Zu wenig Personal:In der Zukunft wird es kritisch

Zu wenig Personal: Mehr Geld für das Personal fordert Carolin Dümer von der Caritas.

Mehr Geld für das Personal fordert Carolin Dümer von der Caritas.

(Foto: Marco Einfeldt)

Vertreter von Betreuungseinrichtungen warnen auch im Landkreis vor dem Pflegekräftemangel. Sie fordern eine bessere Bezahlung des Personals, die jüngste Anhebung des Mindestlohns auf 10,55 Euro reicht wohl nicht aus

Von Gudrun Regelein, Freising

In den kommenden 20 Jahren wird die Zahl der demenzkranken Menschen in Deutschland von heute etwa 1,7 Millionen um eine Million steigen. Die der Pflegebedürftigen wächst in gut zehn Jahren von jetzt 2,9 auf dann vier Millionen. Das sind Zahlen, die Gesundheitsminister Hermann Gröhe vor knapp zwei Wochen bei dem Pflegegipfel 2017 in Nürnberg genannt hat. Zahlen, die Carolin Dümer, Kreisgeschäftsführerin der Caritas Freising, zwar kennt - aber dennoch erschreckend findet. Gerade angesichts des Fachkräftemangels, den es schon heute gibt und der auch Thema beim Pflegegipfel war.

Die Caritas Freising suche seit langem händeringend nach Fachkräften, schildert Dümer: "Dauerausschreibungen laufen, aber der Markt ist leer." Deshalb sei es wichtig, die Kräfte, die man habe, auch zu behalten, betont sie. Beispielsweise durch ein gutes Arbeitsklima. Grundsätzlich wichtig aber sei, dass der Beruf endlich an Prestige gewinnen müsse. "Und die Bezahlung muss verbessert werden", fordert Dümer. Auch wenn der Mindestlohn für Pflegekräfte im kommenden Jahr ansteige - im Westen von derzeit 10,20 Euro auf 10,55 Euro und im Osten von 9,50 Euro auf 10,05 Euro: "Das Gehalt ist zu niedrig", sagt Dümer. Ein anderes Problem, das zu Nachwuchsproblemen führe, sei das veränderte Berufsbild: Eigentlich wollten die in der Pflege Tätigen doch mit Menschen zu tun haben, ihnen helfen - dafür fehle ihnen wegen einer von den Kassen geforderten Dokumentation und einer wachsenden Bürokratie zunehmend die Zeit, beklagt Carolin Dümer. Das ende häufig in Überforderung - und letztendlich in Resignation.

Vom Gesetzgeber gebe es bislang noch keinen "großen Wurf", um die Probleme in der Pflege zu bewältigen, kritisiert die Geschäftsführerin. Das neue Pflegestärkungsgesetz sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung - auch, da es nun mehr Leistungen ermögliche - aber es sei so komplex, dass die Mitarbeiter enorm viel Zeit in die Beratung investieren müssten, die dann wieder in der Pflege fehlt. Inzwischen müsse der Caritasverband den Bereich Pflege mitfinanzieren: "Lukrativ ist die Pflege nicht mehr, da wird einiges reingesteckt", sagt sie. Eigentlich sei das Ziel, auf die schwarze Null zu kommen. "Aber davon sind wir noch weit entfernt."

Auch die Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Freising ist derzeit auf der Suche nach Pflegepersonal. "Das Problem betrifft uns genauso", sagt Awo-Vorsitzende Heidi Kammler. Mindestens zwei neue Kräfte würde man brauchen, da langjährige Mitarbeiter in den Ruhestand gehen würden. Allerdings sei die Situation in der ambulanten Pflege grundsätzlich eine andere als in der stationären: Dort gebe es keinen Schichtdienst und Nachtdienste und man arbeite nicht unter einem so großen Zeitdruck "mit der Stoppuhr in der Hand".

Pflegekräfte rekrutieren aber könne man nicht, sagt Heidi Kammler. "Pflege: Das muss einem gegeben sein", sagt sie. Überlegungen, wie es sie schon einmal gab, als vorgeschlagen wurde, entlassene Schlecker-Mitarbeiterinnen unter anderem in der Pflege zu beschäftigen, seien absurd. Für sie ist die geringe Wertschätzung mit der Hauptgrund, das es ein so großes Nachwuchsproblem gibt, sagt Heidi Kammler. Eine Lösung könne sie zwar auch nicht bieten, aber vielleicht sei es ja ein Ansatz, junge und engagierte Praktikanten behutsam in die Pflege einzuführen. "Ihnen zu zeigen, wie wertvoll die Ausbildung ist - statt sie beim Putzen und Windelwechseln zu verheizen und abzuschrecken."

Für Hermann Weiß, Geschäftsführer der Heiliggeist Pflege in Freising, ist die derzeitige Personalsituation "äußerst schwierig" - sowohl stationär als auch ambulant. "Es ist sehr schwer, neue Mitarbeiter zu finden." Momentan könnten zwar alle Pflegebewohner in den zwei Heimen versorgt werden, die notwendige Zahl an Fachkräften habe man. "Aber wenn der Schlüssel - bei 100 Pflegebedürftigen sind das 50 Mitarbeiter, davon müssen die Hälfte Fachkräfte sein - nicht erfüllt wird, können keine neuen Bewohner mehr aufgenommen werden. Das hatten wir auch schon", berichtet er. Langfristig, so sagt Weiß, bestünde die Gefahr, dass die Wünsche hinsichtlich Pflegeleistungen von Bewohnern und deren Angehörigen nicht mehr erfüllt werden können. "In Zukunft wird es kritisch werden", sagt der Geschäftsführer. Spätestens dann, wenn auch eigentlich notwendige Leistungen nicht mehr möglich sind - weil dazu das Personal fehlt.

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