NPD-Kundgebung in Freising:Verbotene Balladen

NPD-Kundgebung in Freising: Bei einer Kundgebung der NPD in Freising hat ein Sänger verbotene Texte gesungen. Dafür ist er verurteilt worden.

Bei einer Kundgebung der NPD in Freising hat ein Sänger verbotene Texte gesungen. Dafür ist er verurteilt worden.

(Foto: Marco Einfeldt)

Ein 60-Jähriger wird vom Amtsgericht zu 4500 Euro Geldstrafe verurteilt, weil er in Freising rechtes Liedgut verbreitet hat. Empörte Gegendemonstranten hatten ganz genau hingehört

Von Peter Becker, Freising

"Treue" oder "Reue" - der fehlende Buchstabe "T" könnte theoretisch einer Komposition des rechten Liedermachers Frank Rennicke eine ganz andere Bedeutung geben. Aus seiner Feder stammt die Ballade "Deutschland, wie lieb ich Dich". Der Refrain lautet: "Meine Ehre heißt Treue".

Er ist gleichbedeutend mit dem Motto der Waffen-SS und deshalb verboten. Ein 60-jähriger Elektroingenieur hat das Lied während einer NDP-Kundgebung am 9. November des vergangenen Jahres in Freising gespielt. Er behauptet, der Refrain laute "Meine Ehre ist meine Reue." Dies nahm Amtsrichter Manfred Kastlmaier dem Angeklagten nicht ab. Er verurteilte ihn wegen des Verwendens von verfassungswidrigen Kennzeichen zu einer Geldstrafe von 4500 Euro.

Nur ein Zeuge war zu der Verhandlung am Freisinger Amtsgericht geladen. Dabei handelte es sich um einen Beamten, der beim Staatsschutz tätig ist. Er gab an, zunächst den Text des Liedes nicht verstanden zu haben. "Ich bin um die Versammlung rumgekreist wie ein Hirtenhund", schilderte der Zeuge.

Erst empörte Gegendemonstranten hatten ihn auf den Text aufmerksam gemacht. Der Polizist gab zu, dass es ihm schwer fiel, den Refrain zu verstehen. Anfangs glaubte er, nur "Reue" zu hören, später war er sich sicher, das Wort "Treue" zu verstehen. Der Angeklagte und sein Verteidiger Gerald Assner warfen ihm vor, eine ideologisch verbrämte Aussage zu machen. Der Zeuge unterliege "Ressentiments", hatte der Angeklagte während seiner Befragung zum Tathergang gesagt. "Beamte sind darauf konditioniert, bestimmte Dinge zu hören." Deswegen habe er eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen ihn eingeleitet.

Der Angeklagte, er stammt aus Mering bei Augsburg, war für die musikalische Begleitung der NPD-Kundgebung engagiert worden. Neben der Bayern-Hymne und dem Deutschlandlied sollte er Balladen spielen. Unter anderem ertönte da das von Rennicke komponierte Lied. Die CD sei bereits im Oktober 2010 von der Augsburger Polizei beschlagnahmt worden, erzählte der 60-Jährige, der sich selbst als "politisch Verfolgten" betrachtet. "Damals haben sie versucht, mich wegen Volksverhetzung anzuklagen."

Er habe eigens den Komponisten angeschrieben, schilderte er weiter. Unter dieser habe geantwortet, der Refrain laute "Meine Ehre heißt Reue." Dies sei strafrechtlich nicht relevant. Erst kurz vor der NPD-Kundgebung habe er seine beschlagnahmte Kiste mit CDs wieder zurückerhalten. Das Material sei unbedenklich gewesen. Aus dieser habe er das Musikprogramm am Kriegerdenkmal bestritten.

Suchmaschinen führen ins Ausland

Auf deutschen Servern sei das Lied nicht zu finden, erläuterte der als Zeuge geladene Polizist eine Internet-Recherche. Wer aber den Namen des Liedes in einer Suchmaschine eingibt, landet bei Anbietern im Ausland. Ein Blick auf den Text lehrt schnell, dass der Refrain mit dem Motto der SS identisch ist. Rechtsextreme greifen, um der Strafverfolgung zu entgehen, gerne zu Varianten indizierten Gedankenguts des Nationalsozialismus.

So mag es durchaus aus, dass der Refrain in Rennickes Ballade in manchen Aufnahmen auf "Reue" anstatt "Treue" endet. Doch der Gesetzgeber hat nicht nur das Verwenden originärer Kennzeichen durch verfassungswidrige Organisationen in der Öffentlichkeit unter Strafe gestellt. Der entsprechende Paragraf umfasst in einem zweiten Absatz auch solche, die diesen zum Verwechseln ähnlich sind. Auf diese Passage stützte sich Richter Kastlmeier in seinem Urteil. "Es gibt keine Unterscheidung zwischen Original und Variante", stellte er fest.

Die Urteilsverkündung selbst wurde durch einen heftigen Wortwechsel zwischen Richter Kastlmeier, dem Angeklagten und seinem Verteidiger unterbrochen. Als der Richter bemerkte, dass jeder im Gerichtssaal davon überzeugt sei, dass der Polizist eine "nicht ideologisch geformte, neutrale Aussage" gemacht habe, leistete sich Anwalt Assner den Zwischenruf, dass er das anders sehe. Auch der Anwalt tat seinen Unmut kund. Richter Manfred Kastlmeier drohte, bei der nächsten Unterbrechung gegen beide ein Ordnungsgeld zu verhängen.

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