Übergriff auf Frau am Flughafen:Kranke Psyche

Angeklagter gesteht sexuellen Übergriff auf eine Frau im Zentralbereich des Flughafens. Wegen einer "manischen Störung" ordnet das Landshuter Landgericht keine Haft, sondern die Unterbringung in einer Psychiatrie an.

Von Alexander Kappen, Landshut/Flughafen

An der Tat besteht kein Zweifel. Der 27-jährige Angeklagte gestand zu Prozessbeginn über seine Anwältin, dass er am 8. Oktober vergangenen Jahres am Münchner Flughafen über eine 35-jährige Frau hergefallen war und sie zum Sex zwingen wollte. Er räume den Vorwurf, wie er in der Anklage stand, "ohne Wenn und Aber" ein, sagte die Verteidigerin. Die Frage war nur, ob der Elektriker, der in seiner Heimatstadt Bologna seit 2009 in psychischer Behandlung war und unter schizoaffektiven Störungen leidet, schuldfähig ist. Die vierte Strafkammer des Landshuter Landgerichts unter Vorsitz von Richter Oliver Dopheide meinte: Nein. Sie sprach den 27-Jährigen vom Vorwurf der sexuellen Nötigung frei und ordnete die Unterbringung in der Psychiatrie an.

Laut Anklage traf der Elektriker, der erst ein paar Tage zuvor aus Italien nach Deutschland gekommen war, um zu sich selbst zu finden, die 35-Jährige gegen zwei Uhr in der S-Bahn. Später sprach er sie in einem Café am Flughafen an und begleitete sie nach draußen zum Rauchen. Die Frau, die auf dem Weg zur Arbeit war, zeigte kein Interesse an einem Gespräch, machte das gegenüber dem Angeklagten deutlich und verabschiedete sich, als sie wieder im Zentralbereich des Flughafens waren, von dem 27-Jährigen. Dieser drängte die Frau mit seinem Körper an die Fensterscheibe eines Geschäfts und wollte sie auf den Mund küssen. Die 35-Jährige drehte den Kopf weg, sagte, sie habe einen festen Freund und forderte den Angeklagten "in einem forschen Ton" auf, zu verschwinden. Darauf hielt der 27-Jährige sie fest, drückte sie mit seinem Körper gegen die Scheibe und versuchte mit einer Hand seine Hose zu öffnen. Die 35-Jährige wollte fliehen, doch der Angeklagte riss sie zu Boden, stürzte sich auf sie und versuchte vergeblich, ihre Strumpfhose und den Slip nach unten zu ziehen. Die Frau schrie laut um Hilfe. Schließlich kam ein Mann und zog den Angeklagten von ihr herunter.

Als er am Tatort eingetroffen sei, "waren bereits Bundespolizisten und zivile Polizisten da", berichtete ein Beamter der Flughafenpolizei in der Verhandlung. Auf ihn machte der Angeklagte - genauso wie auf seine Kollegen von der Erdinger Kriminalpolizei, die sich schließlich um den Fall kümmerten - einen wirren Eindruck. "Er war ein bisserl teilnahmslos und hat gewirkt, als ob er gar nicht da wäre", sagte der Flughafenpolizist als Zeuge aus. "Seine Antworten waren sehr konfus, er war sprunghaft und hat abwesend gewirkt", sagte einer der Kripo-Beamten. "Er hat gesagt, dass er in den Tagen zuvor wenig geschlafen und gegessen hat - und das, was er gegessen hat, war Fleisch, und da wird er immer geil drauf, hat er gesagt", berichtete der Polizist. Die Tat habe der 27-jährige als "unkonventionellen Weg" bezeichnet. Für den Angeklagten sei die Tat "nicht Realität gewesen, sondern wie in einem Film, er hat keinen Einfluss mehr darauf gehabt, seine Hände sind mit ihm durchgegangen, hat er gesagt". Der nicht vorbestrafte Angeklagte sagte den Polizisten, dass er viel Mist in seinem Leben gebaut habe und die Strafe, die ihn nun für seine Tat erwarte, "so eine Art Fegefeuer für ihn ist". Fragen nach seiner Gesundheit sei der 27-jährige zunächst ausgewichen, erzählte einer der Kripo-Beamten den Richtern. Dann aber habe er doch davon berichtet, in Italien bereits wegen einer psychischen Erkrankung behandelt worden zu sein und Medikamente bekommen zu haben.

Unter Alkoholeinfluss stand der Angeklagte bei der Tat laut medizinischem Gutachten nicht. Ein Drogentest deutete auf Cannabiskonsum hin, der aber schon länger zurückliege, hieß es im Gutachten. Allerdings sei "zu vermuten", dass sich der 27-Jährige zur Tatzeit "im Zustand einer manischen Störung befand", schrieb die Ärztin, die den jungen Mann in Italien behandelt hatte, in ihrer vom Landgericht angeforderten Stellungnahme. Der Angeklagte sei von 2009 bis September 2014 wegen einer schizoaffektiven Störung - diese vereint die Symptome der Schizophrenie und der manisch-depressiven Störung - permanent mit Medikamenten und durch Gesprächstherapien behandelt worden.

Der psychiatrische Gutachter, der den Angeklagten in der Untersuchungshaft untersuchte, diagnostizierte "eine akute schizophrene Störung und depressiv Affekte". Er habe akustische Halluzinationen, höre Stimmen und fühle sich von seiner Familie verfolgt. Bei der Tat habe er sich offenbar außerhalb der Realität gefühlt. An der Schuldfähigkeit des Angeklagten, so hieß es in dem Gutachten, "bestehen erhebliche Zweifel". Auch Landgerichtsarzt Hubert Näger meinte, eine Schuldunfähigkeit sei aufgrund der schizoaffektiven Störung nicht auszuschließen. Staatsanwältin und Verteidigerin beantragten daraufhin einen Freispruch sowie die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik.

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