Verfahren gegen 60-Jährige:Hypnose im Stall und Baum-Umarmungen

Bäume im Sollner Wald

Die Angeklagte soll alles und jeden fotografiert und mit einem Baum gesprochen haben (Symbolbild). Dies sei eher ein Fall für den Betreuungsrichter sei, denn für den Strafrichter, sagt Richter Kastlmeier.

(Foto: HESS, CATHERINA)

Bei einem skurrilen Nachbarschaftsstreit vor dem Freisinger Amtsgericht geht es um die geheimen Fotoaufnahmen und den Hausfriedensbruch einer 60-Jährigen.

Von Peter Becker, Freising

Die Angeklagte hat ihre Marotten. Laut Aussagen eines Zeugen hat sie ständig seine Kinder, alles und jeden, fotografiert, einen Baum im Ort umarmt und mit ihm gesprochen. Außerdem ist sie bekennende Tierfreundin. Tiere sollen auf einem benachbarten Bauernhof gequält und hypnotisiert worden sein. Hat sie sich beschwert, gab es Streit. Und weil sie eines Tages einen Carport betreten haben soll, der einem Nachbarn gehört und dort Autos fotografierte, handelte sie sich eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs ein. Richter Manfred Kastlmeier stellte das Verfahren gegen die 60-Jährige, die mittlerweile in einem anderen Landkreis lebt, wegen geringen Verschuldens am Freisinger Amtsgericht ein.

Die Angeklagte lebte im vergangenen Jahr in einer Pension in einem Dorf des Landkreises. In deren Nachbarschaft befindet sich ein Bauernhof einer Landwirtin und die Werkstatt eines Kfz-Mechanikers. Mit beiden gab es Auseinandersetzungen. Mit der Bäuerin wegen ihrer Tiere. Ein Hund soll geschlagen worden sein und soll deshalb gejault haben. "Und ich war die einzige, die das hörte", sagte die Angeklagte. Sie ist der Meinung, dass ihre ehemaligen Nachbarn Lügengeschichten über sie erfunden haben.

Der Mechaniker nahm Fotoblitze wahr, die aus seinem Carport kamen

Vom Nachbarn handelte sich die 60-Jährige ein Hausverbot ein. Grund dafür war, dass sie eines Abends gegen 20 Uhr das Grundstück des Mechanikers betrat, der dort mit Werkzeug hantierte. Das Scheppern nervte die Frau offenbar. Sie ging auf den Mann zu und bat ihn, mit dem Lärm aufzuhören. Sie wolle schlafen gehen. "Ich hab höflich gebeten", schilderte die Angeklagte die Situation. Trotzdem entwickelte sich ein Streit. Offenbar, weil der Nachbar davon genervt war, dass die Frau seine Kinder fotografierte. Den Morgen darauf nahm der Mechaniker Fotoblitze wahr, die anscheinend aus seinem Carport kamen. Er kleidete sich rasch an und traf die Beschuldigte auf dem Gehweg an. Den Behauptungen der Bäuerin zufolge hatte die 60-Jährige zuvor den Geräteschuppen des Mechanikers betreten. Was sie denn fotografiert habe, wollte Richter Kastlmeier wissen. Die Beschuldigte sagte, sie habe die Reifen ihres Autos abgelichtet. Diese seien nämlich oft mit Flüssigkeiten verschmutzt gewesen, die auch nach Chemikalien gerochen hätten.

Gestützt auf die Behauptung der Bäuerin, die Frau habe sein Grundstück betreten, erstattete der Mechaniker Anzeige wegen Hausfriedensbruchs. Ob denn der Mann das Wort "Hausverbot" in den Mund genommen habe, wollte der Richter von einem als Zeugen geladenen Polizisten wissen. Daran konnte dieser sich nicht mehr erinnern. Es könne sein, dass er zuerst davon gesprochen habe. Der Mechaniker wollte bezüglich seiner Kinder "das Recht auf das eigene Bild" geltend machen. Der Polizist machte ihm klar, dass da wenig Aussicht auf Erfolg bestehe.

Richter Kastlmeier stellte das Verfahren, dem wohl längerfristige Konflikte zugrunde lagen, ein. Er stellte fest, dass die Beschuldigte wohl eher ein Fall für den Betreuungsrichter sei, denn für den Strafrichter. Inwieweit das tatsächlich der Fall ist, kam während der Verhandlung nicht zur Sprache.

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