Wohnungen sind Mangelware:Kommilitonen im Hotel

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Der eklatante Mangel an günstigen Wohnungen in Freising macht den Studenten in Weihenstephan schwer zu schaffen.

Christian Gschwendtner

So hat sich Christian Wilhelm seinen ersten Uni-Tag nicht vorgestellt. Eigentlich lief für den angehenden Forstingenieur alles nach Plan: Ein begehrter Studienplatz an der Hochschule in Weihenstephan war da, ebenso ein WG-Zimmer in Freising. An der Türschwelle zu seiner neuen Studenten-Unterkunft kam dann alles anders. Die Mitbewohner in spe hatten das versprochene Zimmer spontan einem Bekannten zugeschanzt. Für den Stuttgarter begann Teil zwei der Wohnungs-Odyssee. Ausgang ungewiss. Aktueller Aufenthaltsort: Der Bayerische Hof in Freising. Dort zahlt er für eine Nacht 25 Euro.

Die meisten der 1200 neuen Erstsemester-Studenten in Weihenstephan können aus eigener Erfahrung von der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt berichten. Freisings zweiter Bürgermeister Rudolf Schwaiger (CSU) zeigte beim offiziellen Erstsemester-Empfang im Asamsaal auch Verständnis für die Probleme der Neuankömmlinge: "Wir wissen, gute und günstige Zimmer in Freising sind knapp." Nur hilft das nicht viel. Bei der Frage nach den Ursachen herrscht weitgehend Einigkeit: Der doppelte Abiturjahrgang, die Abschaffung des Wehr- und Zivildienstes - der Ansturm auf die Hochschulen und Universitäten war vorhersehbar.

"Das es so schlimm wird, hätte ich mir aber nicht träumen lassen. Seit Anfang August bin ich jetzt auf der Suche nach einer Wohnung", sagt Christian Wilhelm. In der Zwischenzeit musste sich der 23-Jährige nach einer Notunterkunft umsehen. Alle günstigen Pensionen waren ausgebucht. In den ersten zwei Wochen gewährte ihm die hilfsbereite Freundin einer Pensionsbetreiberin aus Thalhausen in ihrer Wohnung Unterschlupf. Sie selbst war da im Urlaub. Danach wollte sich Christian Wilhelm in einer Monteursunterkunft in Pulling einquartieren. Einen Platz hatte er zuvor reserviert. Die Behausung sei aber "unter aller Sau" gewesen, sagt er, und noch dazu überteuert, so dass der Stuttgarter im Hotel Bayerischer Hof landete. Stellt da eine wohlstandsverwöhnte Generation überzogene Ansprüche? War nicht für die Elterngeneration das Studium ohnehin ein Privileg, die Enge in muffigen WGs selbstverständlicher Bestandteil des akademischen Bildungsweges?

Aus Sicht der Freisinger Studenten ist dieser Vorwurf nicht gerechtfertigt. Auch Christian Wilhelm residiert nicht im Bayerischen Hof. Er bewohnt nur ein kleines Zimmer mit 13 Quadratmetern zu Sonderkonditionen. Ohne Studentenrabatt müsste er dafür 48 Euro pro Nacht auf den Tisch legen. Neben dem Studium wird die Wohnungssuche für ihn jedoch immer mehr zur Hauptaufgabe. "Ich durchforste alle zwei Stunden die Wohnungsbörsen im Internet, schaue nach neuen Anzeigen in der Zeitung oder spreche die Leute in Freising direkt an. Entmutigen lasse ich mich von dem ganzen Stress aber nicht. Ich habe richtig gute Kommilitonen an der Uni und das hier ist bestimmt nicht der einzige Stein, der einem im Leben in den Weg gelegt wird".

Etwas mehr Glück hatte Marie-Theres. Zunächst irrte auch sie auf dem Freisinger Wohnungsmarkt umher. Passende Angebote fand die 23-jährige Biotechnologin nur selten. Falls doch, hagelte es eine Absage oder ihre Bewerbungsmails wurden erst gar nicht beantwortet. Über Bekannte, etliche Umwege und segensreiche Zufälle konnte sie dann im Oktober das Zimmer einer Studentin zur Zwischenmiete übernehmen. Wenig später verhalfen ihr dieselben Kontakte zu einem kleinen Apartment. Vitamin B entfaltete auch bei der Wohnungssuche seine heilsame Wirkung - aber erst nachdem der Vormieter durch seine Prüfungen fiel und sich von dem Campus in Weihenstephan verabschieden musste.

Erleichtert und zufrieden fühlt sie sich jetzt, sagt Marie-Theres. Dass die neuen vier Wände renovierungsbedürftig sind und nicht ganz ihren Vorstellungen entsprechen, spielt keine Rolle. Der Misere auf dem Immobilienmarkt ist sie für das Erste entkommen. Ganz anders eine Mitstudentin: Auch sie landete in einem Hotel. Unter den Freisinger Studenten kursiert auf dem Campus eine weitere kuriose Geschichte. Einige Studenten sollen auf dem Parkplatz unterhalb der Brauerei Weihenstephan im Wohnwagen ihr Studentenquartier bezogen haben. In der Woche um Allerheiligen traf man sie dort nicht mehr an. Ob nun frostige Temperaturen die Studenten vertrieben oder aussichtsreiche Brückentage zum Fernbleiben einluden - der Handlungsbedarf bleibt bestehen.

"Es wird sich etwas bewegen" verspricht der städtische Hochschulreferent Heino Pause (Freie Wähler). Die Stadt verhandelt aktuell mit einem privaten Investor, der beabsichtigt, an der Angerstraße Studenten-Apartments zu bauen. Das Projekt befände sich aber in der "Planungsschleife", da erheblicher Klärungsbedarf bestehe. Bauvorhaben und Gesamtplanung sollen ein harmonisches Ganzes ergeben. In seiner jetzigen Form sei das Studentenwohnheim überdimensioniert. Die gegenwärtige Situation auf dem studentischen Wohnungsmarkt ist für Pause aber eine Ausnahmesituation: "Man darf nicht vergessen, schon in den nächsten Jahren werden sich aufgrund des demografischen Wandels weniger Studenten an den Hochschulen einschreiben. Natürlich sind wir uns aber völlig darüber einig, dass sich die Studenten momentan in einer schwierigen Situation befinden".

Dennoch, jedes neue Wohnheim ist dem Diktat der Wirtschaftlichkeit unterworfen. Als besonders schwierig gestaltet sich der Spagat zwischen Rendite-Interessen des Investors auf der einen Seite, und bezahlbaren Zimmern für die Studenten andererseits. In der Regel muss man deshalb 25 Jahre für die Amortisierung solcher Einrichtungen veranschlagen. Der Stadt sind auch durch die kommunale Aufsicht die Hände gebunden. Angesichts knapper Kassen dürfen in Frage kommende Grundstücke nicht unter Wert verkauft werden. Weit kann das Rathaus den Investoren also nicht entgegenkommen. Die Stadt sieht aber auch die Universitäten in der Pflicht, das heißt vor allem das Studentenwerk München. Im Vergleich zur eigenen Studentenzeit betont Heino Pause dann aber doch wieder das Problem der gestiegenen Ansprüche. Früher habe man in Wohngemeinschaften die Bücher gewälzt, heute seien Einzel-Appartements die Norm. Daran sei auch die geplante Umfunktionierung der verwaisten Freisinger General-von-Stein-Kaserne in ein Studentenwohnheim gescheitert.

Bis an einer anderen Stelle eine neue Studentenunterkunft entsteht, kann Franz Zeller aus Huglfing nicht warten - obwohl seine Geduld mehr als einmal auf die Probe gestellt wurde. So gleich am ersten Uni-Tag: Wegen einer Sperrung der A92 saß er auf dem Weg zur Auftaktveranstaltung seines Studienganges Brauwesen über drei Stunden im Auto. Eine einfache Fahrtzeit von zwei Stunden komme öfter vor. Schuld sei das starke Verkehrsaufkommen auf der Strecke durch München, die Umfahrung lohne sich trotzdem nur in seltensten Fällen.

Dem 22-Jährigen hat es erkennbar die Sprache verschlagen, angesichts des Mangels an Wohnraum in Freising: "Ich finde einfach nichts. Ab nächster Woche kann ich bis Dezember bei einem Freund in München schlafen, der glücklicherweise dort einen Platz im Wohnheim hat. Auf Dauer ist die Pendlerei keine Lösung für mich. Es strengt einfach zu sehr an und verleitet zum Daheimbleiben." Als Deadline in Sachen Wohnungssuche hat sich der gelernte Brauer Franz Zeller deshalb die Weihnachtsferien gesetzt. Sonst sieht er wenig Chancen, die Prüfungen des ersten Semesters zu bestehen.

© SZ vom 22.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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