Was Kinder in den  Ferien wollen:Alles darf, nichts muss

Der Alltag von Kindern und Jugendlichen ist heutzutage oft streng durchorganisiert. In den großen Ferien sorgen viele Freiwillige und professionelle Jugendarbeiter dafür, dass sie sich auch einmal austoben können

Von Katharina Aurich, Freising

Sechs Wochen Sommerferien: Das ist eine lange Zeit. Die Kommunen bieten jedes Jahr mit ihren Ferienprogrammen ein vielfältiges Angebot für all diejenigen Kinder und Jugendlichen, die nicht verreist sind. Möglich ist dies nur durch viel ehrenamtlichen Einsatz und vor allem Spaß und Freude am Umgang mit den jungen Menschen. Außer in Freising, wo die fest angestellten Mitarbeiter die Betreuung im Sebaldhaus übernehmen, gibt es im ganzen Landkreis Hunderte Freiwillige mit ihren Ideen. Was aber möchten Kinder und Jugendliche in ihren Ferien wirklich erleben? Vier Ferienprogramm-Spezialisten berichten:

Die Feuerwehr

Tobias Seidl organisiert alljährlich für die Ferienkinder einen Tag bei der Freisinger Feuerwehr, zu dem zwischen 30 und 50 Kinder meist ohne Eltern kommen. Ein Höhepunkt sei jedes Mal die Modenschau, bei der Feuerwehrmänner in ihren verschiedenen Ausrüstungen über den Laufsteg gehen würden, erzählt er. Besonders spannend fänden die Kinder natürlich die Atemschutzanzüge für die Brandbekämpfung mit ihren großen Masken. Aber auch der weiße Anzug für den Einsatz mit Bienen, der grüne Neoprenanzug zum Schwimmen und Tauchen oder der grüne Vollschutzanzug für Einsätze mit Gefahrengütern, in denen die Feuerwehrleute wie Marsmenschen aussehen, würden die jungen Gäste faszinieren, erzählt Seidl. Dem 47-Jährigen, selbst Vater von drei Kindern und seit 33 Jahren bei der Feuerwehr dabei, macht es spürbar Freude, den Tag zu organisieren. Da man sich nicht anmelden müsse, man die Teilnehmerzahl, vor allem das Alter der Kinder und natürlich auch das Wetter vorher nicht kenne, müssten die rund 20 Feuerwehrleute, die die Kinder betreuen, immer wieder ihr Improvisationstalent beweisen.

Schon Eltern mit Zweijährigen seien mit dabei, sie hätten natürlich andere Bedürfnisse als die 16-Jährigen, beschreibt Seidl. Wenn die Sirene ertöne, erlebten die Besucher, wie die Feuerwehr funktioniere und was sie selbst zu tun hätten, nämlich sich sofort alle an einem sicheren Punkt zu sammeln. In nur wenigen Minuten ist dann das Feuerwehrfahrzeug besetzt und einsatzbereit. Passiert ist dann natürlich nichts, genauso wenig wie bei der Vorführung mit dem brennenden Öl in einer Pfanne. Diese hoch aufschlagenden Flammen sollte man keinesfalls mit Wasser löschen, sondern mit einer Löschdecke oder Sand ersticken, erklären die Fachleute in Sachen Feuer den Kindern und Jugendlichen. Ein weiteres Highlight des Tages bei der Feuerwehr sei für alle Kinder, selbst eine Spritze zu halten, weiß Seidl. An heißen Tage fahre auch der Wasserwerfer vor, und die Kinder und Jugendlichen bekämen zur allgemeinen Begeisterung eine Abkühlung. Sehr beliebt sei gerade für die Älteren die Benutzung des Brandschutzmelders, der mit einem Schuh eingeschlagen werde. Seidl erläutert dann jedes Mal genau, wie er funktioniere. Auch im nächsten Jahr werde er natürlich ehrenamtlich wieder dabei sein, denn es mache einfach Spaß, mit den Kindern und Jugendlichen den Tag zu verbringen, so sein Fazit.

Der Bauernhof

Jedes Jahr im Sommer lädt die Bäuerin Petra Murr, Mutter dreier fast erwachsener Buben, Ferienkinder in der Gemeinde Haag für einen Tag auf ihren Milchviehbetrieb nach Plörnbach ein. Das Interesse sei ungebrochen, 20 bis 30 Kinder kämen zu ihr auf den Hof, würden im Heu toben und den Stall erkunden. Sie selbst habe schon als Kind beim Ferienprogramm der Gemeinde, das damals Bürgermeister Konrad Huber und seine Frau Antonie organisierten, mitgemacht und denke gerne an die Ausflüge und Aktionen zurück.

Was Kinder in den  Ferien wollen: Dinge, die man selber machen kann: Das gefällt den Ferienkindern, auch hier am Sebaldhaus, besonders gut.

Dinge, die man selber machen kann: Das gefällt den Ferienkindern, auch hier am Sebaldhaus, besonders gut.

(Foto: Marco Einfeldt)

Das Ferienprogramm sei ja früher wie heute auch eine gute Gelegenheit, andere Kinder aus der Gemeinde kennen zu lernen, findet Petra Murr. Ihren jungen Besuchern möchte die Landwirtin vermitteln, wie Lebensmittel erzeugt werden. Denn die allermeisten von ihnen hätten kaum noch einen Bezug zu Pflanzen oder Nutztieren, sagt sie. Eine einfache, aber für jedes Kind faszinierende Aktion, sei die Herstellung von Butter. Jeder Gast erhalte ein Glas mit ein wenig Sahne darin und schüttelte es so lange, bis sich Fettklümpchen bilden würden. Die selbst gemachte Butter können die Kinder auf eine Scheibe Brot streichen, das auf dem Hof gebacken wurde, mit Schnittlauch bestreuen und dann mit Genuss essen.

Eine besondere Attraktion sei auch in diesem Jahr das Toben in dem riesigen Getreidehaufen gewesen. Zum Bauernhoftag gehöre auch der Besuch im Hühnerstall, wo die Kinder die Eier ganz vorsichtig aus den Nestern holen würden. Außerdem können sie die jungen Kälbchen streicheln und die Bäuerin erklärt ihnen auch den Unterschied zwischen Stroh und Heu. "Ich mag Kinder, sie sind offen für alles, interessiert und freuen sich an den einfachen Dingen", erzählt Petra Murr, die natürlich auch im nächsten Sommer wieder eine Kindergruppe einen Tag lang aufnehmen wird.

Ferien in Marzling

Eine bunte Mischung aus vielfältigen Aktionen stellt Winfried Seidl aus Marzling mit einer Gruppe Ehrenamtlicher bereits seit zwölf Jahren für das Ferienprogramm der Gemeinde auf die Beine. Dazu gehören die Klassiker wie Nistkästen für Fledermäuse oder für Vögel bauen, Malaktionen, eine Disco und eine Filmnacht sowie einige Tagesausflüge. Weiterhin gebe es jedes Jahr neue Ideen wie beispielsweise heuer den Kletterkurs, berichtet Seidl, selbst Vater zweier inzwischen fast erwachsener Söhne. Die Wünsche der Kinder und Jugendlichen hätten sich in den vergangenen Jahren nicht geändert, findet Seidl, der als IT-Spezialist am Flughafen arbeitet. Das Wichtigste am Ferienprogramm seien für ihn nicht neue, spektakuläre Angebote, sondern der Zusammenhalt und die Gemeinschaft im Dorf. Heuer machten 40 ehrenamtliche Helfer mit, um den Kindern und jugendlichen einen erlebnisreichen Sommer zu bieten. Das sei nicht immer so gewesen, berichtete Winfried Seidl, "vor Jahren stand ich plötzlich alleine da".

Was Kinder in den  Ferien wollen: Wie viele Kinder und Jugendliche zum Ferientag bei der Freisinger Feuerwehr kommen, das wissen die Organisatoren vorher nie so genau. Darum müssen sie oft improvisieren.

Wie viele Kinder und Jugendliche zum Ferientag bei der Freisinger Feuerwehr kommen, das wissen die Organisatoren vorher nie so genau. Darum müssen sie oft improvisieren.

(Foto: Marco Einfeldt)

Denn damals hätten alle Eltern, die wie er mit kleineren Kindern vor zwölf Jahren beim Ferienprogramm eingestiegen waren, aufgehört, da ihre Kinder schon zu groß geworden waren. Nur Seidl wollte weiter machen, obwohl auch seine Kinder inzwischen flügge waren. Alleine sei solch ein Programm natürlich nicht zu stemmen. Zum Glück habe er neue, ehrenamtliche Mitmacher gefunden, die ihre Ideen einbringen würden. So war das Marzlinger Ferienprogramm gerettet.

Abenteuer am Sebaldhaus

Seit 30 Jahren organisiert Gabi Dworsky von der Stadtjugendpflege Freising ein spannendes Ferienprogramm. Vor allem viel Freiraum möchte sie den Kindern und Jugendlichen bieten, denn ihr Alltag sei sonst meist durchorganisiert, weiß die Erzieherin. Jeder Besucher im Sebaldhaus, wo die Stadtjugendpflege alljährlich eine Ferienbetreuung unter einem bestimmten Motto anbiete, könne in Absprache mit den Eltern selbst entscheiden, wie lange er dort bleiben und wann er wieder gehen möchte. Niemand müsse zu einer bestimmten Uhrzeit erscheinen. Die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen hätten sich in den vergangenen drei Jahrzehnten kaum verändert. Dinge selber zu machen, stehe hoch im Kurs. Aber "wir haben auch Kinder, die sitzen tagelang am Feuer, schauen den Flammen zu und halten es am Brennen", erzählt Gaby Dworsky. Andere säßen stundenlang in einem Baum und betrachteten das Geschehen von oben. In der Tonwerkstatt entstünden Gefäße und Figuren, in anderen Werkstätten werde gehämmert und gesägt. In diesem Sommer wollten Jugendliche einen Film drehen, auch dies sei möglich und daher gebe es jetzt im Sebaldhaus eine Filmwerkstatt.

Sich jeden Tag neu frei zu entscheiden, womit man seine Zeit verbringen mag, sei für die jungen Menschen wichtig. Einfach nur rumhängen oder toben, alles sei erlaubt, betont die Erzieherin. Natürlich müssten sich die Besucher auch an Regeln halten, in der Küche mithelfen und kleinere Aufgaben auf dem Gelände übernehmen. Was ihr auffalle sei, dass heutzutage auch 12- oder 13-Jährige in den Ferien in das Sebaldhaus kommen. In ihrer Jugend sei man in diesem Alter meist in Gruppen mit Freunden draußen alleine unterwegs gewesen. Aber von Erwachsenen unbeobachtete Freiräume gebe es für Jugendliche leider kaum noch, bedauert die Pädagogin.

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