Weltoffene Gemeinde:Neufahrn erhält ein Minarett

Die islamische Ahmadiyya-Gemeinde baut ihr Glaubenszentrum aus: Derzeit entsteht an der Massenhausener Straße ein kleiner Turm. Die Bürger stehen dem Projekt aufgeschlossen gegenüber.

Von Birgit Grundner

Es ist ein in der Gemeinde einmaliges Bauwerk, das gerade im Norden Neufahrns entsteht: Die muslimische Ahmadiyya-Gemeinde errichtet an der Massenhausener Straße neben dem Wohnhaus, das sie als Glaubenszentrum nutzt, ein kleines Minarett. Während ähnliche Projekte in anderen Orten bisweilen misstrauisch beäugt werden, sind die meisten Neufahrner dem Bau gegenüber offenbar aufgeschlossen. "Ich finde es gut", sagt ein älterer Mann, der vorbeiradelt und die Minarett-Baustelle dabei gerade erst entdeckt. Auch viele andere Bürger empfinden das nicht ganz haushohe, orientalisch gestaltete Türmchen mitten in der Wohnsiedlung eher als interessant denn als störend.

Für die Bauherren hat das Minarett vor allem symbolischen Charakter, es soll die Aufmerksamkeit der Menschen auf den Islam lenken. Anders als in islamischen Ländern werde in Neufahrn aber nicht vom Minarett zum Gebet gerufen, erklärt der Präsident der Gemeinde, der gebürtige Pakistaner Mirza Wasim Ahmed. Aus diesem Grund würden dort auch nicht, wie sonst üblich, Lautsprecher angebracht. Trotzdem sei das Bauwerk mehr als nur Dekoration: Erst das Minarett mache das Gebäude zu einer richtigen Moschee. Diese soll im Dezember offiziell eröffnet werden, und die Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde erwartet dazu hohen Besuch: Aus London wird ihr Kalif, der religiöse Führer, anreisen. Er komme zum ersten Mal, erzählt Mirza Wasim Ahmed. "Das ist eine sehr, sehr große Ehre."

Bis zu diesem großen Tag soll nicht nur das Minarett fertig sein. Auch das Hauptgebäude selbst wird gerade umgebaut und erweitert. Eigentlich ist es ein ganz normales Wohnhaus. Nur ein Schild an der Fassade mit der Aufschrift "Liebe für alle, Hass für keinen" deutet an, dass es seit vielen Jahren als ein religiöses Zentrum genutzt wird. Derzeit laufen die Arbeiten für einen Anbau, der eigens für Frauen gedacht ist. Bislang nutzen sie bei ihren Treffen einen Raum unter dem Dach, nun sollen sie mehr Platz bekommen. Außerdem werden auf dem Grundstück Parkplätze angelegt, um entsprechende Vorgaben der Gemeinde für eine Moschee zu erfüllen, wie Mirza Wasim Ahmed erklärt.

Das Gebäude an der Massenhausener Straße ist Treffpunkt für etwa 70 Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde, die sich auf das Gebiet von Neufahrn bis München erstreckt. Regelmäßig finden dort auch sogenannte Dialogveranstaltungen für Gäste statt. Dabei erfahren Besucher, wie sich der Glauben der Ahmadiyya-Gemeinde von anderen Strömungen des Islam unterscheidet.

Sie versteht sich als weltweite Reformgemeinde, die sich auf den Islam in seiner Ursprungsform zurückbesonnen habe. Die Anhänger glauben im Gegensatz zu anderen Muslimen, dass der "Verheißene Messias" bereits im 19. Jahrhundert zurückgekehrt ist und ihre Gemeinde gegründet hat. Sie tritt nach eigenen Angaben für eine Trennung von Staat und Religion, für Frieden, Toleranz und Respekt gegenüber anderen Religionen ein. In Pakistan wurde die als liberal geltende Bewegung in den siebziger Jahren zur "nicht-islamischen Minderheit" erklärt. Berichten zufolge sind viele Mitglieder dort Diskriminierungen ausgesetzt, auch von Verfolgungen ist die Rede.

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