Üben für das erste Mal:Wenn unter 18-Jährige wählen

U18-Europawahl

Mit dem Projekt U18-Wahl will man die Wahlmüdigkeit vieler Erstwähler durchbrechen.

(Foto: dpa)

Echte Wahlkabinen, Urnen und Stimmzettel: Bei der U18-Wahl können Kinder und Jugendliche den Wahlvorgang aktiv miterleben. 2013 knackte in Bayern die Tierschutzpartei die Fünf-Prozent-Hürde.

Von Verena Bracher, Freising

Wenn man das erste Mal eine Wahlkabine betritt, um seine Kreuzchen auf dem Wahlzettel zu machen und aktiv an den politischen Entscheidungen in Deutschland teilzuhaben, dann kann das ein ziemlich überwältigender Moment sein. Für manchen ist der Gang zur Urne mit der Volljährigkeit jedoch nicht das erste Mal, denn seit 2009 werden im ganzen Bundesland U18-Wahlen organisiert.

"Die U18-Wahl ist eine Spielwahl, die als Projekt bundesweit stattfindet und unter anderem vom Deutschen Bundesjugendring initiiert wurde", erklärt Johannes Becher. Als Jugendreferent von Moosburg setzt er sich für die Kinder- und Jugendarbeit ein. "Ich bin begeistert von diesem Projekt", sagt er. Die U18-Wahl ermöglicht es den Kindern und Jugendlichen, den Wahlvorgang selbst nachzuvollziehen. Es gibt Wahlkabinen, Urnen und mit der echten Bundestagswahl fast identische Stimmzettel, auf denen oben in großen Lettern "U18-Wahl" prangt. Die U18-Wahl sei sehr wichtig, um die Wahlmüdigkeit vieler Erstwähler zu durchbrechen, erklärt Claudia Nertinger vom Kreisjugendring Freising.

Diesmal nehmen weniger Schulen teil, denn der Termin liegt in der ersten Schulwoche nach den Ferien

Bei der U18-Bundestagswahl 2013 und 2009 haben im Landkreis Freising etwa zehn Schulen teilgenommen - doch dieses Jahr machen nur zwei Schulen mit. Der Grund, so heißt es, ist der ungünstige Termin der U18-Wahl. Diese findet immer neun Tage vor der tatsächlichen Wahl statt - das ist in Bayern aber der Freitag in der ersten Schulwoche. Und weil die Schulen da meist noch mit organisatorischen Dingen beschäftigt sind und auch noch keine Gelegenheit haben, das Thema Wahlen mit den Schülern zu vertiefen, ist das Interesse an einer Beteiligung eher gering.

Johannes Becher und Claudia Nertinger versuchten deshalb, für dieses Jahr einen anderen Wahltermin zu erwirken. Die Idee scheiterte, denn der Bundesjugendring erklärte ein gesonderter Wahltermin sei nicht möglich. Der Termin sei in Bayern und Baden-Württemberg zwar nicht ideal, aber trotzdem machbar, erklärt Michael Scholler. "Man kann vor den Ferien schon sehr viel machen." Gerade die oft ruhigeren Wochen im Juli würden sich dafür eignen, das Thema Wahlen mit den Schülern zu besprechen, der Bundesjugendring stellt dazu Lehrmaterial zur Verfügung. Außerdem liege der Termin bewusst mit einem Abstand zur Bundestagswahl, da das Ergebnis der U18-Wahl sonst leicht in der allgemeinen Wahlberichterstattung untergehen würde oder mit offiziellen Wahlergebnissen in Verbindung gebracht werden könne. "Wir haben den Anspruch, die Stimme junger Menschen lauter zu drehen", sagt Scholl. Ein einheitlicher bundesweiter Wahltermin sei für die anschließende Auswertung essenziell.

In Bayern war die U18-Wahl trotz des ungünstigen Termins schon 2013 auf großes Interesse gestoßen. Insgesamt 20 948 Stimmzettel seien abgegeben worden und 180 Wahllokale waren entstanden, erklärte Cornelia Freund vom Bayerischen Jugendring. Das Ergebnis unterschied sich deutlich vom Stimmenverhältnis der offiziellen Wahl neun Tage später. CSU und SPD erhielten zwar die meisten Stimmen der Jugendlichen, mussten aber einige Prozentpunkte an die Grünen und die Piraten abtreten. Auch eine sonst weniger erfolgreiche Partei knackte bei der U18-Wahl die Fünf-Prozent-Hürde: die Tierschutzpartei.

"Es gab keine radikalen Ergebnisse. Im Gegenteil, die Partei Die Frauen war stärker als die NPD"

Die Erfahrung, dass kleinere Parteien bei den Jugendlichen eine größere Zustimmung erhielten, machte auch Johannes Becher. "Es gab keine radikalen Ergebnisse", freute er sich, "Im Gegenteil, die Partei Die Frauen war stärker als die NPD." 2013 musste der Kreisjugendring Freising jedoch die Erfahrung machen, dass ohne die Beteiligung der Schulen die U18-Wahl kaum auf Interesse stößt. Damals war ein mobiles Wahllokal auf dem Freisinger Marienplatz eingerichtet worden, doch niemand kam zur Abstimmung. Dieses Jahr wird im Jugendzentrum deshalb gar nicht erst ein Wahllokal organisiert werden.

Ein kleiner Teil der Schüler im Landkreis Freising kann in zwei Wochen aber dennoch abstimmen: Das Karl-Ritter-von-Frisch-Gymnasium in Moosburg beteiligt sich an der U18-Wahl und auch die Mittelschule Neustift nimmt teil. "Es ist super, wenn man das noch so spontan machen kann", sagt Johannes Becher. Für die U18-Landtagswahl 2018 hofft er auf einen passenderen Termin, damit sich wieder mehr Freisinger Schulen beteiligen. Ob eine U18-Landtagswahl in Bayern überhaupt stattfinden wird, entscheidet der Bayerische Jugendring in den kommenden Wochen. Für die U18-Bundestagswahl am 15. September können auch immer noch Wahllokale angemeldet werden. Der Kreisjugendring organisiert außerdem für alle jungen Wähler am selben Tag um 19 Uhr eine Diskussionsrunde im Alten Jugendzentrum. Dort können Interessierte die Direktkandidaten des Landkreises persönlich zu politischen Themen befragen.

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