbäume und Sträucher, auch Kommunen können dort ihre Obstbäume auf einer Karte listen.

Einfach essen, was die Natur bereit stellt. Das ist in vielen öffentlichen Obstgärten ausdrücklich erlaubt. Leif Hecke, Mitglied im Vorstand der Münchner Kreisgruppe des Bund Naturschutz, bestätigt ein wachsendes Interesse daran. "Da geht es auch ums Gefühl", sagt er. Der Gartenbauingenieur ist Experte für Streuobstwiesen, regelmäßig hält er Vorträge. Gerade in einem Ballungsraum wie München suchten viele Leute ganz bewusst den Ausgleich, wollten barfuß durchs Gras laufen, Insekten beobachten, Äpfel pflücken und Beeren naschen - wie früher eben. Und obwohl es immer enger wird in der Stadt, fallen Dagmar Rümenapf, Sprecherin des Baureferats, spontan drei Beispiele ein, bei denen Streuobstwiesen oder Obstbäume mitgeplant wurden. Im Landschaftspark Riem, am neu gestalteten Josephsplatz in der Maxvorstadt, und auch der Siegerentwurf zum Landschaftspark Freiham Nord sieht Streuobstwiesen vor. Oft sind es Bürger, die bei der Planung neuer Wohngebiete auf Obstbäume oder -sträucher als Ausgleich pochen. "Und da wo es realisierbar ist, realisieren wir es", sagt Rümenapf.

Klar ist aber auch: Nach Belieben herbeizaubern können Städte und Kommunen den Platz für solche Streuobstwiesen nicht. Wo es geht, sollten sie nach Ansicht von Leif Hecke idealerweise vielfältig bepflanzt werden. "Bio-Diversität", lautet das Stichwort. Bei einem Streuobstgarten gehe es letztlich auch darum, alte Obstsorten wie etwa die Münchner Wasserbirne anzupflanzen. Im sogenannten "Obstgarten", einer rund 9000 Quadratmeter großen Fläche der Stadt Garching, wachsen Kirschen, Äpfel, Zwetschgen, Birnen und Quitten, fast 50 Bäume. "Da muss man schnell sein, um etwas abzubekommen", sagt Sandra Heigl vom Garchinger Umweltreferat. Auch auf der rund 3000 Quadratmeter großen Streuobstwiese in Straßlach, auf der die Ortsgruppe des Bundes Naturschutz seit 2001 insgesamt 32 Obstbäume pflegt, ist grundsätzlich jeder willkommen. "Wir wollen die Natur ja an den Menschen bringen, und das geht nur, wenn der auch reinkommen darf."

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