Longboarden:In München lässt es sich wunderbar gleiten

Longboarden: Auf dem Brett durch die City: Das Longboard als Fortbewegungsmittel ist in der Fußgängerzone nicht außergewöhnlich.

Auf dem Brett durch die City: Das Longboard als Fortbewegungsmittel ist in der Fußgängerzone nicht außergewöhnlich.

(Foto: Catherina Hess)

Viel glatter Asphalt, wenig Steigungen: Immer mehr Münchner nutzen ihr Longboard inzwischen nicht bloß als Sportgerät, sondern um schneller zum Bus oder in den Biergarten zu kommen.

Von Philipp von Nathusius

Die Straßenreinigung hat die letzten Rollsplittreste längst vom Asphalt gefegt. Es regnet zu oft, aber Sommer ist es trotzdem: Longboardzeit. Sie sind wieder da, Männer und Frauen auf rollenden Brettern, diesen, zumindest für das Laien-Auge, etwas aus der Art geschlagenen Skateboards. Im Stadtbild verursachen sie inzwischen so wenig Erstaunen wie die konzentrisch ums Hofbräuhaus kreisenden Touristen-Segway-Gruppen.

Für München gilt: Das Longboard hat sich eingereiht in den städtischen Mobilitäts-Mix. Es lässt sich gut kombinieren mit der Nutzung von Bus und Bahn. Oder es bringt den Longboarder schneller als zu Fuß zum weit weg von der eigenen Haustür abgestellten Auto.

Weiche Rollen, ausreichend Platz für einen sicheren Stand und ein langer Achsabstand sorgen für verzeihende Fahreigenschaften. So bietet sich das Longboard nicht bloß als Sportgerät, sondern zur temporeichen Fortbewegung im Alltag an. Ins Büro, in die Uni, zum Brötchenholen oder um in den Biergarten zu kommen.

Und München eignet sich besonders gut, um auf vier Rollen von A nach B zu gelangen - eine Brise Asphalt-Aloha inklusive. Auf geeigneten Strecken im Stadtgebiet lassen sich Durchschnittsgeschwindigkeiten von 20 Stundenkilometern erreichen, bergab noch mehr. Angeschoben wird mit einem Fuß, in der Regel dem hinteren. Pushen nennte sich diese Technik.

Beim kraftraubenden Pumpen hingegen, wird das Board durch rhythmische Hüft-, Knie- und Fußgelenksbewegungen angetrieben. Das elegante beim Pumpen: Selbst auf flachem Terrain muss dafür kein Fuß vom Brett genommen werden. Dass mit dem Longboard für Trainierte auch längere Distanzen gut zu bewältigen sind, hat erst kürzlich der Augsburger Florian Michl eindrucksvoll bewiesen. Erst fuhr er in 58 Tagen auf dem Longboard von seiner Heimatstadt bis nach Istanbul, dann rollte er 3500 Kilometer von Vietnam bis nach Singapur, mitsamt Lastenanhänger.

Glatter Belag, gute Infrastruktur

Zurück zu denen, die per Longboard auf heimischen Straßen unterwegs sind. Die meisten planen ihre Routen anhand eines ganz eigenen Verkehrswegeplans. Im Gedächtnis verzeichnet: Wo sind die Bordsteine so abgeflacht, dass die Rollen nicht bei der Auffahrt hängen bleiben? Wo erschweren verdreckte Baustellenausfahrten das Fortkommen? Wo gilt es um Kopfsteinpflasterstraßen einen Bogen zu machen, bevor das Brett unter den Füßen unsanft zu zucken beginnt? Also: Wo ist der Straßenbelag stattdessen besonders ebenmäßig? Wer solch einen Plan noch nicht im Kopf hat, dem hilft diese Webseite weiter.

München bietet einige solcher Longboarder-Sehnsuchtsorte: Glatter Straßenbelag, dicht gesetztes Betonsteinpflaster, auf dass die Polyurethan-Rollen fast widerstandslos nur so dahinschnurren. Am Isarradweg in Untergiesing, auf dem Max-Joseph-Platz, die Gebsattelstraße runter in die Au oder auf der Theresienwiese, um nur einige beliebte Spots zu nennen. Letztere bietet sich besonders gut zum Üben an - zumindest, wenn nicht gerade Wiesn ist.

Die Stadt ist flach, das Brett rollt

Dazu kommt: Löchrige Bürgersteige und schlechte Straßen sind in der Landeshauptstadt eher die Ausnahme denn die Regel. Das reduziert das Sturzrisiko, macht die Streckenwahl variabel. Angelehnt an Gerhard Polt würden Rollbrett-Enthusiasten es wohl so formulieren: "Was man liebt, das betoniert man, wenn schon, dann sorgfältig."

Florian Riedl ist so ein Enthusiast, der erste Vorsitzende von Longboard München e. V. Anfang des Jahres hat er den Verein mit Freunden gegründet. Auch um die Belange von Alltags-Longboardern zu vertreten, wie er sagt. Riedl schätzt die Zahl der Münchner, die regelmäßig aufs Longboard steigen, auf 2000 bis 2500. "Der Großteil der Leute cruist mit dem Brett hauptsächlich durch die Stadt", sagt Riedl, "als Casual Skater." Auch eine Facebook-Gruppe "Longboard München" gibt es, sie hat mehr als 3000 Mitglieder.

"München ist perfekt geeignet zum entspannten Cruisen, weil die Stadt relativ flach ist", sagt auch Andreas Gniadek. Der Inhaber des Skate-Ladens "Boneless" in der Herzogspitalstraße fährt selbst am liebsten Downhill-Rennen, 2010 hat er im Bayerischen Wald die Weltmeisterschaft mitorganisiert. Er und seine Frau Vroni führen 200 Bretter von 30 verschiedenen Herstellern im Shop. Für alle Disziplinen, Geschmäcker, Fähigkeiten. Die Münchner Topografie, so Gniadek, komme vor allem jenen zugute, die auch ohne Protektorenvollmontur einigermaßen gefahrlos aufs Brett steigen wollen.

Wo das juristisch einwandfrei möglich ist, vielmehr, wo es nicht erlaubt ist, das regelt die Straßenverkehrsordnung. Eigentlich. Paragraf 24 subsumiert unter "Besondere Fortbewegungsmittel" Schlitten, Kinderwägen und eben auch Longboards. Sie dürfen somit ausschließlich auf den Gehwegen gefahren, Fußgänger nur im Schritttempo überholt werden. Radweg und Straße sind tabu.

Doch dass die Realität anders aussieht, weiß auch die Polizei. "Wir wollen keine Spielverderber sein", heißt es beim Münchner Präsidium. "In Sachen Longboard sind wir bisher sehr entspannt", sagt Sprecher Peter Beck. "Wir appellieren einfach an die Leute, dass sie das Hirn einschalten. Und wer meint, auf der Leopoldstraße mit dem Brett unterwegs sein zu müssen, wird sowieso schnell runtergehupt."

Kaum Unfälle mit den Boardern

Den Longboardern freilich ist das recht so. Beschwerden aus der Szene über kleinkarierte Paragrafenreiterei bleiben aus. Und die Statistik gibt der Polizei recht. Verkehrsunfälle, die durch Longboarder verursacht wurden, gibt es kaum, heißt es. Ab und zu beschwerten sich Fußgänger über Longboarder auf den Gehwegen, mehr nicht. Nur in einem wird Polizeisprecher Beck deutlich: "Schutzausrüstung tragen, bitte schön."

Longboards gibt es inzwischen selbst in Spielwarengeschäften zu kaufen. Sie sind ein Kassenerfolg. Dass trotz des anhaltenden Booms bisher so wenig Unfälle in München passiert sind, freut Boneless-Chef Gniadek. Es wundert ihn aber auch. "Gerade in den letzten beiden Jahren hat es einen echten Hype ums Longboarden gegeben", so Gniadek. Plötzlich seien Kunden im Laden gestanden, die deutlich unter zehn Jahre alt waren. Eigentlich sei seine Klientel eher 25 Jahre und aufwärts. Sein ältester Stammkunde, ein Architekt im Ruhestand, sei sogar über 80 Jahre alt. Gniadek: "Der ist immer noch regelmäßig auf dem Brett unterwegs."

Kleines Glossar

Deck = Brett

Griptape = rauher, rutschfester Belag der Trittfläche

Trucks = Achsen

Wheels = Rollen

Nose = hochgebogenes Vorderteil des Decks

Tail = hochgebogenes Ende des Decks

Pushen = Anschieben mit dem Fuß

Pumpen = Schwung nehmen durch Rotation des Körpers

Carven = Kurven fahren durch Schwerpunktverlagerung des Körpergewichts

Sliden = Rutschen auf vier Rollen, quer zur Fahrtrichtung

stz

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