Unternehmerdialog am Flughafen:Angst vorm Zornbürger

Auch in der Region scheitern ambitionierte Projekte am Widerstand der Anwohner. Unternehmer betrachten das mit Sorge. Landtagsabgeordneter Magerl begründet den Widerstand mit dem Siedlungsdruck in der Region

Von Alexandra Vettori, Flughafen

Die Stadt Freising hat es selbst erst im vergangenen Jahr erlebt, dass öffentliche Proteste die Ansiedelung eines Betriebs verhinderten. Da wollte der Lebensmittelgroßhändler Transgourmet ein Logistikzentrum in das Gewerbegebiet Clemensänger bauen. Nachdem sich Kritik erhoben hatte und im Oktober ein Bürgerentscheid anstand, zog das Unternehmen seinen Bauantrag zurück. Anlass genug für den Moosburger Unternehmer und IHK-Vizepräsident Otto Heinz bei seinem Unternehmerdialog am Flughafen der Frage "Bremsen Bürgerproteste Unternehmensansiedlungen?" nach zu gehen. Dass sich gerade im Großraum München immer mehr Widerstand gegen Bau- und Großprojekte regt, erklärte Grünen-Landtagsabgeordneter Christian Magerl mit dem starken Siedlungsdruck in der Region.

Petra Reindl, Geschäftsführerin der Sixtus Werke Schliersee, ist es mit der geplanten Standorterweiterung der Sixtus-Produktionsstätte in Schliersee ähnlich wie Transgourmet in Freising ergangen, wie sie bei dem Unternehmensdialog freimütig berichtete. Sixtus produziert seit 81 Jahren Pflegeprodukte, einer der Gesellschafter ist der frühere Fußballspieler Philipp Lahm. In Schliersee wollte Sixtus zur neuen Produktionsstätte eine Erlebniswelt für Kunden bauen, doch dafür hätten 4000 Quadratmeter Grund aus einem Landschaftsschutzgebiet herausgenommen werden müssen. Gemeinderat und Kreistag hatten zugestimmt. Dann kamen die Bürgerproteste, laut Petra Reindl ausgehend von einem Gemeinderat, der bei der Abstimmung unterlegen war. In der Folge, berichtete sie, sei in den sozialen Medien Stimmung gemacht worden, aus ihrer Sicht teils mit Falschaussagen. "Aber man kann das irgendwann nicht mehr richtig stellen", betonte sie. Beim Bürgerentscheid 2016 waren 55 Prozent der Wähler gegen das Vorhaben. Jetzt hat Sixtus einen Standort in Fischbachau im Visier, doch auch dort regt sich bereits Widerstand.

Nach dem Bürgerentscheid habe sie aus ganz Deutschland Angebote für Gewerbegrundstücke erhalten, erzählte die Sixtus-Geschäftsführerin. Doch das Traditionsunternehmen möchte im Alpenvorland bleiben, "nahe an den Wiesenkräutern, die wir verarbeiten", wie sie erklärte.

"Das Sixtus-Vorhaben ist sicher ein Ausnahmefall", betonte Christian Magerl, der auch im Beschwerdeausschuss sitzt. Er richtete den generellen Rat an Unternehmen, die Finger von Flächen zu lassen, die Schutzcharakter haben. Tatsächlich stehe Bayern bei der Neuversiegelung von Boden immer noch an der Spitze der Bundesrepublik. Gleichzeitig verlaufe diese Entwicklung aber unsymmetrisch, was Magerl mit Zahlen der bayerischen Wirtschaftsförderung belegte: Danach sind im Vorjahr 2530 Arbeitsplätze in Bayern neu entstanden, 1683 in Oberbayern und nur fünf in Oberfranken. Von 89 geförderten Projekten liegen 79 in Oberbayern, null in Oberfranken. Magerl betonte: "Da ist dringend die Landespolitik gefragt."

Für Unternehmen zog der Moderator des Abends, Rudolf Erhard, ehemaliger Landtagskorrespondent des Bayerischen Rundfunks, als Fazit, dass diese mehr auf die Stimmung der Bevölkerung achten sollten und nicht nur auf die Zustimmung im Gemeinderat. "Die Fettnäpfe, in die ich treten kann, vorher eruieren", wie er es ausdrückte. In diese Richtung ging auch der Rat des Regionalbeauftragten des Flughafens, Rudolf Strehle: "Man sollte den Wind heraus nehmen, bevor Geld in die Hand genommen wird, am besten ist eine Beteiligung der Bürger zu einem frühest möglichen Zeitpunkt."

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