Weihnachten wie es früher war:"Von waizenem Mell beste Knödel"

Schneeräumen

Warten auf den Winterdienst, das kannte man auch in den Dreißigerjahren nicht, also hieß es, wie hier in der Moosmühle, selbst ist der Mann.

(Foto: Ernst Keller/oh)

Einblicke in die alten Bräuche zu Weihnachten im Landkreis Freising geben die Aufzeichnungen des früheren Pfarrers von Fürholzen, Johann Jakob Pämer.

Von Alexandra Vettori, Neufahrn

Ernst Keller, Heimatpfleger und Hobbyhistoriker aus dem Neufahrner Ortsteil Fürholzen, findet bei seinen Recherchen immer wieder Zeugnisse für alte Bräuche rund um das Weihnachtsfest. Interessante Einblicke in eine Zeit, aus der wenig überliefert ist, haben ihm die Aufzeichnungen des früheren Pfarrers von Fürholzen, Johann Jakob Pämer gewährt, der 1719 sein Amt antrat. Fürholzen ist eine der ältesten Pfarreien in Altbayern, 772 wurde die Kirche dort erstmals urkundlich erwähnt. Sie stand damals noch dort, wo heute die Kapelle ist. 1723 wurde sie abgerissen und in der Mitte des Dorfes eine Neue gebaut. Maßgeblich mit zu verdanken war das Pfarrer Pämer.

In seinem akribisch geführten Saalbuch stehen neben den Einnahmen und Abgaben der Pfarrei allerlei Alltagsbeschreibungen. "Das habe ich alles mühsam herausgefieselt. Der Pämer schreibt so klein und immer wieder hat er was dazwischen geschmiert", erzählt Ernst Keller. So erhielt die Pfarrei von den Bauern den "Blut-Zehent", also die zehnte Henne oder Ente, die dann dort geschlachtet wurde. Zum Festschmaus waren Gesinde und Bauern eingeladen. Von einem der Bauern schreibt Pämer: "..und dann ist er bei mir beim Fest, liefert die eine Ente ab und zwei frisst er."

Pferdeschlitten

Waren die Wege verschneit, ging es im Winter nur noch mit dem Pferdeschlitten vorwärts. Das Foto von dem Gespann auf dem Weg von Neufahrn nach Fürholzen stammt aus den Dreißigerjahren, in früheren Jahrhunderten dürfte es aber nicht viel anders ausgesehen haben.

(Foto: Ernst Keller)

Pämer berichtet auch, dass es am "Heyligen Christtag" das gleiche Essen wie an Ostern gab: "Am "Heyligen Ostertag haben sie von waizenem Mell wie an allen Hochen Festis Domini beste Knödel, darzue jedes ein Stückl Fleisch und Kraut. Zu Nachts wiederumben Nudl oder Knödl vom waizenem Mell, samt Tauch-Rueben." Am "Heyligen Christtag" oder an der "ersten Rauchnacht" wurde den Dienstboten "auf Mittag von waizenem Mell vom Schmalz Nudln und Rueben", abends "aber Schniz (Brotschnitten) und ein weißer Herren-Laib-Brod aufgesetzt, den ihnen der Dienstherr auf ihren Tisch im "Flöz" (Hausgang) stellte.

Für seine "Oberdirn", seine "Mitterdirn", sein "Kuchlmensch" (Küchenmagd) und sein "Hennermensch" (Hühnermagd) gab es kleine Geschenke

Alter Pfarrhof Fürholzen

Der frühere Pfarrhof in Fürholzen anno 1894, erbaut 1682, abgebrochen 1904. Hier befand sich das geistige und geistliche Zentrum der Pfarrei.

(Foto: Ernst Keller/oh)

Gut zu sprechen war Pfarrer Pämer auf das "Personal" aber nicht. In seinen Aufzeichnungen wettert er gegen die "verteufelten Ehhalten", von denen niemand mehr hart arbeiten wolle und die oft krank seien, so dass er die Ausfälle mit Scharwerkern und Tagelöhnern teuer ersetzen müsse. Für die weiblichen Dienstboten galt dies nur eingeschränkt. Schließlich gab es für seine "Oberdirn", seine "Mitterdirn", sein "Kuchlmensch" (Küchenmagd) und sein "Hennermensch" (Hühnermagd) bereits am Nikolaustag kleine Geschenke wie Äpfel, ein wenig Schmalz, etwas Flachs und ein paar Kreuzer. Die Knechte gingen leer aus.

Auch Wetteraufzeichnungen stehen im Saalbuch: Danach tobte am Nikolaustag 1747 ein "entsezlich grausamber Sturmb" über die hiesigen Dörfer, entwurzelte Bäume, riss Umzäunungen ein und zerfetzte die strohgedeckten Hausdächer.

1748 schneite es über Weihnachten bis Ende Januar ununterbrochen

Dem Sturm folgte ein starker Reif. Im Winter 1748 schneite es über Weihnachten bis Ende Januar ununterbrochen. Dies hatte zur Folge, dass sämtliche Verbindungswege unterbrochen waren und keiner mehr sein Dorf verlassen konnte. Es dauerte bis zur Sebastianswoche - um den 20. Januar -, bis "alt und jung, Menner wie Weiber" unter unermüdlichen Einsatz endlich alle Wege und Stege von den gewaltigen Schneemassen befreit hatten. Nach dem Schnee kam die große Kälte.

Die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr war im bäuerlichen Arbeitsleben eine ruhige Zeit. Auf den Feldern gab es nichts zu tun, gemacht wurde nur das Nötigste, die Stallarbeit etwa. Die lange Dunkelheit ohne elektrisches Licht machte allen Beschäftigungen ohnehin ein frühes Ende. Dafür florierte die Geselligkeit, auch die beschäftigungslosen Hilfsarbeiter und Tagelöhner saßen in ihren Behausungen zusammen, man erzählte Geschichten und sang Lieder. Verdienstmöglichkeiten gab es im Winter kaum. Gerade arme Leute schickten die Kinder deshalb zum Neujahrswünschen zu den Nachbarn, in Bauernhäuser oder die Pfarrei. Dort sangen die Kinder, sagten ein Sprüchlein auf und erhielten dafür ein paar Kreuzer, ein Stück Brot oder ein paar Äpfel.

In den Raunächten tobte die "Wilde Jagd", das Geisterheer, über das Land

Die Nächte zwischen Weihnachten und Neujahr standen nach vorchristlichem Glauben unter dem Einfluss böser Mächte und Gewalten. Diese zwölf Nächte hießen im Volksmund Rau- oder Rauchnächte. Raunacht leitet sich vom mittelhochdeutschen "ruch" ab, und bedeutet haarig. Es nimmt wohl Bezug auf Rituale mit dem Nutzvieh, aber auch auf Verwandlungen zwischen Tieren und Menschen oder haarigen mythischen Wesen. Die Rauchnacht dagegen erinnert daran, dass man dem Treiben der Geister in den Raunächten durch Ausräuchern von Wohnraum und Stall Einhalt gebot.

Nach dem Volksglauben waren die zwölf Raunächte, auch "Zwölfen" genannt, die geheimnisvollste Zeit des Jahres. Dann tobte die "Wilde Jagd", das Geisterheer über das Land. Man vermied es, nachts auf der Straße unterwegs zu sein, was dem passieren konnte, der es doch tat, davon erzählen viele Sagen. Auch im Haus durfte keine Unordnung herrschen, und keine weiße Wäsche auf der Leine hängen. Sonst nämlich, hieß es, würden die wilden Reiter die Wäsche stehlen, um sie im Laufe des Jahres als Leichentuch für den Besitzer zu benutzen.

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