Volksfest-Rundgang mit OB:Schleudergang im Free-Style

Die Fahrt mit so manchem Karussell lässt nicht nur Tobias Eschenbacher erblassen.

Christian Gschwendner

Der Mann im Trachtenjanker über dem rosafarbenem Hemd strahlt Ruhe in reinster Form aus. Der Mann ist Erich Bröckl und seit einer Ewigkeit Volksfestmanager in Freising - von Amts wegen und aus Leidenschaft. Eine gewisse innere Gelassenheit empfiehlt sich an diesem sonnengesegneten Samstagnachmittag, denn auf dem Volksfestplatz in der Luitpoldanlage herrscht ein reges Treiben. Noch können die Familien mit ihren Kinderwagen die Platzhoheit beanspruchen, am Abend wird die Jugend übernehmen. So ein Volksfesttag folgt schließlich geregelten Besucherfluktuationen, er ist für alle da.

Erich Bröckl weiß das natürlich, er steht vor dem Biergarten des "Festzelts zum Ochsen" - in der einen Hand einen Zigarillo, in der anderen einen Schlumpf-Luftballon - und erwartet hohen Besuch. Angekündigt haben sich die Freisinger Stadträte zum traditionellen Volksfestrundgang, erschienen sind die Kommunalpolitiker aber äußerst sparsam: Neben Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher in Begleitung seiner Gattin stehen nur drei Stadträte am Biergarteneingang, später werden es immerhin fünf sein. Eine müde Veranstaltung. Wenigstens entsteht auf diese Weise einer jener in der Kommunalpolitik raren Momente, in denen die Fotografen zahlenmäßig die Oberhand behalten.

Schade sei das schon, sagt Stadträtin Heidi Kammler, man müsse die Wertschätzung für die Aussteller doch zeigen. "Aber es steht eben kein Wahlkampf mehr an", fügt sie noch leise hinzu. Der frisch ins Amt gewählte OB Eschenbacher beschwichtigt da ein wenig. "Offiziell eingeladen sind nur die Vorsitzenden der Fraktionen im Stadtrat", sagt Eschenbacher, also alles halb so wild. Dem Vernehmen nach weilen der Zweite Bürgermeister Rudolf Schwaiger und der Festreferent des Stadtrats Erich Irlstorfer bei einem Termin der Handwerkerinnung in Moosburg. Und so setzt sich der kommunalpolitische Tross etwas behäbig in Bewegung, aber er tut es immerhin. Hier werden Hände geschüttelt, dort ein wenig Höflichkeiten ausgetauscht, die Lerchenfelder Bäckerei "Schweller" ist seit 40 Jahren auf dem Volksfest präsent und erhält zum Jubiläum eine Flasche "Domsekt" von Eschenbacher.

Erich Bröckls Schlumpf-Luftballon verliert mit der Zeit seine Daseinsberechtigung; dass sich das überschaubare Grüppchen verliert, ist unwahrscheinlich. Als kleine Höhepunkte der Tingelei werden in regelmäßigen Abständen die Fahrgeschäfte inspiziert. Mit dem "Booster Maxxx 4G" - dem "größten Gefährt seiner Art, bei dem richtig Power dahinter steckt und das wirklich kein Kinderfahrgeschäft ist", wie Betreiber Tony stolz verkündet - wartet der größte Brocken gleich zu Beginn. Einzig den in solchen Angelegenheiten versierten Sebastian Wanzke vom Stadtverband für Sport treibt die Neugier in eine der beiden wahnwitzigen Gondeln. Nach unzähligen Überschläge und extremer Beschleunigung erklärt er den 55 Meter hohen Turm mit seinen zwei Propellerarmen als für die Magengegend unbedenklich. Man ist versucht, leise Zweifel am Expertenurteil anzumelden. Gemächlicher lässt es da OB Eschenbacher angehen, den Herausforderungen stellt er sich aber trotz Hitze und Trachtenanzug. Bei der Kettenkarussellfahrt mit Frau Nergiz bleibt noch Spielraum für eine kleine Pose mit Mobiltelefon, richtig ernst wird es für den ersten Mann in der Domstadt im "Schnee-Circus", auch weil der Einpeitscher eine diabolische Freude an der Sonderbehandlung des Oberbürgermeisters entfaltet, auch weil die kreischenden Mädchen mit Zahnspange wie immer mehr wollen im weiß-roten Scheinwerfergewitter. Es gibt deshalb die ein oder andere Extrarunde, und auch vor dem Rückwärtsgang bleiben die Insassen nicht verschont. Der Schleudergang im "Free-Style" sei ihm dann aber doch ein wenig zu krass gewesen und so erklärt ein leicht erblasster Tobias Eschenbacher den Rundgang nach eineinhalb Stunden für beendet.

Anita Agtsch, die das Fahrgeschäft zusammen mit ihrem Vater betreibt, erinnert sich da schmunzelnd an Erich Bröckl, der sei gestern gleich zweimal hintereinander bei ihr eingestiegen ist und das ohne mit der Wimper zu zucken. Den glorreichen Schlusspunkt setzt Karl-Heinz Freitag von den Freien Wählern beim "Hau den Lukas", er jagt den Metallkörper einem Perpetuum Mobile gleich pausenlos zum Anschlag hoch und stiehlt damit Hubert Hierl an seinem 68. Geburtstag die Show. Der Fraktionsvorsitzende der CSU musste trotz energischem Hammerschlag bei der für "Salatköpfe" vorgesehenen Höhe kapitulieren. Ähnlich ergeht es Heidi Kammler, die sich mit einem "Säuglingsstatus" bei der Kraftprobe begnügen muss.

Für die örtliche Politprominenz ist damit endlich der Weg ins Festzelt geebnet. Draußen sorgt ein flimmerndes Lichtermeer für den Volksfest-Atmosphäre, im Zelt tanzen bereits die ersten Jugendlichen zur Musik der "Fetzentaler" auf den Tischen. Auch der Autoscooter befindet sich nun in fester Hand der jungen Freisinger, Balzrituale und Reviermarkierungen eingeschlossen. Man merkt es Bröckl äußerlich nicht an, aber er freut sich über den reibungslosen Traumstart des Volksfestes. Ein ganzes Jahr nimmt die Vorbereitung in Anspruch und wenn es auf den Eröffnungstag zugeht, dann schläft auch der ansonsten seelenruhige Bröckl schlechter. "Als Beruhigungsmittel gegen die Last der Verantwortung hilft das ein oder andere Bierchen. In Maßen nicht in Massen, das versteht sich von selbst," sagt Bröckl. Er hält noch einmal kurz inne, dann taucht er wie die fünf Stadträte in der Menge unter.

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