Überall in der Altstadt wird gebaut:Freising verändert sein Gesicht

Neben jahrhundertealten Häusern entstehen moderne Wohnanlagen samt Tiefgarage. Für Hildegard Sahler vom Landesamt für Denkmalpflege ist das ein Gräuel

Von Regina Bluhme

Überall in der Altstadt wird gebaut: Moderne Wohnungen neben historischen Gebäuden. In der Altstadt findet sich das immer öfter. Ein Beispiel sind die Ziegelhöfe.

Moderne Wohnungen neben historischen Gebäuden. In der Altstadt findet sich das immer öfter. Ein Beispiel sind die Ziegelhöfe.

(Foto: Marco Einfeldt)

Freising Der "Historische Verein" macht sich Sorgen um Freising, Sorgen, "dass hier schleichend und ständig historische Substanz geschliffen wird". Das erklärte der Vorsitzender Günther Lehrmann bei der Jahreshauptversammlung am vergangenen Dienstagabend im Asamfoyer. Ziemlich kritisch äußerte sich in dieser Sache auch die Gastrednerin des Abends, Hildegard Sahler. Die Oberkonservatorin am Landesamt für Denkmalpflege sprach über Bausünden, gefährdete historische Gebäude und verschwundene Grünflächen in Freising. Der Titel ihres Vortrags lautete "Das Ensemble und seine Werte: gestern - heute - morgen?" Dahinter stand ein dickes Fragezeichen.

Zunächst einmal kam ein Ausflug in die Vergangenheit. Das Katasterblatt von 1810, das Hildegard Sahlers Computer an die Wand warf, zeigte zahlreiche Grünflächen im Stadtzentrum. Auch auf einer späteren Karte von 1858 "ist Freising immer noch eine sehr grüne Stadt", so Hildegard Sahler. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts hatten viele Bürger Gärten in der Altstadt, auch durchaus größere Parzellen. "Die konnten sich die Menschen damals leisten", informierte die Konservatorin.

Eine der größten Grünflächen bot natürlich der Domberg. Man möchte es kaum glauben, aber der Südhang war einst ein aufwendig gestalteter Barockgarten, mit geometrischen Landschaftselementen, mit einem See, kleinen Wegen und Mäuerchen, so Hildegard Sahler. Wege und Mauern sind heute überwuchert. Das bedauerte sie sehr. Die Stadt solle alles daran setzen, um die "grüne Wiese" wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, forderte sie. Größere Grünflächen seien im Stadtgebiet ohnehin rar gesät. "Amtsgerichtsgarten, Friedhof und Domberg. Das war es".

Schon war sie bei diversen Bausünden von heute angelangt. Überhaupt nicht einverstanden ist die Oberkonservatorin zum Beispiel mit dem Neubau "Am Wörth", hinter dem Hotel "Zur Gred". Hier sei eine eingeschossige Werkstatt durch einen, "von der Dimension unglaublichen", Neubau ersetzt worden, kritisierte sie. Ein klarer Bruch mit der früheren "kleinstädtischen Ansicht". Es sei doch wichtig, im Stadtbild zu sehen, "dass hier auch mal Kleinbauern und Handwerker lebten", betonte sie. Gebäude dürften nicht durch "gesichtslose Neubauten" ersetzt werden. Das gelte zum Beispiel auch für Bauten "Am Graben" und "Am Büchl".

Gar nicht anfreunden kann sich Hildegard Sahler auch mit den "Ziegelhöfen". "Da fehlen mir fast die Worte". Noch dazu sei hier eine Tiefgarage gleich neben einem denkmalgeschützten Haus errichtet worden. Apropos Tiefgaragen: Diese sollten nach ihrer Ansicht möglichst nicht in der Altstadt errichtet werden, denn sie sorgten nur für noch mehr Verkehr.

Um die Zukunft einiger historischer Ensembles macht sich Hildegard Sahler ziemliche Sorgen. Da ist zum Beispiel die Stieglbräugasse mit dem ehemaligen Camera-Kino. Das Kino war ein Teil des vorderen Stieglbräus und "passte sich der Baulinie sehr gut an", so Hildegard Sahler. Der Neubau werde nun ein Stockwerk höher - "wenn das in Zukunft der Maßstab ist, dann weiß ich auch nicht". Am Mittleren Graben werde gerade ein Baudenkmal abgerissen, "das Haus passt wunderbar in die Struktur der Gasse", betonte Hildegard Sahler. Von der Substanz her "wäre es zu sanieren gewesen". Nun kommt ein Neubau. Und der Abbruch eines denkmalgeschützten Hauses an der Weizengasse ist bereits beantragt. "Da kämpfen wir noch darum", informierte Hildegard Sahler. "Wir haben leider auch Kämpfe verloren."

Nach Ansicht von Hildegard Sahler braucht Freising dringend eine Altstadtsatzung. "Damit haben sie eine Linie, die für alle gleich ist. Dann gibt es keine Ausnahmen mehr", ist sie überzeugt. Zugleich rief sie den Historischen Verein auf, verstärkt an die Öffentlichkeit zu gehen. Damit stieß sie beim Vorsitzenden Günther Lehrmann auf offene Ohren. Denkmalschutz und Stadtbildpflege seien besonders wichtige Aufgabe des Vereins, betonte er. Die Mitglieder müssten sich verstärkt dafür einsetzen, "dass nicht alles gnadenlos preisgegeben wird, was Freising ausmacht".

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