Weihnachten:"Gar nicht so unbuddhistisch"

Der Freisinger Mönch Bikkhu Philipp Thitadhammo erklärt, warum auch er dem bevorstehenden Fest etwas abgewinnen kann, aber jeder für seine Erlösung selbst zuständig ist

Von Elena Aracena

Weihnachten: Weihnachtlich geschmückt: das buddhistische Kloster in Freising.

Weihnachtlich geschmückt: das buddhistische Kloster in Freising.

(Foto: Marco Einfeldt)

- Die bevorstehenden Weihnachtstage sind auch an dem buddhistischen Kloster in der Domstadt nicht spurlos vorübergegangen. An weihnachtlicher Dekoration mangelt es auch dort nicht. Denn die buddhistische Religionsgemeinschaft, Buddhasasana, ist offen gegenüber anderen Kulturen und Religionen. Der Mönch Bhikkhu Philipp Thitadhammo hat die Weihnachtszeit in seiner Jugend im Kreise seiner Familie erlebt - und er hat den besinnlichen Feiertagen auch als buddhistischer Mönch nicht abgeschworen. Im Gespräch mit der Freisinger SZ erklärt er, was das Fest für den Buddhismus und für ihn selber heute bedeutet.

SZ: Was bedeutet Weihnachten im Buddhismus?

Bikkhu Philipp Thitadhammo: Vieles am Weihnachtsfest ist gar nicht so unbuddhistisch - man kann es in der Tat sogar fast völlig buddhistisch auslegen. Schenken (dana), liebende Güte (metta), Gemeinschaftssinn und Harmonie (samaggi) sind zentrale Begriffe in der Lehre des Erwachten, die sich nicht auf andere Buddhisten beschränkt: Allen Menschen, auch den Tieren und allen anderen Wesen der Natur gilt diese Herzenseinstellung. Alles, was auch nur ein wenig dazu beiträgt, die mannigfaltigen Formen von körperlichem und psychischem Leid zu mildern, wird begrüßt. Insofern begrüße auch ich als buddhistischer Mönch in Freising Weihnachten.

Gibt es Parallelen zwischen der Ursprungsgeschichte von Weihnachten und dem Buddhismus?

Es gibt eine Reihe von Parallelen zur Geburtsgeschichte des Buddha. Manche Buddhisten meinen sogar, Jesus wäre während den Jahren, in denen er verschwunden war und unter anderem 40 Tage in der Wüste meditierte, nach Indien gegangen und ein buddhistischer Mönch geworden. Auch weihnachtliche Details, wie der Stern von Betlehem und der Stern am Morgenhimmel bei der Erleuchtung des Buddha, verbinden. Und die Weisen aus dem Morgenland waren vielleicht sogar buddhistische Mönche. Wenn Buddhisten und Christen Weihnachten gemeinsam feiern, gibt es auf jeden Fall eine große Menge an interessantem Gesprächsstoff! Da die Buddhalehre als eine nicht-theistische Religion keine Anzeichen oder Hinweise in der Natur auf Gnade und Erlösung durch einen Schöpfergott sieht, wird der Buddha nicht als der Erlöser verstanden. Jeder ist für seine Erlösung selbst zuständig.

Feiert man als deutschstämmiger buddhistischer Mönch Weihnachten?

Das kommt darauf an, wo ich als buddhistischer Mönch lebe. In Deutschland, einem Land mit christlich geprägtem und staatlich vorgeschriebenem Feiertagskalender, spricht nichts dagegen und sogar einiges dafür, die Weihnachtsfeiertage im spirituellen Sinne sinnvoll zu nutzen. In einem Land mit buddhistischer Prägung wie zum Beispiel Thailand oder China gibt es dafür jedoch weder Anreiz, noch Notwendigkeit. Der dortige Feiertagskalender ist schon reichhaltig genug. Die buddhistische Religionsgemeinschaft ist prinzipiell offen gegenüber anderen Kulturen und Religionen und hat sich über zweieinhalb Jahrtausende meisterlich in jeweils neue Länder und Kulturen integriert. Zugrunde liegt die Vorstellung, dass Werte wertvoll sind, nicht weil sie aus einer bestimmten Religion oder Philosophie stammen, sondern weil sie an sich das Leben der Menschen bereichern, die Entwicklung des Guten und Wahren in den Herzen fördern und allgemein Glück und Freude bringen.

Was bedeutet Weihnachten für Sie?

Da erscheint es mir wichtig, sich zunächst klar zu werden, was wir unter "Weihnachten" verstehen. Meinen wir das christliche Fest der Geburt Jesu, oder meinen wir das bürgerliche Winterfest der Liebe, der Familie und des Schenkens. Begehen wir die Feier der Herabgeburt eines göttlichen Avatars aus der himmlischen Welt, der der Menschheit im Auftrag einer Gottheit beistehen soll, oder verbinden wir es mit der Wintersonnenwende, dem wieder länger Werden der Tage und der hierin begründeten Hoffnung und Vorfreude auf die Rettung durch den nahenden Frühling; oder eventuell mit gar nichts mehr außer Winterferien, Ausspannen, Geschenke und gutem Essen. Als ich das erste Mal in Japan erlebte, wie Weihnachten keinerlei Bedeutung für die Menschen aus nicht-christlichen Kulturkreisen hat, wurde ich mir meiner eigenen kulturellen Konditionierung hinsichtlich des Jahreskreises bewusst.

Wie haben Sie Weihnachten gefeiert, bevor Sie ein Mönch wurden?

Während der Kindheit und Jugend war Weihnachten stets ein Fest, mit dem ich ausschließlich schöne Erinnerungen verbinde. Es war ein Zusammenkommen der Familie, mit gutem Essen und Geschenken, nach einem Muster, das jedes Jahr auf dieselbe Weise durchgeführt wurde. Es war bekannt, was man an welchem Tag essen würde - weil es die Oma oder die Mama eben wie jedes Jahr so kochen würde. Der Besuch der Christmette gehörte mit dazu - weniger aus tiefer religiöser Überzeugung, als aus kulturellem Brauch. Es gehörte einfach dazu und war auch etwas Schönes: der Schmuck, die Lieder, die Stimmung. Während des Studiums musste ich viel nebenbei jobben und oft auch an den Weihnachtsfeiertagen arbeiten, sei es in der Hotel-Lobby oder im Restaurant. Dennoch gab es Zeitfenster, um gemeinsam mit der Familie Geschenke auszutauschen oder zu essen.

Verbringen Sie Weihnachten heuer mit Ihrer Familie?

Für buddhistische Mönche oder Nonnen ist es an sich nicht üblich, ihr meditatives Leben zu unterbrechen und an Weihnachten zur Familie zurückzukehren. Es sei denn, die Familie benötigt spirituellen Beistand, weil vielleicht jemand gestorben ist. Aus Mitgefühl mit der Familie entscheiden sich nicht wenige buddhistisch Ordinierte aus Europa dennoch zu diesem Schritt. Wir wissen, dass uns die Familie vermisst, besonders an Weihnachten, auch wenn wir uns selbst im Herzen nach der großen Freiheit sehnen und uns als "in die Hauslosigkeit Gegangene" ("Hauslose") nicht mehr in die emotionalen Bindungen und Anhaftungen des Hauslebens verheddern wollen. Auch wenn wir zur Familie zurückkehren, vergessen wir unsere Berufung zur Großen Freiheit (Nirvana) jenseits von Geburt, Alter, Krankheit und Tod nicht.

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