Zum 35. Bestehen:Lesen ist wie Brot, das man zum Leben braucht

Irmgard Koch

Irmgard Koch mit einem druckfrischen Programm des Literarischen Herbsts, der in diesem Jahr bereits zum 35. Mal in Freising stattfindet.

(Foto: Lukas Barth)

Irmgard Koch, die Vorsitzende des Vereins Modern Studio und Mitorganisatorin des Literarischen Herbsts, spricht über ihre Leidenschaft für Bücher. Besonders liegt ihr die Leseförderung bei Kindern und Jugendlichen am Herzen

Von Gudrun Regelein, Freising

Mit einem druckfrischen Exemplar des Programms des Literarischen Herbsts in Freising kommt Irmgard Koch zu dem Gespräch. Koch, die Erste Vorsitzende des Vereins Modern Studio Freising, ist mit ihrer Vorstandspartnerin Helma Dietz erst vor ein paar Tagen mit einer Fülle von Eindrücken von der Frankfurter Buchmesse nach Hause gekommen. Dort holen sie sich immer Inspirationen für den Literarischen Herbst, nehmen Kontakte zu Autoren und Verlegern auf, erzählt Koch. Der Literarische Herbst, der vom Modern Studio bereits zum 35. Mal organisiert wird, bietet vom 10. November bis 5. Dezember eine Fülle von Lesungen, ein Kindertheater, die Veranstaltung "Weiter im Text", bei der jugendliche Autoren aus ihren noch unveröffentlichten Texten lesen und eine Ausstellung des Illustrators Dirk Steinhöfel (weitere Informationen zum Programm unter www.modern-studio.de). Im Gespräch mit der SZ Freising erzählt Irmgard Koch von ihrer Liebe zu den Büchern - und weshalb sie diese für so elementar wichtig hält.

SZ: Frau Koch, was lesen Sie gerade?

"Pirasol" von Susan Kreller. Das ist eine sehr intellektuelle Jugendbuchautorin. "Pirasol" ist das erste Buch, das sie für Erwachsene geschrieben hat. Es handelt von zwei alte Damen, die in der Papierfabrikantenvilla Pirasol leben.

Ein Leben ohne Bücher ist für Sie nicht vorstellbar?

Nein, das ist es für mich tatsächlich nicht. Lesen erweitert die Perspektive: Man liest ja das, was andere denken und setzt sich geistig damit auseinander.

Ist Ihnen deshalb auch - gerade im Smartphone-Zeitalter - die Leseförderung bei den Kindern und Jugendlichen so wichtig?

Es gibt immer nur einen bestimmten Prozentsatz Kinder, die zum Lesen Lust haben, egal in welchem Zeitalter. Da hat sich auch heute nicht viel daran verändert, nur dass es früher eben andere Ersatzbeschäftigungen als das Smartphone heute gab. Man kann Kinder nur zum Lesen verlocken, aber nicht hineindrängen.

Wie schafft man das?

Indem man die eigene Leidenschaft zum Lesen auf sie überträgt. Ich habe meinen drei inzwischen erwachsenen Kindern von klein auf bis weit ins Schulalter vorgelesen - das ist eine sehr schöne Form der Kommunikation. In der Taschengeld-Zeit mussten meine Töchter beispielsweise ihre Schminksachen selber bezahlen, die Bücher aber haben sie immer von mir bekommen. Lesen ist für mich kein Luxus, sondern wie Brot, das man zum Leben braucht.

Organisieren Sie deshalb auch Lesungen in Schulen?

Ja, das ist ein wichtiger Pfeiler unserer Arbeit. Denn dort erreicht man die Kinder und Jugendlichen. Wir haben früher auch nachmittags Veranstaltungen angeboten, aber damals ist niemand gekommen. Im Unterricht aber macht es den Schülern Freude - wenn eine Lesung spannend und interessant ist, gefällt es ihnen und motiviert sie, selbst Bücher zu lesen.

Wie werden Kinder zu leidenschaftlichen Lesern?

Indem man den Vorgang des Lesen lernens vom Bücher lesen abkoppelt. Als Sechs- oder Siebenjähriger ist man geistig, aber nicht in der Lesetechnik, schon weit - das heißt, man muss Kindern Texte bieten, die sie geistig und emotional beschäftigen. Sonst verlieren sie die Lust am Lesen. Interessante Texte und Bücher für Kinder und Jugendliche zu schreiben, ist sehr wichtig. Ich meine damit solche, die weg vom Mainstream sind. Conny-Bücher beispielsweise sind für mich ein Graus. Die werden zwar sehr gut verkauft, aber mir schlafen die Füße ein, wenn ich sie lese. Es gibt aber auch gute Literatur, wie die Harry-Potter-Bücher: In diesen steckt so viel Fantasie mit all dem Zauber und Hexen und sie sind gleichzeitig bei der Schilderung des Schulalltags so realistisch, dass sich die Kinder dort wiederfinden.

In diesem Jahr feiert der Literarische Herbst sein 35-jähriges Bestehen. Hat er sich als feste Größe im Freisinger Kulturleben etabliert?

Ja, ich denke schon. Das merken wir an den Ausstellungen, zu denen viele Besucher kommen. Bei den Lesungen könnten es allerdings noch mehr sein. Werbung für kulturelle Veranstaltungen in Freising zu machen, ist schwierig: Man darf nur an wenigen Plätzen plakatieren. Eigentlich sollte es eine Kultur-Litfaßsäule geben, auf der nur kulturelle Veranstaltungen in Freising angekündigt werden.

Der Literarische Herbst ist oft hochkarätig besetzt. Zumindest war er schon mehrmals Bühne für zukünftige Preisträger. Haben Sie ein Händchen dafür?

Wahrscheinlich (lacht). Wir, Helma Dietz und ich, suchen uns als Autoren die heraus, die uns als herausragend auffallen. Felicitas Hoppe beispielsweise war mit ihrem ersten Buch "Picknick der Friseure" bei uns. Später gewann sie den Büchner-Preis. Oder auch der Münchner Thomas Lang, der in der Szene ein bekannter Autor ist, las beim Literarischen Herbst aus seinem Manuskript. Genauso Harald Grill, Miriam Pressler, Herbert Achternbusch, Tankred Dorst und Ulrike Mayröcker, um nur einige namhafte Autoren zu nennen.

Die Literaturszene in Freising ist eine lebendige?

Ja, auch wenn es schwierig ist, finanzielle Unterstützung zu finden, das ist oft mühsam. Wir bekommen zwar glücklicherweise von der Stadt Freising einen finanziellen Grundstock, aber das langt nicht. Die Honorare steigen, ebenso die Reisekosten und die Nebenkosten. Helma Dietz kümmert sich um das Sponsoring, aber für Kultur ist zu wenig Geld übrig. Den Firmen sollte aber bewusst sein, dass nicht nur der Sport oder soziale Projekte wichtig sind - sondern auch die Kultur. Gerade heute in einer Gesellschaft, in der bedenkliche Ansätze sichtbar werden, einer Gesellschaft, die sich teilweise radikalisiert, die ausgrenzt. Dem muss man entgegensteuern - und dabei hilft die Kultur und die Literatur.

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