Frühlingsfest einst:Die Legende

Würges

Live im Bierzelt, 2005: Rock 'n' Roll-Bandleader Paul Würges.

(Foto: Günther Reger)

Warum Rock 'n' Roller Paul Würges in der Festhalle Bayernland fehlt

Von Franz Kotteder

Wie? Diesmal kein Montag auf dem Frühlingsfest, bei dem Paul Würges spielt? Was ist da schiefgelaufen? Einer der beiden Montage gehörte doch in der Festhalle Bayernland seit vielen Jahren der Rock 'n' Roll-Legende. Gut, die vergangenen Jahre sah man, wenn man von hinten im Zelt auf die Bühne blickte, auf ein Meer von silbernen Haaren, Rock 'n' Roller der ersten Stunde werden nicht jünger. Manche von ihnen waren aber noch flott unterwegs auf dem Tanzparkett rechts von der Bühne, und auch wenn ihr Held, der Gitarrist Paul Würges, inzwischen meist im Sitzen spielen musste, so bekam er für seinen "Black Boy Jacky" oder für "Paul's Boogie" doch immer noch tosenden Applaus.

Vorbei. Den altgedienten Rock 'n' Rollern bleibt in der Festhalle Bayernland nur noch das Augustiner-Bier, Paul Würges aber kann nicht mehr auftreten. "Es geht einfach gesundheitlich nicht mehr", sagt der 83-Jährige, "ich kann praktisch nicht mehr stehen und kaum noch sitzen, jetzt fährt mich meine Frau im Rollstuhl herum." In seiner Stimme hört man eine Mischung aus Verzweiflung und Galgenhumor. Die Ärzte vermuten eine Nervenerkrankung, sagt er, eine Ursache, die sich etwa durch eine Operation beheben ließe, fand sich nicht. "Ich sollte nicht jammern", sagt er dann, "ich bin ja jetzt auch schon 83 und habe ein schönes Leben gehabt."

Würges hat allerdings viel erlebt in seiner Karriere als Musiker. Aufgewachsen ist er in der Maikäfersiedlung in Berg am Laim, bei Kriegsende war er gerade 14 Jahre alt. Bei den Naturfreunden lernte er damals das Gitarrespielen, und neben seiner Malerlehre trat er schon mit 16, 17 zusammen mit zwei Spezln in den Münchner Ami-Clubs, wie die Nachtlokale für die GIs genannt wurden, unter dem Namen Bavarian Playboys auf. Hillbilly- und Countrynummern spielten sie, damit war gutes Geld verdient.

Es kam die Rock 'n' Roll-Ära, da war Paul Würges ganz vorne mit dabei. Er gründete die Moonglow Combo, aus der dann die Rocking Allstars wurden. Mit denen trat er bis zuletzt auf. "Der deutsche Bill Hailey" wurde er genannt, auch wenn sein Gitarrenspiel eher an Chuck Berry erinnerte. Bald hatte er unter Musikern einen hervorragenden Namen als bester deutscher E-Gitarrist, während in den bürgerlichen Kreisen Rock 'n' Roll noch als Tanzmusik für Geistesgestörte galt. Würges ging mit seiner Band auf Tournee in England und den USA, in die Schweiz, nach Österreich und Polen, er war ein Star, auch wenn in Deutschland Peter Kraus und Ted Herold die wirklich großen Hits hatten.

Würges spielte weiter Rock 'n' Roll, auch in Unterhaltungsfilmen der Fünfzigerjahre wie "Witwer mit fünf Töchtern" oder "Gruß und Kuss vom Tegernsee". Die gerade neu gegründete Ariola nahm ihn 1959 unter Vertrag, Paul Anka, Tony Sheridan und Chubby Checker engagierten ihn als Begleitmusiker, und mit seiner Band trat er viel live auf, Playback gab es für ihn nie. "Wir waren schon beliebt", sagt er nicht ohne Stolz, "wir haben immer volle Häuser gehabt." Zu den Olympischen Winterspielen 1964 gelang ihm in Innsbruck mit dem Titel "Olympic Nights" ein beachtlicher Live-Erfolg. Mitte der Sechzigerjahre kam dann die Beatmusik, Paul Würges eignete sich auch den neuen Stil an. Aber bekannt blieb er vor allem durch seine Spielart des deutschen Rock 'n' Roll. Sein letzter Auftritt auf dem Frühlingsfest war vor einem Jahr.

Und heute? "Ich hätte ganz gern noch einmal dort gespielt", sagt er und schnauft tief durch, "das ist ja mein Auskommen, mein Leben. Jetzt hoffe ich, dass es wenigstens wieder so wird, dass ich im Sitzen spielen kann. Ich werde ja wahnsinnig, ohne Musik!"

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: