Übergangsklassen für Flüchtlingskinder:Keine Wunder erwarten

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An der Paul-Gerhardt-Mittelschule in Freising gibt es schon länger Übergangsklassen für die Kinder von Flüchtlingen. (Foto: Marco Einfeldt)

Der Unterricht der oft traumatisierten Buben und Mädchen stellt die Lehrer vor eine große Herausforderung. Nach drei Jahren läuft es zwar fast überall rund, trotzdem hoffen die Schulen auf eine großzügige Stundenzuweisung

Von Gudrun Regelein, Landkreis

In Übergangsklassen Lehrer zu sein, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Hier lernen Flüchtlingskinder und andere ausländische Kinder Deutsch und werden auf den Unterricht in Regelklassen vorbereitet. Für viele Lehrer ist es schwierig, mit den Traumata der Kinder umzugehen. "Diese Kompetenzen haben wir nicht. Dafür sind wir nicht ausgebildet", betonte kürzlich Klaus Wenzel, Ehrenpräsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV). Lehrer in Bayern fühlten sich im Stich gelassen. Im Landkreis scheint das jedoch anders zu sein: "Klar, die Belastung ist groß. Aber wir haben eben auch eine Ausnahmesituation", sagt Kerstin Rehm, BLLV-Kreisvorsitzende und Rektorin der Grundschule in Haag.

Im Landkreis gibt es nicht an jeder Schule, die von Flüchtlingskindern besucht wird, eine Übergangsklasse. Auch in Haag nicht. Dort unterrichtet eine frühere Lehrerin die vier Kinder ehrenamtlich in Deutsch, dazu kommen Förderstunden, ansonsten aber besuchen diese den Regelunterricht. "Lehrer haben viele Lasten: Inklusion und nun in besonderem Maße die Integration. In der Summe ist das viel, vielleicht zu viel", sagt Rehm. Gerade zu Beginn sei es mit neuen Flüchtlingskindern schwierig. Vor allem, wenn diese wegen Sprachproblemen den Unterricht nicht verstehen. "Aber wir tun alles, damit sie sich in ihrer neuen Heimat wohlfühlen."

Insgesamt gibt es im Landkreis derzeit vier Übergangsklassen mit etwa 70 Schülern - zwei an der Georg-Hummel-Mittelschule in Moosburg und zwei an der Paul-Gerhardt-Schule in Freising. Alle werden von Lehrern geleitet, die sich freiwillig dafür gemeldet haben. "Verpflichtet wurde niemand, alle machen das aus Interesse", berichtet Schulamtsdirektorin Irmintraud Wienerl. Bis auf eine Ausnahme haben alle eine Ausbildung als Lehrer in "Deutsch als Zweitsprache". Und alle seien intensiv vorbereitet worden: in Fortbildungen - auch zum Thema Umgang mit traumatisierten Kindern - und durch die Möglichkeit, in anderen Landkreisen an Schulen mit einer Übergangsklasse zu hospitieren. "Das bedeutete einen optimalen Start, bei Null musste niemand anfangen." Zudem gebe es für jede Schule ein Kompendium, das versuche, alle möglichen Fragen zu beantworten. Nach drei Jahren laufe es rund, auch, wenn man noch mehr Übergangsklassen füllen könnte, sagt Wienerl.

Neben den Kindern in den Übergangsklassen gibt es viele, die Regelklassen besuchen: Eine detaillierte Übersicht zu Asylbewerber- und Flüchtlingskindern gibt es im Landkreis zwar nicht. In den vergangenen drei Jahren seien aber 540 Kinder in der Kategorie "Migranten mit erheblichen Sprachdefiziten in Deutsch" erfasst worden, berichtet Wienerl. Diese Kinder würden unter anderem durch eine mobile flexible Reserve für mehrere Wochen intensiv unterrichtet. "Das hat den Vorteil, dass sie den Klassenverband nicht verlassen müssen und im Ort bleiben können."

Zwei Übergangsklassen gibt es derzeit an der Paul-Gerhardt-Mittelschule in Freising: eine für die Jahrgangsstufe 5 und 6 und eine für die 7. und 8. Klassen. Dazu kommen derzeit knapp 20 Kinder aus Asylbewerberfamilien, die in der Unterkunft an der Wippenhauser Straße leben und an der Grund- oder Mittelschule eine Regelklasse besuchen. "Wir hatten überhaupt keine Erfahrung", erinnert sich Rektorin Karin Buchner. Zu Beginn seien die Flüchtlingskinder nur für vier Schulstunden unterrichtet worden. "Wir mussten erst einmal herausfinden, wo jedes Kind steht. Mehr ging bei der psychischen und physischen Belastung auch gar nicht." Außerdem seien dadurch die Lehrer und der Rest der Klasse entlastet worden - und man habe sich kleine Ziele gesetzt: "Niemand sollte von sich erwarten, Wunder zu bewirken. Beispielsweise, dass die Kinder in einem halben Jahr Deutsch lernen." Es sei schon ein Erfolg gewesen, wenn die Kinder jeden Tag kamen, pünktlich waren und ihre Materialien dabei hatten, berichtet Buchner. "Wir tun, was wir können. Aber wir müssen auch auf uns selber achten."

Erich Golda, Leiter der Georg-Hummel-Mittelschule, erzählt von einem "sehr schwierigen" ersten Halbjahr: "Wir hatten nur eine Übergangsklasse. Die Lehrerin musste wegen der vielen verschiedenen Niveaus sehr intensiv differenzieren - das war grenzwertig." Seitdem es zwei Übergangsklassen gebe, laufe es besser. Auch, wenn immer wieder neue Schüler ohne Deutschkenntnisse kämen: "Da müssen wir immer wieder von ganz vorne anfangen." Golda hofft auf eine großzügige Stundenzuweisung im kommenden Schuljahr, denn eigentlich wäre eine zweite Lehrkraft in den Übergangsklassen notwendig.

© SZ vom 21.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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