Zu viele Fehler:Pilotprojekt ist gescheitert

Attenkirchen will das vor 15 Jahren gestartete Experiment beenden und die Anlage für solare Nahwärme abschalten. Die Hausbesitzer im Wohngebiet "Sportgelände" sind verärgert - obwohl es von Anfang an große Probleme gab

Von Katharina Aurich, Attenkirchen

Seit bekannt ist, dass das Pilotprojekt "Solare Nahwärme" in Attenkirchen eingestellt werden soll, ist die Verärgerung bei den Betroffenen groß. Zwar sollen sie entschädigt werden, doch über die Höhe des Betrags hat der Gemeinderat bisher nur nicht öffentlich beraten. Die Betroffenen fürchten außerdem, dass sie nach dem Ende des Solarwärme-Projektes auf den Kosten für den Einbau einer neuen Heizung sitzen bleiben werden und überdies Lärm und Dreck bei den Bauarbeiten hinnehmen müssen. Die Attenkirchener Anlage verursacht wegen hoher Wartungs- und Stromkosten jährlich ein Defizit in fünfstelliger Höhe, das die Gemeinde nicht länger tragen will.

Mit viel Enthusiasmus hatten sich vor 15 Jahren angehende Hausbesitzer dazu entschlossen, sich an dem umweltfreundlichen Pilotprojekt "Solare Nahwärme" in Attenkirchen zu beteiligen. Sie erwarben ein Grundstück im Baugebiet "Sportgelände", bauten ein Niedrigenergiehaus und ließen ihre Gebäude an die gemeindeeigene Anlage zur Versorgung mit warmem Heizungs- und Brauchwasser anschließen. Doch die lief nicht zuverlässig. In den ersten Jahren habe es oft kein warmes Wasser gegeben und die Heizung sei kalt geblieben, bevorzugt an Feiertagen oder an Wochenenden, erinnert sich einer der ersten beiden Nutzer. Dafür stiegen die Kosten zuverlässig. Erst im Oktober hatten die Gemeinderäte wieder eine fünfprozentige Erhöhung beschlossen.

Bürgermeister Martin Bormann hat nun die Reißleine gezogen und in der Bürgerversammlung erklärt, die Anlage werde in absehbarer Zeit abgeschaltet, die Betroffenen würden entschädigt. Die Mehrheit der Bewohner wolle aber inzwischen die solare Nahwärmeversorgung behalten, so ein Betroffener. Inzwischen laufe sie besser und die Gemeindearbeiter seien sofort zur Stelle, wenn nur lauwarmes Wasser aus der Dusche komme.

Dabei hatte alles so positiv begonnen, erinnert sich der Schöpfer der Pilotanlage, der Physiker Manfred Reuß. Die damalige Bürgermeisterin Brigitte Niedermeier habe ihn angesprochen. Die Gemeinde plante in dem Neubaugebiet die Errichtung einer dezentralen Energieversorgung. Mit Sonnenenergie sollte ein überschaubares Gebiet mit 30 Häusern sowie das Tennis- und Sportheim mit warmem Brauch- und Heizungswasser versorgt werden. Reuß erstellte ein Konzept, und ein Ingenieurbüro plante die Anlage, gefördert wurde das Ganze vom Wirtschaftsministerium.

Da es sich um ein öffentliches Projekt handelte, mussten die günstigsten Bieter mit der Errichtung beauftragt werden. Das sei wohl der erste Fehler gewesen, vermutet ein Hausbesitzer. Die Mitarbeiter der Firma seien von weit her gekommen und hätten zum Beispiel die Anschlüsse für die Heizung vertauscht. Die Gewährleistungspflicht nutzte der Gemeinde später nichts, denn der Planer, die Regelungstechnikfirma und besagte Heizungsbauer hatten kurz nach dem Auftrag in Attenkirchen Insolvenz angemeldet. Laut Reuß wurden unter anderem zu viele Pumpen eingebaut, die störungsanfällig waren und enorm viel Strom verbrauchten.

Dazu kam, dass im neuen Baugebiet die Grundstücke nur sehr langsam bebaut wurden, man hatte für die Wirtschaftlichkeit der Anlage von Anfang an mit mehr Anschlussnehmern gerechnet. Da es sich um ein Pilotprojekt handelte, wäre zudem eine kontinuierliche fachliche Begleitung wichtig gewesen, um die Anfangsfehler auszumerzen, sagt Reuß. Aber dafür habe es dann keine staatlichen Zuschüsse mehr gegeben.

Er wolle nicht der Gemeinde den schwarzen Peter zuschieben, betont der Physiker. Eine kleine Kommune wie Attenkirchen habe gar nicht das Personal, um ein solches Projekt zu betreuen. In München laufe eine ähnliche Anlage am Ackermannbogen reibungslos, aber dort seien auch Techniker der Stadt im Einsatz. Inzwischen habe man aus den Anfangsfehlern gelernt und überall in Deutschland werde solare Nahwärme erzeugt, berichtet Reuß. Wenn man Geld in die Hand nehmen würde, könnte man das Ganze auf Vordermann bringen.

Die Einstellung der Anlage sei das einzig Vernünftige, sagt dagegen Eugen Altmann, Geschäftsstellenleiter der VG Zolling. Die Kommune müsse ihre Pflichtaufgaben erfüllen, dazu gehöre nicht die Subventionierung einer defizitären Anlage. Anfang 2018 werde man sich mit den betroffenen 22 Bürgern zusammen setzen und das weitere Vorgehen beraten.

Dabei werde es vor allem um die finanzielle Unterstützung für die Umrüstung der Niedrigenergiehäuser gehen, die alle eine andere Heizung benötigen. Die Anlage mit den Solarmodulen, dem Wärmespeicher und den Rohren solle aber nicht zerschlagen werden, vielleicht könne man sie noch für andere Zwecke nutzen, überlegt Altmann.

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