Freizeitsport:Auf leichten Sohlen

Eine ungewöhnliche Staffel beim München-Marathon

Von Alexander Mühlbach

Herzklopfen, Gänsehaut, Siegerlächeln - das Motto des München-Marathons. Anatol Martschenko hatte die ersten beiden Dinge, das Siegerlächeln aber fehlte ihm. Vor ein paar Monaten konnte er noch nicht mal die Treppe hochlaufen, ohne außer Atem zu geraten. Und jetzt sollte er hier in einer Marathonstaffel starten und sieben Kilometer laufen? Unmöglich. Aber irgendwie passte es zu diesem Jahr, in dem Martschenko das schaffte, was vorher unmöglich schien: Gewicht verlieren, sehr viel Gewicht. 25 Kilogramm seit Jahresbeginn, von 110 Kilo ist er auf 85 runter. Wenn nicht jetzt in einer Staffel laufen, wann dann? Es ist genau die Einstellung, die viele Teilnehmer des Marathons an den Tag legen. Der Lauf in München ist auch ein Volkslauf für alle Gewichts- und Trainingsklassen. Allein die Altersspanne reicht von 15 (Tim Weilhammer) bis 79 Jahren (Roy Rubinstein aus den USA). Dabei sein, sich anstrengen, durchhalten - das genau auch ist die Einstellung, die das Krankenhaus Barmherzige Brüder bei den Teilnehmern seiner Abnehmgruppe hervorrufen möchten. Sich Ziele setzen, sich immer wieder zu überwinden. Deswegen haben die Organisatoren schon Anfang des Jahres mit ihrer Gruppe beschlossen, eine Marathonstaffel auf die Beine zu stellen. Damals, als Teilnehmer wie Martschenko sich niemals erträumt hätten, auch nur in die Nähe einer Laufveranstaltung zu kommen. "Ich hab das Laufen gehasst", sagt der 47-Jährige. Einmal die Woche hat er sich mit 15 anderen Teilnehmern in einer Gruppe getroffen. "Die Leute, die bei unserem ein Jahr andauernden Programm teilnehmen, haben Arthrose und einen Body-Mass-Index jenseits von 38", sagt Monika Bischoff. Schon ab einem Body-Mass-Index von 25 gilt man als übergewichtig.

Bischoff ist Ernährungsberaterin, aber bei Leuten mit so viel Übergewicht bringt selbst die beste Beratung nichts. Die Teilnehmer müssen ihr komplettes Essverhalten vergessen. Was nur geht, wenn sie statt fester Nahrung lediglich noch Pulver zu sich nehmen, das in Wasser aufgelöst wird - drei Monate lang. "In der Zeit wird der Magen kleiner, die Geschmacksknospen sensibilisieren sich und man verliert am meisten Gewicht", erklärt Bischoff. Danach aber, wird es schwierig. Die Teilnehmer werden nun wieder an das Essen gewöhnt und müssen lernen, ihr Gewicht zu halten. "Da kann es schon ab und an passieren, dass jemand in alte Muster zurückfällt", sagt Bischoff. Die Teilnehmer protokollieren deshalb jede Woche, was sie essen, und halten immer wieder Rücksprache mit den Ernährungsberatern. Sie bekommen auch einen persönlichen Trainingsplan: Walken durch den Park, Krafttraining mit dem eigenen Körpergewicht, sogar Lauftraining. "Das Programm ist hart, aber man muss sich darauf einlassen", sagt Martschenko kurz bevor der Startschuss fällt. Dann läuft er los, und plötzlich ist es doch da: das Siegerlächeln.

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