Zwei Jagdverbände in Konkurrenz:Hege und Fehde

Der traditionsreiche Jagdverband und die vergleichsweise junge Konkurrenz im Ökologischen Jagdverein sind sich nicht grün. Dies zeigt sich auch im unterschiedlichen Umgang mit Trophäen

interview Von Eva Zimmerhof, Freising

Es ist eine jahrzehntealte Fehde. Die Mitglieder des alteingesessenen Jagdvereins und des Ökologischen Jagdvereins (ÖJV) finden keine gute Worte füreinander, handelt es sich doch um ein Duell zwischen einer vergleichsweise neuen Überzeugung und der Tradition. Doch wie sehr unterscheiden sich die Ansichten der Jäger in Bezug auf das natürliche Gleichgewicht, die Trophäen an der Wand und den Wolf in Deutschland? Erwin Hussendörfer, Vorsitzender der ÖJV-Regionalgruppe Oberbayern Nord, und Walter Bott, Vorsitzender des Jagdschutz- und Jägervereins Freising Stadt und Land, die eins ist mit der Kreisgruppe des Bayerischen Jagdverbandes (BJV), nehmen dazu im Gespräch mit der SZ Stellung.

Was ist Ihre Philosophie beim Jagen?

Hussendörfer: Meine Philosophie ist es, den Wald und Lebensräume in Feld und Flur als Ökosystem im Auge zu haben und den Blickwinkel darauf zu legen, wie sich die Lebensräume ganzheitlich entwickeln. Wenn die Schalenwildbestände, in der Region sind das Reh- und Schwarzwild, nicht mehr im Einklang mit ihrem natürlichen Lebensraum stehen, muss man eingreifen. Und ich esse gerne Wild. Aber ich schieße nur auf Tiere, die ich auch nutzen kann. Wir haben eine Verantwortung vor der Schöpfung, die wir ernst nehmen.

Bott: In erster Linie tut man das aus Liebe zur Natur und zum Wild. Das Töten eines Tieres ist eine normale Sache. Man gewinnt ein Lebensmittel und das ist nicht das schlechteste. Ein Wildtier hat artgerecht gelebt, ohne Massentierhaltung, ohne Antibiotika und es hatte keinen Stress auf dem Weg in den Schlachthof.

Seit wann gibt es Ihre Art der Jagd?

Hussendörfer: Den Ansatz des ökologischen Blickwinkels hat es eigentlich schon immer gegeben. Seit 26 Jahren ist er im Verband des ÖJV organisiert.

Rehbock, 2007

Größere Raubtiere, die Rehen gefährlich werden könnten, gibt es in Deutschland kaum noch, deshalb müssen die Jäger den Bestand regulieren.

(Foto: privat)

Bott: Das ist das älteste Handwerk des Menschen. Ohne die Jagd hätte er in der Frühzeit gar nicht überlebt.

Glauben Sie daran, dass Jäger Gleichgewicht in der Natur herstellen können?

Hussendörfer: Ein natürliches Gleichgewicht werden wir mit der Jagd allein nicht erreichen, aber angepasste Wildbestände. Luchs, Bär und Wolf könnten ein Gleichgewicht herstellen. Allerdings haben wir stark veränderte Umweltbedingungen, wie etwa die Zerschneidung der Landschaft durch Straßen oder die großen Maisfelder. Es ist Wahnsinn, wie sich die Landwirtschaft in den letzten zehn Jahren verändert hat. Doch wir dürfen die Tiere nicht unterschätzen, die ändern ihr Verhalten selbst.

Bott: Der Jäger kann in der vom Menschen geprägten Kulturlandschaft keine natürlichen Verhältnisse mehr schaffen. Aber er kann einen Beitrag zum Natur- und Artenschutz leisten - und zur Vermeidung von Schäden oder der Ausbreitung von Krankheiten, die Wild- und Haustieren und mitunter dem Menschen gefährlich werden können.

Der Wolf soll in einigen Jahren ganz Deutschland besiedeln. Freut Sie das?

Hussendörfer: Wenn man an Rotkäppchen denkt, könnte man beim Wolf schnell ein beklemmendes Gefühl bekommen. Ich freue mich schon. Aber ich hoffe, dass er hier den passenden Lebensraum findet.

Bott: Das wird er nicht schaffen. In Deutschland gibt es Gegenden, da findet der Wolf geeigneten Lebensraum. In unserem Ballungsraum sieht es anders aus. Die größte Gefahr für ihn ist der Straßenverkehr. Hier ist er bislang nur auf dem Durchzug, wie kürzlich der Wolf, der im Landkreis Erding gesehen wurde.

Wie steht es um die Flora und Fauna im Landkreis?

Hussendörfer: Im Landkreis haben wir einen geringen Waldbestand, aber viele Feldräume, die Rehe nutzen. Ich sehe hier einen Unterschied zwischen Staatswald, wo die Weichen schon auf eine natürliche Baumartenzusammensetzung gestellt sind, und Privatwald. Dort dominieren Fichtenwälder, die für das Rehwild nicht der optimale Lebensraum sind.

Zwei Jagdverbände in Konkurrenz: Erwin Hussendörfer (50) wurde als einer der Ersten Mitglied des ÖJV. Der Professor für Waldbau lehrt an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf.

Erwin Hussendörfer (50) wurde als einer der Ersten Mitglied des ÖJV. Der Professor für Waldbau lehrt an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf.

(Foto: privat)

Bott: Wir sind ein landwirtschaftlich intensiv genutzter Landkreis mit nur 18 Prozent Waldanteil. Aus dem Blickwinkel des Landwirts sagt man, das passt. Aus Sicht der Wildtiere passt es nicht immer. Die intensive Bewirtschaftung nimmt den Wildtieren Lebensraum. Die Feldlerche, ein typischer Singvogel, gibt es immer weniger, genauso den Kiebitz und den großen Brachvogel im Freisinger Moos oder das Rebhuhn, um Beispiele zu nennen.

Welche Tiere schießen Sie?

Hussendörfer: Für den ÖJV stehen die Tierarten im Vordergrund, die wir anpassen müssen, und die, welche man nutzen kann. Dazu gehören das Rehwild und das Schwarzwild, das in den letzten Jahren ohne Ende zunimmt. Rabenvögel, Füchse, Marder oder Habichte schießen wir nicht. Obwohl sie keinen Schaden anrichten, werden diese Tiere von anderen immer noch bejagt.

Bott: In erster Linie erlege ich Rehwild, danach Schwarzwild und wenig Rotwild. Ab und zu, wenn es der Bestand zulässt, erlege ich auch Hasen, Fasane und Stockenten in geringen Stückzahlen. Zum Schutz des Niederwildes auch Füchse, Marder und Dachse.

Worin liegen die größten Unterschiede zwischen der ökologischen und der konventionellen Jagd?

Hussendörfer: Der Hauptunterschied ist, dass bei der konventionellen Jagd meist die Trophäen im Vordergrund stehen. In Bayern haben wir die Pflicht der Trophäenschau, die die jeweiligen Hegeringe im Landkreis organisieren. Dabei werden Trophäen mit Medaillen prämiert. Wir müssen daran teilnehmen, doch uns geht es nicht darum, einen imposanten Rehbock zu schießen. Ich brauche diese Trophäen nicht. Ich möchte, dass der Wildbestand angepasst ist und ich will das Fleisch haben.

Zwei Jagdverbände in Konkurrenz: Walter Bott (64) "träumte als kleiner Junge davon, Förster zu werden", legte aber stattdessen die Jägerprüfung ab. Er hat 39 Jahre Jagderfahrung.

Walter Bott (64) "träumte als kleiner Junge davon, Förster zu werden", legte aber stattdessen die Jägerprüfung ab. Er hat 39 Jahre Jagderfahrung.

(Foto: Marco Einfeldt)

Bott: Den konventionellen Jägern sind der Wert und die Bedeutung der Hege sehr wichtig und sie setzen sich dafür ein. Die sogenannten Öko-Jäger betreiben Hege nur mit der Büchse. Ihnen geht es hauptsächlich um die Reduzierung der Schalenwildbestände, weil für sie gar nicht ökologische, sondern ökonomische, forstwirtschaftliche Belange im Vordergrund stehen. Wenn man Verbiss ganz verhindern will, müsste man die Pflanzenfresser ausrotten.

Wie sieht Ihre Trophäensammlung aus?

Hussendörfer: "Meinen Sie meine Gefriertruhe? Ich jage viel im Wald und dabei ist die Ansage klar: Zahl vor Wahl. Was Trophäen angeht, bin ich emotionslos. Ich habe auch keine an der Wand hängen. Zur Trophäenschau bin ich verpflichtet, aber vielleicht schaffen wir es in Bayern ja auch mal, sie wie in den anderen Bundesländern abzuschaffen. Wildbiologisch und ökologisch hat es nämlich überhaupt keine Aussagekraft, wie schwer das Geweih ist, das ein Rehbock auf dem Kopf hat.

Bott: Die meisten Jäger hängen sich die Trophäen vom männlichen Rehwild auf. Ich habe einen Raum, da hängen die an der Wand. Mir ist es nicht wichtig, ob das Geweih groß oder klein ist - es ist ein Erinnerungsstück. Man hört immer von Trophäenjägern, denen es nicht groß genug sein kann, aber für mich ist das nachrangig.

Wie viele Mitglieder hat Ihr Verein in Bayern und im Landkreis, wie ist die Tendenz?

Hussendörfer: In Bayern hat der ÖJV über 700 Mitglieder, in der Regionalgruppe sind es derzeit 80. Die Tendenz in beiden Fällen: Die Mitgliederzahl steigt!

Bott: In Bayern gibt es rund 46 000 Mitglieder im BJV, im Landkreis sind es 696. Die Tendenz ist stabil. Wenn man die 700 als magische Grenze sieht, sind wir seit Jahren knapp drunter. Was sich geändert hat ist, dass heutzutage 20 bis 25 Prozent der Kandidaten bei der Jägerprüfung weiblich sind. Früher waren Jägerinnen etwas Exotisches.

Den Ökologischen Jagdverein (ÖJV) gründete der Münchener Professor für Waldpolitik Richard Blochmann 1988 im dortigen Hofbräuhaus. Doch handelte es sich dabei nicht um eine Bierlaune: Das erklärte Ziel "Wald vor Wild" führte von Anfang an zu heftigen Auseinandersetzungen mit den konventionellen Jägern, die sich bereits seit dem 19. Jahrhundert in Vereinen organisieren. "Vor allem dass der Verein die zu hohen Schalenwildbestände kritisierte, passte ihnen nicht", so Wolfgang Kornder, Vorsitzender des ÖJV Bayern. "Denn wenn wir die Bestände reduzieren, wird es für die Jäger aufwendiger zu jagen. Dann ist nicht mehr bei jedem Ansitz Wild zu sehen, sondern nur noch bei jedem zweiten oder dritten." Seit 2005 ist der Grundsatz "Wald vor Wild" im Waldgesetz für Bayern verankert.

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