Freising früher und heute:"Es war ein Adelspalais"

Freising früher und heute: Breiter, höher, insgesamt größer und mit einer plastischen Fassade versehen: Das Härtinger-Haus an der Oberen Hauptstraße unterscheidet sich von den "normalen" Freisinger Bürgerhäusern.

Breiter, höher, insgesamt größer und mit einer plastischen Fassade versehen: Das Härtinger-Haus an der Oberen Hauptstraße unterscheidet sich von den "normalen" Freisinger Bürgerhäusern.

(Foto: Marco Einfeldt)

"Das Härtinger-Haus hat immer Glück gehabt mit seinen Besitzern", sagt Stadtarchivleiter Florian Notter. Denn es wurde nie entkernt und ist heute eines der schönsten Beispiele für Freisings Charakter als alte Residenzstadt.

Von Angie Fuchs, Freising

Wer sich mit der Geschichte des Freisinger Härtinger-Hauses beschäftigt, erlebt einen Streifzug durch die ältere und neuere Historie der Stadt: Hier residierte einst der Bruder von Fürstbischof von Eckher, hier findet sich ein sehenswertes barockes Treppenhaus und in einem hier einst ansässigen Einrichtungshaus absolvierte der heutige Oberbürgermeister seine Lehre. "Es ist kein Domherrenhaus", stellt Florian Notter, Historiker und Leiter des Stadtarchivs, klar. "Es war ein Adelspalais."

Verglichen mit schlichteren Bürgerhäusern sei dieser Typ Haus "breiter, höher, insgesamt größer und oft mit einer plastischen Fassade" ausgestattet. Auch die Tordurchfahrt sei typisch - schließlich seien die Bewohner mit Kutsche unterwegs gewesen. Das Härtinger-Haus sei außerdem eines der schönsten Beispiele für den einstigen residenzstädtischen Charakter Freisings. Was Notter besonders freut: Hier ist nicht nur die Fassade alt. Anders als bei vielen alten Gebäuden sei dieses nie entkernt worden, so dass auch Stuckdecken erhalten sind. "Das Haus hat immer Glück gehabt mit seinen Besitzern."

"Seit 1913 ist es in Familienbesitz", sagt die heutige Eigentümerin Beate Härtinger-Gogl

Im Sommer 1718 brannte das Gebäude an der Oberen Hauptstraße teilweise ab und wurde im Folgejahr wieder aufgebaut. Wann es ursprünglich errichtet wurde, ist nicht bekannt. Möglicherweise sei es um 1700 im Auftrag von Johann Christoph Baron von Eckher, Oberstallmeister am fürstbischöflichen Hof und Bruder des damaligen Fürstbischofs Johann Franz Eckher von Kapfing und Liechteneck, gebaut worden, so Notter. Den Eckhers gehörte es jedenfalls zum Zeitpunkt des Brandes.

"Seit 1913 ist es in Familienbesitz," erzählt Beate Härtinger-Gogl, die heutige Eigentümerin. Mechanikermeister Vinzenz Huber, der erste Mann ihrer Großmutter, legte damals den Grundstein für eine Autowerkstatt. Nach seinem Tod führte Hans Härtinger, den Härtinger-Gogls Großmutter in zweiter Ehe heiratete, die Werkstatt weiter. Als der Vater der heutigen Besitzerin das Ruder übernahm, brachte er das Unternehmen auf den neuesten Stand: War der Schwerpunkt früher auf Nähmaschinen- und Motorradreparatur gelegen, konzentrierte man sich von 1927 an auf Autos und Motorräder. Über die Jahre bürgerte sich im Volksmund die Bezeichnung "Härtinger-Haus" ein. Im Jahr 2000 beschloss die Familie den Namen "offiziell" zu machen und ihn an der Fassade anzubringen.

In diesem Jahr endete auch die Ära der Autowerkstatt Härtinger. Diese nach 80-jähriger Tradition aufzugeben, sei ihr und ihrem Vater sehr schwer gefallen, aber die Platzverhältnisse seien nicht mehr zeitgemäß gewesen, die Emissionsauflagen immer schwieriger zu erfüllen, erklärt Härtinger-Gogl und fügt hinzu: "Ich vermisse den Werkstatt-Geruch nach Öl und Benzin." Heute arbeitet sie bei der Audi AG - und managt nebenher die Immobilie: "Die Verwaltung dieses Hauses ist eigentlich ein Full-Time-Job", sagt sie. Ihr Herz hänge sehr an ihrem Elternhaus. "Mein Vater hat mir eingeimpft, das Haus zu erhalten".

Lob dafür, wie schön das denkmalgeschützte Anwesen hergerichtet, wie toll es in Schuss ist

Oft erhalte sie auch Lob dafür, wie schön das denkmalgeschützte Anwesen hergerichtet, wie toll es in Schuss sei. Finanzielle Unterstützung bekomme man aber von nirgends. Kopfzerbrechen bereite ihr auch die geplante Anwohner-Beteiligung an der Moosach-Öffnung. Hinzu komme, dass womöglich viele Kunden ihrer Mieter wegen der anstehenden Umbaumaßnahmen in der Stadt ausblieben. Die Folgen dürfte auch sie zu spüren bekommen. Hier würde sie sich Unterstützung von der Stadt wünschen.

Als Familie Härtinger im Jahr 2000 überlegte, wie die Erdgeschossräume weiter genutzt werden könnten, sei der Inhaber des Möbelhauses "Quadro" gerade auf der Suche nach neuen Räumen gewesen, erinnert sich Michael Deppisch, Chef des gleichnamigen Architekturbüros. Nachdem klar war, dass das Einrichtungshaus dort einziehen werde, habe er den Auftrag bekommen, ein Konzept zur Umgestaltung zu entwerfen. Aus dem denkmalgeschützten Haupthaus, der Werkstatt und einem Rückgebäude im Innenhof sollte eine harmonische Einheit geschaffen werden und er musste die Gratwanderung zwischen Erhalt von Altem und zeitgenössisch-nötiger Renovierung meistern. Für das Ergebnis erhielt Deppisch die Auszeichnung "Gute Baugestaltung im Landkreis Freising".

Viele Details spiegeln die Geschichte des Hauses: Wie Notter ist auch Deppisch begeistert von dem "tollen Treppenhaus" und dem Geländer dort. Das Besondere daran: Ein so langer Handlauf und nur zwei Befestigungen - das sei selten, ebenso wie das "Kreuzgewölbe über drei Etagen". Hinter dem alten Gewölbe verbirgt sich allerdings eine zeitgemäße Dämmung und Schallschutzisolierung. Blickt man von der Toreinfahrt nach rechts, sieht man in der Boutique "Maximilian" hinter Kleidern, Blusen und Röcken eine unverputzte Ziegelwand. Diese sei original, "das wollten wir sichtbar lassen", erklärt Deppisch.

Das Haus hat große, gemauerte Bogen. "Sowas können Maurer heutzutage kaum noch"

Er verweist auch auf einen großen, alten, gemauerten Bogen: "Sowas können Maurer heutzutage kaum noch." Auf der anderen Seite der Toreinfahrt sei die Wand ursprünglich auch sichtbar gewesen. Mit Einzug des "Panino" 2007 musste diese aber zugebaut werden, erklärt Härtinger-Gogl: Hygieneauflagen der Stadt. Geblieben sind im "Panino" die Glasbausteine in der Wand, die auch zu Zeiten der Werkstatt schon hier waren. Doch das wohl beste Beispiel von "Altes Haus trifft Moderne" findet sich im zweiten Stock, in Michael Deppischs Büro: In der ehemaligen Rauchkammer steht mittlerweile der Server des Architekturbüros.

Das Erdgeschoss hat sich seit dem von Deppisch geleiteten Umbau erneut verändert: Endet das Grundstück heute quasi mit den sanitären Einrichtungen des "Panino", fuhr man ursprünglich durch die Toreinfahrt nach hinten, legte rund 90 Meter zurück und kam durch drei Innenhöfe, wie Deppisch erklärt. Entlang der Einfahrt habe man ein im Boden eingelassenes Lichtband eingebaut - welches die Besucher nach hinten leiten sollte, und welches auch der Grund war, warum das "Quadro" sich in "Die Linie" umbenannte.

Über dem Buffet des "Panino", wurde ein Glasdach mit Glasträgern eingebaut

Wo heute Gäste im "Panino" das Buffet finden, wurde ein Glasdach mit Glasträgern eingebaut, "das damals in Bayern aufgrund seiner Größe einzigartig war", erinnert sich Deppisch. Im Ausstellungsbereich wurden auf den ehemaligen Auto-Hebebühnen Glasplatten installiert, so dass das Einrichtungshaus eine extravagante, mobile Ausstellungsfläche hatte, die an die alte Nutzung der Räumlichkeiten erinnerte.

Häufig habe es in dem Café im Einrichtungshaus auch kulturelle Veranstaltungen gegeben. Und: Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher habe auch schon in dem alt-ehrwürdigen Haus gearbeitet: Im damaligen Einrichtungshaus "Die Linie" absolvierte er seine kaufmännische Ausbildung und arbeitete als Einrichter.

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