Wieder  in Neustift:Die Heiligen aus der Kiste

Wieder  in Neustift: Der Heilige Augustinus ist wieder zuhause angekommen, zusammen mit Helena, David und Norbert.

Der Heilige Augustinus ist wieder zuhause angekommen, zusammen mit Helena, David und Norbert.

(Foto: Marco Einfeldt)

Tausende Besucher haben Helena, David, Augustinus und Norbert von Ignaz Günther bei der Rokokoausstellung in München bewundert. Jetzt sind sie zurückgekehrt und werden mit größter Sorgfalt empfangen.

Von Birgit Goormann-Prugger, Freising

Helena, David, Augustinus und Norbert sind wieder da. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts haben sie ihren Platz in einem der Seitenaltäre der Neustifter Kirche Sankt Peter und Paul und blicken herab auf das Kirchenvolk. Vor einem Jahr hat man die vier Heiligen einfach weg getragen, in Kisten verpackt und nach München verfrachtet, wo sich die überlebensgroßen Figuren des berühmten Bildhauers Ignaz Günther bei der Rokokoausstellung "Mit Leib und Seele" in der Hypo-Kunsthalle in München einem großen Publikum zeigen konnten. Bis April dauerte die Ausstellung, dann ging es für die vier Heiligen wieder ab in die Kisten, fest verzurrt und abgesichert mit Styroporplatten, damit ihnen ja nichts passiert. Bis jetzt mussten sie im Dunkeln ausharren. Die Neustifter Kirche wird seit Jahren von Grund auf restauriert, die Arbeiten neigen sich dem Ende zu und darum dürfen auch die Heiligen wieder dorthin, wo sie hingehören, an den Altar.

Nun kann man in diesem Fall nicht einfach die Kiste aufmachen und die 240 Kilogramm schweren Holzfiguren in einem kurzen Kraftakt wieder auf das Podest hieven. Die Skulpturen von Ignaz Günther sind von unschätzbarem Wert, für den Transport wurden sie für mehrere Millionen Euro versichert. Die Altarskulpturen zählen zur bedeutendsten Figurenausstattung des 18. Jahrhunderts im Erzbistum München und Freising. Sowohl für die Demontage vor einem Jahr als auch jetzt für den Wiederaufbau wurde darum eine Spezialfirma beauftragt, die Firma Neubauer Restaurationswerkstätten aus Bad Endorf. Am Donnerstag waren sieben Mann bis in die Nachmittagsstunden damit beschäftigt, die vier Heiligen und die dazu gehörenden Engelfiguren, die Putti, zu montieren.

Wieder  in Neustift: Mit dem Gabelstapler kommt Augustinus aufs Podest.

Mit dem Gabelstapler kommt Augustinus aufs Podest.

(Foto: Marco Einfeldt)

Aktionen wie diese hat man bei der Spezialfirma, die es seit den 80er Jahren gibt, zwar schon öfter erlebt. "Aber es ist dann doch immer wieder spannend", versichert Bernhard Mayrhofer, der die Aktion leitet. Ganz sanft hebt er eine der Engelsfiguren aus der Holzkiste, hält sie, als sei sie ein Neugeborenes. Dabei trägt er weiße Wollhandschuhe, wie auch alle anderen Mitarbeiter. "Bloß nicht an den Flügeln festhalten", ruft er einem Kollegen auf der Leiter zu, als er die Figur zu ihm hinaufhebt. Der Engel muss wieder an seinen Platz an dem Seitenaltar gleich neben Petrus. Vorher entfernt Mayrhofer zusammen mit einem Kollegen noch ganz vorsichtig einen langen, rostigen Nagel aus dem Rücken des Himmelswesens, den weniger zartfühlende Arbeiter in den 50er Jahren einfach in ihn hineingetrieben hatten, um ihn so mit einem Scharnier am Seitenaltar zu befestigen. "Das war ein industriegefertigter Nagel, so was entfernen wir, historische Nägel aus der Entstehungszeit lassen wird drin", sagt Bernhard Mayrhofer, als er gerade ein paar Minuten Zeit hat. Dann wendet er sich auch schon wieder dem greisen Augustinus zu, der noch auf dem Kistenboden steht und nun Zentimeter für Zentimeter von sieben Männern auf die Arbeitsplattform geschoben wird. Später kommt der Gabelstapler zum Einsatz, mit dem es für Augustinus wieder aufwärts geht. Vorher muss der Ablauf genau besprochen werden. Wer hält die Figur wo, wo wird sie wann in welche Richtung gedreht? "Ein Grundkonzept haben wir immer, aber man muss das alles genau durchdiskutieren, wird haben das Konzept auch schon oft komplett über den Haufen geworfen, wenn es gar nicht geht", erzählt Mayrhofer.

Wieder  in Neustift: Ganz sanft werden die kostbaren Skulpturen aus der Kiste gehoben.

Ganz sanft werden die kostbaren Skulpturen aus der Kiste gehoben.

(Foto: Marco Einfeldt)

Der Neustifter Kirchenpfleger Josef Geißdörfer ist bei solchen Aktionen immer dabei. Er hat seine Heiligen auch in der großen Rokokoausstellung des Diözesanmuseums in München besucht. "Da wirken sie ganz anders, wirklich beeindruckend", berichtet er. Auch die Restaurierungsarbeiten, die seit 2013 laufen, beobachtet er genau. St. Peter und Paul ist ja nicht einfach nur ein hübsches Kleinod, sondern gilt als bedeutende Kirche mit einer der schönsten Rokoko-Ausstattungen Oberbayerns.

Bis sie wieder in ihrer ganzen Pracht erstrahlt, wird es dauern. Die Sanierungsarbeiten werden wohl erst Anfang 2016 abgeschlossen sein. Doch schon an Weihnachten soll der erste Gottesdienst gefeiert werden können, und dann, so Geißdörfer, könnten die Neustifter auch das neue Lichtdesign erleben, das Altar und Deckenfresko ganz neu inszeniert. Der Chorraum ist so gut wie fertig, sodass das Gerüst dort wieder abgebaut werden konnte. In der kommenden Woche soll das Gerüst im Innenraum folgen. Von den Wänden, den Fresken, ein Spätwerk des großen Johann Baptist Zimmermann, und vom Altar, auch ein Werk von Ignaz Günther, haben die Restauratoren dicke Schmutzschichten entfernt, jetzt strahlt wieder alles in hellen Farben. Auch die Reparaturen an den Kirchenfenstern sind abgeschlossen. Zahlreiche gebrochene Scheiben wurden ausgebaut und durch Mitarbeit der Mayrschen Hofkunstanstalt in München ersetzt.

Wieder  in Neustift: Das Gerüst im Chorraum der Neustifter Kirche ist schon abgebaut und die Fresken erstrahlen in neuem Glanz.

Das Gerüst im Chorraum der Neustifter Kirche ist schon abgebaut und die Fresken erstrahlen in neuem Glanz.

(Foto: Marco Einfeldt)

Wenn dann wirklich alles fertig ist, soll am 10. Juli ein festlicher Gottesdienst gefeiert werden, bei dem Kardinal Reinhard Marx die Altarweihe vornimmt. Über die Restaurierungsarbeiten in der Neustifter Pfarrkirche berichtet im Januar auch das Bayerische Fernsehen in der Sendung "Aus Schwaben und Altbayern" .

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: