Traumatische Einsätze:Für Feuerwehrleute ist Reden Gold

Feuerwehr - Gefahrgutunfall; Brand in Glonn

Ein Einsatz kann gerade für junge Feuerwehrleute zur psychischen Belastung werden. In Freising gibt es daher eine psychosoziale Notfallversorgung.

(Foto: Thomas Gaulke)

Gerade für junge Feuerwehrleute kann ein Unfall mit Schwerverletzten oder Toten sehr belastend sein. Gespräche mit Kameraden können helfen, es gibt aber auch eine psychosoziale Notfallversorgung.

Von Katharina Aurich, Freising

Sterben und Tod sind in unserem Alltag normalerweise nicht sichtbar, junge Feuerwehrleute werden bei einem Einsatz häufig zum ersten Mal mit Schwerverletzten oder Toten konfrontiert. Darüber zu reden und das Erlebte zu verarbeiten, ist eine große Herausforderung. Auch im Landkreis gibt es eine psychosoziale Notfallversorgung und ein Kriseninterventionsteam, das aus der Feuerwehr Freising heraus entstanden ist und von Franz Rauch geleitet wird. Bei der Herbstdienstversammlung der Kreis- und Stadtbrandräte aus ganz Oberbayern nahm dieses Thema großen Raum ein.

Diakon Matthias Holzbauer, Chef des Fachgebiets Feuerwehrseelsorge im Bezirk Oberbayern, berichtete, wie es der Feuerwehr gelinge, aus jungen Helfern "starke Typen" zu machen, die mit Stress und schwierigen Situationen gut umgehen können. In ihrem Umfeld hätten die jungen Leute kaum die Möglichkeit, darüber zu sprechen. Dafür sorgten jedoch die Feuerwehrkommandanten, die regelmäßig in der Krisenintervention fortgebildet würden und jeden ihrer Kameraden im Blick hätten.

Feuerwehr

Freisings freiwillige Feuerwehr bei einem Einsatz in Attaching.

(Foto: oh)

Wichtig seien Vorbilder, andere Kameraden, die über ihre Gefühle sprechen

Psychische Probleme nach einem Einsatz treten laut Holzbauer sowohl bei erfahrenen als auch bei jüngeren Feuerwehrleuten auf, davor ist niemand geschützt. Aber die Gemeinschaft helfe bei der Bewältigung von Krisen, wichtig seien Vorbilder, andere Kameraden, die über ihre Gefühle sprechen. Diese Erfahrungen böten Sicherheit - Unsicherheit sei der Nährboden von Ängsten, betonte der Diakon.

Das Wichtigste sei, zusammen zu hocken und zu reden, sagt auch Michael Gmach, 23, aus Haag, der seit seinem 14. Lebensjahr bei der Feuerwehr ist. Aber "die Toten, die vergisst du nie". Am Faschingsdienstag 2015 habe es bei einem Zimmerbrand ein Todesopfer gegeben, erinnert er sich. Das sei kein schöner Anblick gewesen, "aber in dem Moment denkst du nicht daran". Danach hätten sie darüber geredet. Schlimm war für den jungen Mann auch ein Einsatz vor einigen Wochen, als ein Familienvater einem Herzinfarkt erlag. "Ich denke noch immer daran, wie es dem kleinen Jungen geht, der seinen Vater verloren hat", sagt Gmach. Für ihn gehören diese Gedanken dazu, er komme damit gut zu Recht, sagt er.

In Freising erst mit 18 Jahren auf die Autobahn

Es gibt klare Regeln, um die ganz Jungen zu schützen. Bei der Feuerwehr Freising würden sie erst mit 18 Jahren mit zu Einsätzen auf die Autobahn genommen, betont Franz Rauch. Grundsätzlich seien sie ab 16 Jahren dabei, aber die älteren Kameraden entschieden bei jedem Einzelnen, wohin er mitgenommen werde. Bei Bränden zum Beispiel bleiben die jungen Helfer nur am Verteiler und gehen nicht in ein brennendes Gebäude, wie Rauch schildert.

Gerade für Eltern seien diese Regeln beruhigend. Wird die Feuerwehr zu einem schweren Einsatz gerufen, entscheidet der Kommandant, ob auch das Kriseninterventionsteam mit dazu kommt. Rauch berichtet von einem besonders dramatischen Fall, als eine Feuerwehr zu einem Verkehrsunfall gerufen wurde, bei dem ein Kamerad aus den eigenen Reihen in seinem Auto starb. Der Kommandant habe alles richtig gemacht: Er informierte sofort das Kriseninterventionsteam, alarmierte eine zweite Feuerwehr und nahm seine eigenen Leute Zug um Zug aus dem Einsatz heraus.

Auch als ein Kamerad der Feuerwehrleute starb, half es vielen zu reden

Nach diesem Ereignis wurden ihnen Gespräche angeboten, "aber wir zwingen niemanden", stellt Rauch klar. In einem Stuhlkreis ging es darum, welche Aufgabe jeder am Einsatzort übernommen und was er erlebt hatte. Die allermeisten hätten geredet und ihre Gefühle rausgelassen. Da gebe es keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Dann informierte Rauch die Feuerwehrleute, was auf sie zukommen könnte - zum Beispiel Albträume, Geräusche, Bilder vom Unfall. Solch ein Einsatz sei nicht für alle belastend, jeder Mensch sei anders, aber man sollte auf diese Reaktionen der Psyche gut vorbereitet sein. Es komme zum Glück nur sehr selten vor, dass ein Feuerwehrler nach einem schweren Einsatz aufhört, sagt Rauch.

Freisings Kommandant Anton Frankl betont, "wir wollen niemanden verlieren und psychischen Schaden von unseren Kameraden abwenden, deshalb sind diese Gespräche so wichtig". Aber nicht nur unmittelbar nach einem belastenden Einsatz ist das Thema Tod bei den Feuerwehrleuten präsent - sie pflegen ganz bewusst Rituale. "Unser alljährlicher Gedenkgottesdienst für verstorbene Kameraden ist der Renner", schildert Diakon Holzbauer. Und noch etwa anderes ist ihm wichtig: In jeder Feuerwehr brauche es Vorbilder, die zeigen, wie man seine Ängste gut bewältigen könne. Aber auch ein humorvoller Umgang sei schützend, "wir reden schon manchmal recht derb, aber es erleichtert, mit der Situation umzugehen".

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