Freiwilliger Dienst:Polizei entfernt "Reichsbürger" aus der Sicherheitswacht

Sicherheitswacht in München Neuperlach, 2015

Etwa zwei Drittel der Bewerber für die Sicherheitswacht werden schon im Vorfeld abgelehnt.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Die Polizei München hat einen Sympathisanten der "Reichsbürgerbewegung" aus der Sicherheitswacht entfernt.
  • Dabei handele es sich nach Polizeiangaben um einen Einzelfall. Bewerber werden schon im Vorfeld überprüft.

Von Martin Bernstein

Weil er im Dienst für seine rechtsextreme Gesinnung geworben hat, hat sich die Münchner Polizei von einem Angehörigen der ehrenamtlichen Sicherheitswacht getrennt. Ein Sprecher des Präsidiums bestätigte den Vorfall, der sich bereits im November ereignete. Der Mann, der seit August 2015 im Bereich der Polizeiinspektion Olympiapark ehrenamtlich auf Streife ging, sympathisiert mit der so genannten "Reichsbürgerbewegung".

Die "Reichsbürger" lehnen die Bundesrepublik und ihre Institutionen ab. Teile der Bewegung werden deshalb vom Verfassungsschutz beobachtet. Der Mann leistete trotzdem freiwillig und ehrenamtlich Dienst als Bürgerpolizist - das könnte darauf hindeuten, dass er hoffte, im Kreis seiner Sicherheitswacht-Kollegen Gleichgesinnte zu finden. Jedenfalls verbreitete er unter ihnen das Musikvideo eines Propaganda-Sängers der Reichsbürgerbewegung. Eine Kollegin meldete das dem Dienststellenleiter. Das Polizeipräsidium reagierte sofort und entfernte den Mann aus der Sicherheitswacht. Er hatte bis dahin etwa 30 Einsatzstunden geleistet.

Für Polizeisprecher Sven Müller ist das zum Glück ein Einzelfall. Bisher seien vier Mitarbeiter der Sicherheitswacht vom Dienst entpflichtet worden - der Fall vom November sei "der einzig wirklich problematische Ausreißer" gewesen. Die anderen drei Fälle hätten im persönlichen Bereich gelegen und keinen rechten Hintergrund gehabt. Der Polizeisprecher verweist darauf, dass alle Bewerber für den ehrenamtlichen Dienst auf Herz und Nieren überprüft würden. Insbesondere auch darauf, ob gegen sie staatsschutzrechtlich Relevantes vorliegt. Das Ergebnis der Prüfung: Rund zwei Drittel der Bewerber würden bereits im Vorfeld abgelehnt.

Doch derartige Zweifel hat der Bewerber für den Streifendienst im Olympiapark offenbar vor seiner Verpflichtung nicht aufkommen lassen. Die Reichsbürgerbewegung, mit der er sympathisiert, macht indes sowohl den Sicherheitsbehörden wie auch Gerichten und Finanzämtern zunehmend Sorgen. Im Internet gibt die Staatsregierung sogar Handreichungen, wie Behörden mit scheinbar offiziellen Schriftstücken selbsternannter "Reichsregierungen" umgehen sollen. Dachauer Finanzbeamte beispielsweise wurden mit solchen Schreiben bereits traktiert.

Und Münchens Amtsgerichtspräsident Reinhard Nemetz sagte im April in einem Interview: "Unsere Gerichtsvollzieher haben regelrecht Angst." 37 Münchner Gerichtsvollzieher wurden demnach in den Monaten zuvor bedroht. Bei Hausbesuchen bekämen sie nun Polizeischutz. In einer Antwort auf eine Anfrage der Münchner Landtagsabgeordneten Katharina Schulze (Grüne) weist das bayerische Innenministerium in diesem Zusammenhang auch auf die so genannte "Malta-Masche" hin.

Dabei stellen von Vollstreckungsmaßnahmen betroffene Reichsbürger erfundene "Schadensersatzforderungen" an die Bediensteten der Justizbehörden und lassen diese in ein Schuldenregister in den USA eintragen. Anschließend treten sie die Forderung an ein Inkasso-Unternehmen in Malta ab.

Im Zweifel gegen den Bewerber

Derzeit gehen in Stadt und Landkreis München 34 Bürger für die Sicherheitswacht ehrenamtlich auf Streife und melden der Polizei in deren Auftrag Vorfälle. Hoheitliche Funktion haben die Freiwilligen nicht. Die Ausbildung dauert 40 Stunden. Kritiker monieren immer wieder, die Sicherheitswacht könnte gerade für Menschen mit Law-and-Order-Mentalität und rechter Gesinnung attraktiv sein. Tatsächlich gibt es Beobachtungen, dass manche Sicherheitswacht-Mitarbeiter sich in der Rolle eines Hilfssheriffs gefallen. Andere dagegen sehen ihren Dienst eher als eine Form der Sozialarbeit. Laut Sicherheitswachtgesetz müssen die Ehrenamtlichen die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinn des Grundgesetzes und der Verfassung eintreten. Das geschieht zum einen durch einen Abgleich mit den polizeilichen Informationssystemen, zum anderen in einem Vorstellungsgespräch. Dort müssen die Kandidaten unter anderem die Beweggründe für die Bewerbung und ihre Einstellung zur öffentlichen Sicherheit und zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung darlegen. "Soweit Zweifel an der Eignung des Bewerbers bestehen, wird die Bewerbung zurückgewiesen", betont das Münchner Polizeipräsidium. bm

In Bayern sind oder waren, auch das geht aus der Antwort auf die Schulze-Anfrage hervor, mehrere Reichsbürger-Gruppierungen aktiv. Genannt werden nach Recherchen des Landeskriminalamts die Germaniten, die Kommissarische Reichsregierung (KRR, zuletzt 2013 aktiv), die Neue Gemeinschaft von Philosophen (zuletzt 2012), die Republik Freies Deutschland (RFD), die Heimatgesellschaft Gemeinde Chiemgau, das Amt Deutscher Heimatbund, das Deutsche Polizei Hilfswerk (DPHW, löste sich 2013 auf) und die Volksbewegung dem deutschen Volke (zuletzt 2012).

Die rechtsextremistische Gruppierung Exil-Regierung Deutsches Reich, die Kontakte zur NPD hält und sowohl antisemitisch wie flüchtlingsfeindlich agitiert, wird als einzige Gruppierung vom Verfassungsschutz beobachtet. Nach Angaben der Behörde hat die Gruppierung am 5. März in Landsberg am Lech und am 10. April in Tännesberg (Oberpfalz) Veranstaltungen mit jeweils bis zu 30 Teilnehmern abgehalten. Im Großraum München soll es in den vergangenen drei Jahren sechs derartige Treffen gegeben haben, brüstet sich die selbst ernannte Exilregierung. Der Verfassungsschutz kann das jedoch nicht bestätigen.

Die Exilregierung bietet vorgefertigte Beschwerde- und Widerspruchsschreiben zum Download an und erzielt laut bayerischem Verfassungsschutz ihre Einnahmen vor allem durch den Verkauf von "Reichsdokumenten". Für einen wertlosen Ausweis ihres fiktiven Deutschen Reichs knöpft die Exilregierung ihren Anhängern bis zu 100 Euro ab.

Mit solchen Fake-Ausweisen versuchten jüngst drei Reichsbürger am Münchner Flughafen auszureisen. Ihr Ziel: Verwirrung stiften und amtliche Maßnahmen provozieren, die sich dann im Internet ausschlachten lassen. Wie am 20. Januar, als Reichsbürger eine Gerichtsverhandlung in Kaufbeuren sprengten und Akten klauten - und den Vorfall im März auf der Internet-Plattform Youtube veröffentlichten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: