Troja im Ampertal:Ägypten, Griechenland und Bernstorf

Eine Fernseh-Dokumentation zeigt am Samstag die versunkene Welt der Bronzezeit und die stellt Kranzberger Befestigung in den Mittelpunkt.

Martin Bernstein

"Troia im Ampertal"? Da platzt Ausgräber Rüdiger Krause, Prähistoriker an der Frankfurter Goethe-Universität, der Kragen. Der Haimhausener Mediziner und Freizeitarchäologe Manfred Moosauer, der die bronzezeitliche Siedlung nahe Gut Bernstorf einst entdeckte, hat diesen Begriff geprägt. Und jetzt wollte ihn Peter Prestel für seine "Terra X"-Folge verwenden, die am Samstag vom Sender Arte ausgestrahlt wird. "Nichts Besseres fällt den Journalisten ein", schimpft Krause, der seit 2010 zusammen mit seiner Mitarbeiterin Vanessa Bähr und Studenten und mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft auf dem Hügel über der Amper gräbt. "Ich habe das Naheliegende vorgeschlagen: das Mykene Bayerns."

Mykene - auch nicht gerade tiefgestapelt. Damit möchte Krause auf die Beziehungen anspielen, die es vor 3300 Jahren zwischen dem Griechenland der homerischen Helden und der Befestigung an der Amper offenbar gab: die Bernsteinsiegel, das goldene Kultbild, die mykenischen Schriftzeichen, die Moosauer in Bernstorf entdeckte. Alles zweifelsfrei echt - und sensationelle Hinweise auf eine globalisierte Welt der Bronzezeit. Der Bernstein stammt aus dem Baltikum, das geläuterte, gereinigte Gold aus Ägypten. Doch wie hing das alles zusammen? War Bernstorf möglicherweise gar keine Stadt, sondern eine Kultanlage? Die 1,6 Kilometer lange Mauer wurde um 1340 vor Christus erbaut und umschloss ein 14 Hektar großes Areal. Doch Siedlungsspuren aus der Bronzezeit haben Krause und sein Team noch nicht entdeckt. "Das war nie eine befestigte Großsiedlung", fasst er den momentanen Kenntnisstand zusammen. Doch was dann? Und warum wurde die Mauer kurz danach systematisch niedergebrannt? Eine rituelle Verbrennung?

Peter Prestel und Gisela Graichen haben zusammen mit den Bernstorf-Ausgräbern ein Stück der Mauer wiederaufgebaut und für ihren Film in Flammen aufgehen lassen. Für den Nachbau von nur sechs Metern der Mauer wurden 24 Kubikmeter Holz, 18 Holzstangen, 35 Tonnen Sand und eine Fuhre Lehm gebraucht. Die Feuerwehr hat nachgemessen: "Die Außentemperatur bei unserem Versuchsbrand war 1000 Grad", berichtet Manfred Moosauer, "innen sicher wesentlich höher".

Vom Baltikum über Griechenland bis nach Ägypten reichte das Handels- und Beziehungsnetz der Menschen, die vor 3300 Jahren in Bernstorf lebten. Diesem Geflecht geht der Film der populären "Terra X"-Reihe nach. "Der Dokumentarfilm folgt den Spuren der Bernsteinhändler der Antike und entdeckt in Bernstorf bei Freising eine versunkene, durch Bernsteinhandel einst unermesslich reiche Stadt", schreiben die Programmverantwortlichen etwas vollmundig. "Eine uralte Handelsroute muss die beiden Enden der damals bekannten Welt verbunden haben: vom Nil zu den sturmumtosten Gestaden der Nebelgötter im Norden - Tausende Kilometer entfernt."

Mit packenden Reenactment-Szenen (also dem Nachspielen historischer Ereignisse, ohne das inzwischen kaum noch eine TV-Dokumentation auskommt) und aufwendigen Computeranimationen folgt der Dokumentarfilm den Fährten der Bernstein-Händler von Ägypten über Mykene, die Alpen, nach Deutschland bis an die Küsten Samlands. Das Filmteam ist laut Arte - natürlich "exklusiv" - dabei, wenn aus der geheimnisumwitterten Bernsteinstraße der Bronzezeit archäologisch belegte Realität wird. Krauses Zwischenbilanz: "In den Kreis außergewöhnlicher Anlagen und Plätze der Bronzezeit, an denen sich bronzezeitliche Eliten durch spektakuläre Funden zu erkennen geben, sind zwei neue bedeutende Fundpunkte hinzu gekommen: der Mittelberg bei Nebra in Sachsen-Anhalt mit der Himmelsscheibe sowie die Befestigung von Bernstorf in Oberbayern."

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