Viele Geheimnisse:Landratsamt präsentiert archäologischen Sensationsfund

Viele Geheimnisse: Die Funde bei Murr sind nicht nur für Archäologen eine Sensation: Der Hochzeitsbecher zeigt die einzige figürliche Darstellung der Zeit.

Die Funde bei Murr sind nicht nur für Archäologen eine Sensation: Der Hochzeitsbecher zeigt die einzige figürliche Darstellung der Zeit.

(Foto: Landratsamt)

Für die Menschen der Jungsteinzeit war der Weiler Murr bei Moosburg eine bedeutende Siedlung. In die Literatur eingegangen ist vor allem der dort gefundene "Hochzeitsbecher".

Von Peter Becker, Moosburg

Mit den Ausgrabungen und den bedeutenden Funden von Murr bei Moosburg beschäftigt sich Kreisarchäologin Delia Hurka in der neuesten Ausgabe der "Heimatgeschichten" auf der Internetseite des Landratsamts. Ausdrücklich würdigt sie dabei die Verdienste von Erwin und Anne Neumair, die durch jahrelange Begehungen die Erforschung des Geländes initiierten. Beide sahen das Bodendenkmal durch die intensive Landwirtschaft gefährdet. Sie führten deshalb mit dem Archäologischen Verein Freising von 1992 bis 1998 mehrere Grabungen durch. Bei den Untersuchungen entdeckten sie mehrere Siedlungen der Jungsteinzeit (etwa 4400 bis 3800 vor Christus).

In einem ruhigen Seitental der Amper liegt in der Nähe von Moosburg unweit des Ambacher Bachs der kleine Weiler Murr. Nördlich davon siedelten vor über 7000 Jahren Menschen der ersten Ackerbauernkultur in Mitteleuropa, der Linearbandkeramik (etwa 4300 bis 4000 vor Christus). "Die Spuren, die die damaligen Menschen im Boden hinterlassen haben, sind unsere einzige Quelle für die Rekonstruktion der Lebenswelt in den schriftlosen Zeiten", betont Delia Hurka. Aus diesen lässt sich schließen, dass Murr eine bedeutende Siedlung in der Jungsteinzeit mit typischen Langhäusern war. Spätestens zu Beginn des vierten Jahrtausends vor Christus sei diese aufgegeben worden, erläutert die Kreisarchäologin.

Zwar fänden sich auch Spuren der mittleren Jungsteinzeit auf der Fläche, besondere Bedeutung hätten dann aber erst wieder die Befunde der nachfolgenden Münchshöfener Kultur (4400 bis 3800 vor Christus). Diese Kulturgruppe kennzeichnet eine charakteristische Form und Verzierungsweise der Keramik. In Murr finden sich die typischen Schultergefäße mit den Furchenstichlinien, die sich oft flechtbandartig ineinander winden.

Der Becher ist mit einem Menschen verziert. Es ist die einzig bekannte derartige Zeichnung dieser Kultur

Viele Geheimnisse: Die Ausgräber entdeckten auch einen Löffel.

Die Ausgräber entdeckten auch einen Löffel.

(Foto: Landratsamt)

Im Gegensatz zur Linearbandkeramik fehlen bei den Münchshöfener Befunden deutliche Spuren von Hausgrundrissen. Nur einzelne Pfostenstellungen gäben Hinweise auf kleinere Gebäude unregelmäßiger Form, erläutert Delia Hurka. Schwierigkeiten, Spuren von Behausungen zu fassen, seien typisch für Fundstellen aus dieser Zeit. "Mit Sicherheit liegt hier eine veränderte Bau- oder Konstruktionsform zugrunde", erklärt die Kreisarchäologin. Wie diese aussah und ob damit eine veränderte Lebensweise verbunden war, lasse sich noch nicht sicher beantworten.

Auf dem Grabungsfeld bei Murr befinden sich mehrere Gruben, die entweder Abfall oder Vorräte aufnehmen sollten. Auffällig ist ein halbquadratisches, unregelmäßiges Grabenwerk, über dessen Zweck sich die Archäologen noch nicht im Klaren sind. Auf der Sohle dieses Grabens fanden sich große Mengen an Keramik. Teilweise wurden dort ganz Gefäße deponiert. Laut Delia Hurka fanden die Ausgräber bei Murr tonnenweise Scherben. "Wohl über 30 000 Fragmente", schätzt sie.

Bemerkenswert sei die hohe Qualität der teilweise extrem dünnwandigen Keramiken sowie der hohe Anteil an Sonderformen. Besonders fällt ein kleiner Becher mit der Ritzzeichnung zweier Menschen auf. Er ist als "Hochzeitsbecher" in die Literatur eingegangen. Das Besondere daran ist, dass Darstellungen von Menschen zu jener Zeit nicht üblich waren. "Es handelt sich hier um die bisher einzige bekannte figürliche Zeichnung in der Münchshöfener Kultur", stellt Delia Hurka fest.

Auf dem Speiseplan der Menschen standen Einkorn, Nacktweizen, Erbsen und Fleisch

Archäobotanische Untersuchungen aus dem Jahr 1996 geben Aufschluss darüber, was zum Speisezettel der Siedler von Murr gehörte. Neben Produkten aus Einkorn und Nacktweizen gab es Erbsen. Angebaut wurde Lein, der wohl zur Herstellung von Gewebe diente. In den Abfallgruben fanden sich Tierknochen. Diese weisen daraufhin, dass die Siedler Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen gehalten haben. Wildbret stand wohl eher selten auf dem Speiseplan. Bissspuren an Rinderknochen weisen daraufhin, dass sich die Siedler Hunde gehalten haben.

Archäologen deuten die Funde als Hinweis auf eine zentrale, vielleicht sogar überregional bedeutende Siedlung am Ende des fünften und zu Beginn des vierten Jahrtausends vor Christus. Von großem wissenschaftlichen Wert ist, dass viele Gruben keine Vermischungen mit anderen Zeiten aufweisen. "Die dringend erwartete Analyse des Fundmaterials und der Dokumentation steht aber noch aus", sagt Delia Hurka.

Die Funde aus Murr lagern im archäologischen Depot des Landratsamts. Dort können sie in einer vom Archäologischen Verein ausgestatteten Ausstellung jeden ersten Sonntag im Monat besichtigt werden. Sie bietet einen Überblick zur gesamten Vor- und Frühgeschichte des Landkreises bis hin zu Römern und Frühmittelalter sowie zur Neuzeit.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: